Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, I. Semester. I. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

Geist zuerst Luft. Oestreich fand sich durch die Umtriebe, welche die ganze
Halbinsel umfaßten, bald gefährdet, es mußte, um die aufgeregte Stimmung
niederzuhalten, in Italien stets gerüstet stehn. Ohne dem vormärzlichen Sy'
Stein eine Lobrede halten zu wollen, darf man behaupten, daß das schickst
der italienischen Provinzen Oestreichs weder absolut genommen, noch vergÜ'
chen mit dein anderer Länder, ein drückendes war. Italien wurde immer
mit einer gewissen Rücksicht behandelt; im Gebrauch der eignen Sprache
ungestört, die bis in die höchsten Stellen Amtssprache blieb, in allen An¬
stalten gepflegt, von den schlechten Valntaverhältnissen, die auf Oestreichs
übrigen Provinzen lasteten, verschont, in Kunst und Wissenschaft und nicht
minder in den materiellen Interessen gefördert, hatte es kaum Grund
klagen; lediglich der Wunsch nach Unabhängigkeit von fremder Herrschaft konnte
als Grund geltend gemacht werden, wenn man gegen Oestreich erbittert wa^
Dieses beruft sich dagegen auf sein durch Verträge geheiligtes Recht auf de"
Besitz dieses Landes, welches mit dem Blute seiner Soldaten erworben. u"d
das es nicht aufgeben wolle. Allerdings liegt hierin ein unheilbarer Wider'
Spruch, und macht sich der dem östreichischen Kaiserstaat angehörende Theil d6
italienischen Nation nicht mit der Idee vertraut, daß es besser sei, von eine"'
deutschen Fürsten gut, als von einem italienischen schlecht regiert zu werde"-
so ist an eme günstigere Gestaltung des Verhältnisses zwischen Oestreich u"d
seiner italienischen Provinz nicht zu denken.

Das Jahr 1848 ist in frischem Gedächtniß. Italien erhob sich zur
treibung der Fremden. Das Heer Oestreichs, durch RadetM sorgsam gepflegt
und in Voraussicht dieser Ereignisse tüchtig ausgebildet, rettete durch sei^
Tapferkeit und Ausdauer Italien für Oestreich. Oestreich beschloß seine Seel'
lung in dem zurückeroberten Lande noch energischer zu behaupten: militärisch'
indem es ein starkes, stets schlagfertiges Heer in Italien unterhielt, indem ^
verschiedene neue Befestigungen anlegte, und indem es einige fremde Gebiets'
theile besetzte; auf dem Civilwcge, indem es die Besiegten durch Milde n>^
Mäßigung zu gewinnen strebte. Italien litt infolge seiner von so vielen A^'
schreitungen begleitet gewesenen Erhebung nur wenig. Das von der Reg^'
rung befolgte System zeigt keinen Versuch, die Nationalität anzugreifen, >^
in Galizien und Ungarn. Trotz der in Oestreich herrschenden Sucht alles ^
centralisiren und zu nivelliren, bleiben die Eigenthümlichkeiten der ProM""
unangetastet. Mit Munificenz wird jeder Wunsch nach Förderung der in>^
rielleu Interessen erfüllt. Das Land erhält sogar eine Art ständischer
tretung, deren die treugebliebenen Provinzen nicht werth gehalten werde>^
Das Schicksal, sich nicht aller constitutionellen Freiheiten zu erfreun, welev
der Geist der Gegenwart fordert, theilt es mit dem übrigen Oestreich
manchen andern Staaten.


Geist zuerst Luft. Oestreich fand sich durch die Umtriebe, welche die ganze
Halbinsel umfaßten, bald gefährdet, es mußte, um die aufgeregte Stimmung
niederzuhalten, in Italien stets gerüstet stehn. Ohne dem vormärzlichen Sy'
Stein eine Lobrede halten zu wollen, darf man behaupten, daß das schickst
der italienischen Provinzen Oestreichs weder absolut genommen, noch vergÜ'
chen mit dein anderer Länder, ein drückendes war. Italien wurde immer
mit einer gewissen Rücksicht behandelt; im Gebrauch der eignen Sprache
ungestört, die bis in die höchsten Stellen Amtssprache blieb, in allen An¬
stalten gepflegt, von den schlechten Valntaverhältnissen, die auf Oestreichs
übrigen Provinzen lasteten, verschont, in Kunst und Wissenschaft und nicht
minder in den materiellen Interessen gefördert, hatte es kaum Grund
klagen; lediglich der Wunsch nach Unabhängigkeit von fremder Herrschaft konnte
als Grund geltend gemacht werden, wenn man gegen Oestreich erbittert wa^
Dieses beruft sich dagegen auf sein durch Verträge geheiligtes Recht auf de»
Besitz dieses Landes, welches mit dem Blute seiner Soldaten erworben. u»d
das es nicht aufgeben wolle. Allerdings liegt hierin ein unheilbarer Wider'
Spruch, und macht sich der dem östreichischen Kaiserstaat angehörende Theil d6
italienischen Nation nicht mit der Idee vertraut, daß es besser sei, von eine»'
deutschen Fürsten gut, als von einem italienischen schlecht regiert zu werde»-
so ist an eme günstigere Gestaltung des Verhältnisses zwischen Oestreich u»d
seiner italienischen Provinz nicht zu denken.

Das Jahr 1848 ist in frischem Gedächtniß. Italien erhob sich zur
treibung der Fremden. Das Heer Oestreichs, durch RadetM sorgsam gepflegt
und in Voraussicht dieser Ereignisse tüchtig ausgebildet, rettete durch sei^
Tapferkeit und Ausdauer Italien für Oestreich. Oestreich beschloß seine Seel'
lung in dem zurückeroberten Lande noch energischer zu behaupten: militärisch'
indem es ein starkes, stets schlagfertiges Heer in Italien unterhielt, indem ^
verschiedene neue Befestigungen anlegte, und indem es einige fremde Gebiets'
theile besetzte; auf dem Civilwcge, indem es die Besiegten durch Milde n>^
Mäßigung zu gewinnen strebte. Italien litt infolge seiner von so vielen A^'
schreitungen begleitet gewesenen Erhebung nur wenig. Das von der Reg^'
rung befolgte System zeigt keinen Versuch, die Nationalität anzugreifen, >^
in Galizien und Ungarn. Trotz der in Oestreich herrschenden Sucht alles ^
centralisiren und zu nivelliren, bleiben die Eigenthümlichkeiten der ProM»»
unangetastet. Mit Munificenz wird jeder Wunsch nach Förderung der in>^
rielleu Interessen erfüllt. Das Land erhält sogar eine Art ständischer
tretung, deren die treugebliebenen Provinzen nicht werth gehalten werde>^
Das Schicksal, sich nicht aller constitutionellen Freiheiten zu erfreun, welev
der Geist der Gegenwart fordert, theilt es mit dem übrigen Oestreich
manchen andern Staaten.


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0148" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/187099"/>
          <p xml:id="ID_440" prev="#ID_439"> Geist zuerst Luft. Oestreich fand sich durch die Umtriebe, welche die ganze<lb/>
Halbinsel umfaßten, bald gefährdet, es mußte, um die aufgeregte Stimmung<lb/>
niederzuhalten, in Italien stets gerüstet stehn. Ohne dem vormärzlichen Sy'<lb/>
Stein eine Lobrede halten zu wollen, darf man behaupten, daß das schickst<lb/>
der italienischen Provinzen Oestreichs weder absolut genommen, noch vergÜ'<lb/>
chen mit dein anderer Länder, ein drückendes war. Italien wurde immer<lb/>
mit einer gewissen Rücksicht behandelt; im Gebrauch der eignen Sprache<lb/>
ungestört, die bis in die höchsten Stellen Amtssprache blieb, in allen An¬<lb/>
stalten gepflegt, von den schlechten Valntaverhältnissen, die auf Oestreichs<lb/>
übrigen Provinzen lasteten, verschont, in Kunst und Wissenschaft und nicht<lb/>
minder in den materiellen Interessen gefördert, hatte es kaum Grund<lb/>
klagen; lediglich der Wunsch nach Unabhängigkeit von fremder Herrschaft konnte<lb/>
als Grund geltend gemacht werden, wenn man gegen Oestreich erbittert wa^<lb/>
Dieses beruft sich dagegen auf sein durch Verträge geheiligtes Recht auf de»<lb/>
Besitz dieses Landes, welches mit dem Blute seiner Soldaten erworben. u»d<lb/>
das es nicht aufgeben wolle. Allerdings liegt hierin ein unheilbarer Wider'<lb/>
Spruch, und macht sich der dem östreichischen Kaiserstaat angehörende Theil d6<lb/>
italienischen Nation nicht mit der Idee vertraut, daß es besser sei, von eine»'<lb/>
deutschen Fürsten gut, als von einem italienischen schlecht regiert zu werde»-<lb/>
so ist an eme günstigere Gestaltung des Verhältnisses zwischen Oestreich u»d<lb/>
seiner italienischen Provinz nicht zu denken.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_441"> Das Jahr 1848 ist in frischem Gedächtniß. Italien erhob sich zur<lb/>
treibung der Fremden.  Das Heer Oestreichs, durch RadetM sorgsam gepflegt<lb/>
und in Voraussicht dieser Ereignisse tüchtig ausgebildet, rettete durch sei^<lb/>
Tapferkeit und Ausdauer Italien für Oestreich.  Oestreich beschloß seine Seel'<lb/>
lung in dem zurückeroberten Lande noch energischer zu behaupten: militärisch'<lb/>
indem es ein starkes, stets schlagfertiges Heer in Italien unterhielt, indem ^<lb/>
verschiedene neue Befestigungen anlegte, und indem es einige fremde Gebiets'<lb/>
theile besetzte; auf dem Civilwcge, indem es die Besiegten durch Milde n&gt;^<lb/>
Mäßigung zu gewinnen strebte. Italien litt infolge seiner von so vielen A^'<lb/>
schreitungen begleitet gewesenen Erhebung nur wenig.  Das von der Reg^'<lb/>
rung befolgte System zeigt keinen Versuch, die Nationalität anzugreifen, &gt;^<lb/>
in Galizien und Ungarn.  Trotz der in Oestreich herrschenden Sucht alles ^<lb/>
centralisiren und zu nivelliren, bleiben die Eigenthümlichkeiten der ProM»»<lb/>
unangetastet.  Mit Munificenz wird jeder Wunsch nach Förderung der in&gt;^<lb/>
rielleu Interessen erfüllt.  Das Land erhält sogar eine Art ständischer<lb/>
tretung, deren die treugebliebenen Provinzen nicht werth gehalten werde&gt;^<lb/>
Das Schicksal, sich nicht aller constitutionellen Freiheiten zu erfreun, welev<lb/>
der Geist der Gegenwart fordert, theilt es mit dem übrigen Oestreich<lb/>
manchen andern Staaten.</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0148] Geist zuerst Luft. Oestreich fand sich durch die Umtriebe, welche die ganze Halbinsel umfaßten, bald gefährdet, es mußte, um die aufgeregte Stimmung niederzuhalten, in Italien stets gerüstet stehn. Ohne dem vormärzlichen Sy' Stein eine Lobrede halten zu wollen, darf man behaupten, daß das schickst der italienischen Provinzen Oestreichs weder absolut genommen, noch vergÜ' chen mit dein anderer Länder, ein drückendes war. Italien wurde immer mit einer gewissen Rücksicht behandelt; im Gebrauch der eignen Sprache ungestört, die bis in die höchsten Stellen Amtssprache blieb, in allen An¬ stalten gepflegt, von den schlechten Valntaverhältnissen, die auf Oestreichs übrigen Provinzen lasteten, verschont, in Kunst und Wissenschaft und nicht minder in den materiellen Interessen gefördert, hatte es kaum Grund klagen; lediglich der Wunsch nach Unabhängigkeit von fremder Herrschaft konnte als Grund geltend gemacht werden, wenn man gegen Oestreich erbittert wa^ Dieses beruft sich dagegen auf sein durch Verträge geheiligtes Recht auf de» Besitz dieses Landes, welches mit dem Blute seiner Soldaten erworben. u»d das es nicht aufgeben wolle. Allerdings liegt hierin ein unheilbarer Wider' Spruch, und macht sich der dem östreichischen Kaiserstaat angehörende Theil d6 italienischen Nation nicht mit der Idee vertraut, daß es besser sei, von eine»' deutschen Fürsten gut, als von einem italienischen schlecht regiert zu werde»- so ist an eme günstigere Gestaltung des Verhältnisses zwischen Oestreich u»d seiner italienischen Provinz nicht zu denken. Das Jahr 1848 ist in frischem Gedächtniß. Italien erhob sich zur treibung der Fremden. Das Heer Oestreichs, durch RadetM sorgsam gepflegt und in Voraussicht dieser Ereignisse tüchtig ausgebildet, rettete durch sei^ Tapferkeit und Ausdauer Italien für Oestreich. Oestreich beschloß seine Seel' lung in dem zurückeroberten Lande noch energischer zu behaupten: militärisch' indem es ein starkes, stets schlagfertiges Heer in Italien unterhielt, indem ^ verschiedene neue Befestigungen anlegte, und indem es einige fremde Gebiets' theile besetzte; auf dem Civilwcge, indem es die Besiegten durch Milde n>^ Mäßigung zu gewinnen strebte. Italien litt infolge seiner von so vielen A^' schreitungen begleitet gewesenen Erhebung nur wenig. Das von der Reg^' rung befolgte System zeigt keinen Versuch, die Nationalität anzugreifen, >^ in Galizien und Ungarn. Trotz der in Oestreich herrschenden Sucht alles ^ centralisiren und zu nivelliren, bleiben die Eigenthümlichkeiten der ProM»» unangetastet. Mit Munificenz wird jeder Wunsch nach Förderung der in>^ rielleu Interessen erfüllt. Das Land erhält sogar eine Art ständischer tretung, deren die treugebliebenen Provinzen nicht werth gehalten werde>^ Das Schicksal, sich nicht aller constitutionellen Freiheiten zu erfreun, welev der Geist der Gegenwart fordert, theilt es mit dem übrigen Oestreich manchen andern Staaten.

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_186950
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_186950/148
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_186950/148>, abgerufen am 24.07.2024.