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Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, I. Semester. I. Band.

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Schon der Bräutigam erscheint, obgleich brav und rechtschaffen, als eine
prosaische Natur. "Selbst wenn er der Gegenstand nicht wäre, tröstet die
verständige Meta, der von Seiten des Herzens dich befriedigte, glaubst du
nicht, daß dir das Verdienst vorbehalten sein könne, etwas von dein Reich¬
thum deiner Empfindung auf ihn zu übertragen?" "Du wirst finden, daß die
Männer gewöhnlich nur bei sogenannten reellen und recht in die Augen fallen¬
den Anlässen an unsern Bekünnncrnisscn Theil nehmen; von den stillen Leiden,
denen uns unser zarterer Sinn unsere Phantasie aussehe, und die unendlich
schwerer und schmerzhafter zu ertragen sind, nehmen sie meist gar keine No¬
tiz." "M. fühlt deine Zurückhaltung und Kälte, diese gibt ihm bei aller Liebe
einen Dcpit gegen dich, und diesen aufzuheben, gibt es nur ein Mittel: jene
Kälte, wenn auch mit einiger Anstrengung, zu überwinden oder zu verstecken."
--!--Nebenbei ist zu bemerken, daß die Anbeter fortdauern und sich ziemlich
viel herausnehmen. Elisabeth ist unordentlich und läßt sich in der Sorge für
ihren Mann selbst von andern Frauen beschämen. Einmal gesteht sie doch-
"Ich bin weit entfernt, mich davon freizusprechen, daß nicht auch in mir selbst
der Grund des Mißmuths liege, der mich drückt. Ich bin zu wenig H^'
meiner Empfindungen und jedes augenblicklichen Eindrucks; man hat vielleicht
meine Fehler zu sehr geschont." -- Sie ist in der That so wenig Herr darüber
daß sie einem fremden Mann Gelegenheit gibt, ihr unter Händedruck zuz"'
rufen: "Theure Frau, Sie sind nicht glücklich!" -- Dieser Vorfall gibt denn
doch der verständigen Meta zu der Bemerkung Gelegenheit: "Ueberhaupt
fürchte ich nur zu sehr, daß bei dem Beifall, den deine Gestalt, dein ganzes
Benehmen finden, du leicht die Theilnahme irgend eines Freundes gewinne"
könnest, der deinen Zustand verschlimmert, indem er ihn zu verbessern denkt,
und doch ist wol selten einer von diesem Geschlecht, der nicht gegen sein en?
nes Weib sich eben der Vernachlässigungen schuldig machte, über die er de>
jeder andern liebenswürdigen Frau Augen und Hände zum Himmel erhebt-
Als ihr Elisabeth den feurigen Brief eines Verehrers mittheilt, bemerkt Meta-
"Gebe der Himmel, daß die Liebe deiner Freunde dir nicht einst noch null-
Leiden bereite, als die Kälte und Scheelsucht deiner Neider . . . Mich dünkt,
du wirst eine gewaltige Sophistin, meine Elisabeth, aber es kostet dich keine
Mühe, mich alles glauben zu machen was du willst. Gewiß bist du un"^'
zuerst getäuscht, ehe du andere täuschest."

Endlich stirbt der Mann plötzlich, am Schlagfluß; Elisabeth, herbeigerufi'"'
steht an der Leiche und hebt die Augen zum Himmel. "O wie wohl thut es
mir jetzt, sagte sie, indem sie wieder auf ihn niedersah, immer sanft und nach
gebend gegen dich gewesen zu sein. Wenn er nicht immer gut gegen mich wal¬
fuhr sie fort, indem sie sich gegen uns wendete, so war es ja mehr die Schuld se>n^
Kränklichkeit als eines bösen Willens; er hat mich gewiß nie absichtlich gekränkt-


Schon der Bräutigam erscheint, obgleich brav und rechtschaffen, als eine
prosaische Natur. „Selbst wenn er der Gegenstand nicht wäre, tröstet die
verständige Meta, der von Seiten des Herzens dich befriedigte, glaubst du
nicht, daß dir das Verdienst vorbehalten sein könne, etwas von dein Reich¬
thum deiner Empfindung auf ihn zu übertragen?" „Du wirst finden, daß die
Männer gewöhnlich nur bei sogenannten reellen und recht in die Augen fallen¬
den Anlässen an unsern Bekünnncrnisscn Theil nehmen; von den stillen Leiden,
denen uns unser zarterer Sinn unsere Phantasie aussehe, und die unendlich
schwerer und schmerzhafter zu ertragen sind, nehmen sie meist gar keine No¬
tiz." „M. fühlt deine Zurückhaltung und Kälte, diese gibt ihm bei aller Liebe
einen Dcpit gegen dich, und diesen aufzuheben, gibt es nur ein Mittel: jene
Kälte, wenn auch mit einiger Anstrengung, zu überwinden oder zu verstecken."
—!—Nebenbei ist zu bemerken, daß die Anbeter fortdauern und sich ziemlich
viel herausnehmen. Elisabeth ist unordentlich und läßt sich in der Sorge für
ihren Mann selbst von andern Frauen beschämen. Einmal gesteht sie doch-
„Ich bin weit entfernt, mich davon freizusprechen, daß nicht auch in mir selbst
der Grund des Mißmuths liege, der mich drückt. Ich bin zu wenig H^'
meiner Empfindungen und jedes augenblicklichen Eindrucks; man hat vielleicht
meine Fehler zu sehr geschont." — Sie ist in der That so wenig Herr darüber
daß sie einem fremden Mann Gelegenheit gibt, ihr unter Händedruck zuz»'
rufen: „Theure Frau, Sie sind nicht glücklich!" — Dieser Vorfall gibt denn
doch der verständigen Meta zu der Bemerkung Gelegenheit: „Ueberhaupt
fürchte ich nur zu sehr, daß bei dem Beifall, den deine Gestalt, dein ganzes
Benehmen finden, du leicht die Theilnahme irgend eines Freundes gewinne»
könnest, der deinen Zustand verschlimmert, indem er ihn zu verbessern denkt,
und doch ist wol selten einer von diesem Geschlecht, der nicht gegen sein en?
nes Weib sich eben der Vernachlässigungen schuldig machte, über die er de>
jeder andern liebenswürdigen Frau Augen und Hände zum Himmel erhebt-
Als ihr Elisabeth den feurigen Brief eines Verehrers mittheilt, bemerkt Meta-
„Gebe der Himmel, daß die Liebe deiner Freunde dir nicht einst noch null-
Leiden bereite, als die Kälte und Scheelsucht deiner Neider . . . Mich dünkt,
du wirst eine gewaltige Sophistin, meine Elisabeth, aber es kostet dich keine
Mühe, mich alles glauben zu machen was du willst. Gewiß bist du un»^'
zuerst getäuscht, ehe du andere täuschest."

Endlich stirbt der Mann plötzlich, am Schlagfluß; Elisabeth, herbeigerufi'»'
steht an der Leiche und hebt die Augen zum Himmel. „O wie wohl thut es
mir jetzt, sagte sie, indem sie wieder auf ihn niedersah, immer sanft und nach
gebend gegen dich gewesen zu sein. Wenn er nicht immer gut gegen mich wal¬
fuhr sie fort, indem sie sich gegen uns wendete, so war es ja mehr die Schuld se>n^
Kränklichkeit als eines bösen Willens; er hat mich gewiß nie absichtlich gekränkt-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_186950/188>, abgerufen am 24.07.2024.