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Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, I. Semester. I. Band.

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giebigkeit schwankend, wurde er endlich dadurch erlöst, daß die krakauer Frage
die Schweizer in den Hintergrund drängte. Den 20. Juli 1847 erfolgte der
entscheidende Schritt, die Auslösung des Sonderbunds durch die Tagsatzung,
und als Metternich einen neuen diplomatischen Sturm vorbereitete, kam den
4. Den. die officielle Nachricht von der militärischen Ausführung dieses Beschlusses.
Selbst der Petersburger Hof erklärte, durch verspätete Demonstrationen würden
die Mächte nur ihrer Würde vergeben; die Maschine war einmal im Gang,
und noch viele Wochen Hindurch wurde an den abzugebenden Noten sorgfältig
corrigirt.

Es hatte in den Regierungskreisen nicht an Stimmen gefehlt, welche die
vollständige Aufhebung der ständischen Verfassungen anriechen, besonders seit
dem stürmischen Reichstag zu Preßburg 1844. Aber noch zu Ende 1844 hatte
Metternich erklärt, der richtigste Weg, den Ungarns König einzuschlagen habe,
sei nicht, daß er die freie Repräsentativverfassung zu Gunsten des Absolutis¬
mus aufzuheben suche, sondern daß er die Initiative ergreife und selbst mit
Nesormvorschlägen vorangehe. Bisher habe man den Ständen die auszuar¬
beitenden Vorschläge überlassen; diese Passivität sei ungehörig und gefährlich.
Jedes Land bedürfe vor allem, regiert zu werden: versiege die Regierungs-
gewalt in den obersten Regionen, so bilden sich Gewalten in den untern,
Vor allem drang er auf materielle und juristische Verbesserungen. Ein in
diesem Sinn redigirtes Programm erhielt Januar 1847 die königliche Sanction '-
es sollte u- a. auch die Zolleinigung, die Metternich'noch immer nicht auf¬
gegeben hatte, anbahnen.

In den ersten Tagen des Februar 1848 wurden auch die alten Projecte
in Bezug auf ständische Ausschüsse der Provinzialvertrctungen wieder auf¬
genommen, diesmal mit mehr Aussicht auf Erfolg. Die Schwierigkeiten waren
freilich groß. "Schon jetzt, schreibt der schweizer Bevollmächtigte 13. Februar
1848, bedürfe es großer Gewandtheit, um so verschiedenartige Nationen zu
einem Ganzen zusammenzuhalten. Die Aufgabe würde sich weit schwieriger
gestalten mit einer Menge von besondern Verfassungen, die jedem Volksstamm
eine gewisse Selbstständigkeit verleihen, das nationale Bewußtsein erhöhen,
Rivalitäten erzeugen und die monarchische Gewalt schwächen müßten." Trotz'
dem wurde der Plan vom Erzherzog Ludwig genehmigt, sämmtliche Provin-
zialstände aufzufordern, Deputirte aus ihrer Mitte nach Wien zu senden, uM
mit den Behörden zu berathen. Da trat plötzlich, unerwartet, ein Zögern ein-

Auf die Kunde von der französischen Revolution erklärte Metternich, jeHt
dürfe man keine Concessionen machen, die als abgedrungen erscheinen würden-
Der Erzherzog Ludwig trat ihm bei; vergebens eiferten Kollowrat, Kübeck und
der herbeieilende Erzherzog Johann dagegen. Mit den letztern verbanden sich j^'i^
diejenigen Mitglieder des Hofes, die früher auf Seite der klerikalen Partei gegc"


giebigkeit schwankend, wurde er endlich dadurch erlöst, daß die krakauer Frage
die Schweizer in den Hintergrund drängte. Den 20. Juli 1847 erfolgte der
entscheidende Schritt, die Auslösung des Sonderbunds durch die Tagsatzung,
und als Metternich einen neuen diplomatischen Sturm vorbereitete, kam den
4. Den. die officielle Nachricht von der militärischen Ausführung dieses Beschlusses.
Selbst der Petersburger Hof erklärte, durch verspätete Demonstrationen würden
die Mächte nur ihrer Würde vergeben; die Maschine war einmal im Gang,
und noch viele Wochen Hindurch wurde an den abzugebenden Noten sorgfältig
corrigirt.

Es hatte in den Regierungskreisen nicht an Stimmen gefehlt, welche die
vollständige Aufhebung der ständischen Verfassungen anriechen, besonders seit
dem stürmischen Reichstag zu Preßburg 1844. Aber noch zu Ende 1844 hatte
Metternich erklärt, der richtigste Weg, den Ungarns König einzuschlagen habe,
sei nicht, daß er die freie Repräsentativverfassung zu Gunsten des Absolutis¬
mus aufzuheben suche, sondern daß er die Initiative ergreife und selbst mit
Nesormvorschlägen vorangehe. Bisher habe man den Ständen die auszuar¬
beitenden Vorschläge überlassen; diese Passivität sei ungehörig und gefährlich.
Jedes Land bedürfe vor allem, regiert zu werden: versiege die Regierungs-
gewalt in den obersten Regionen, so bilden sich Gewalten in den untern,
Vor allem drang er auf materielle und juristische Verbesserungen. Ein in
diesem Sinn redigirtes Programm erhielt Januar 1847 die königliche Sanction '-
es sollte u- a. auch die Zolleinigung, die Metternich'noch immer nicht auf¬
gegeben hatte, anbahnen.

In den ersten Tagen des Februar 1848 wurden auch die alten Projecte
in Bezug auf ständische Ausschüsse der Provinzialvertrctungen wieder auf¬
genommen, diesmal mit mehr Aussicht auf Erfolg. Die Schwierigkeiten waren
freilich groß. „Schon jetzt, schreibt der schweizer Bevollmächtigte 13. Februar
1848, bedürfe es großer Gewandtheit, um so verschiedenartige Nationen zu
einem Ganzen zusammenzuhalten. Die Aufgabe würde sich weit schwieriger
gestalten mit einer Menge von besondern Verfassungen, die jedem Volksstamm
eine gewisse Selbstständigkeit verleihen, das nationale Bewußtsein erhöhen,
Rivalitäten erzeugen und die monarchische Gewalt schwächen müßten." Trotz'
dem wurde der Plan vom Erzherzog Ludwig genehmigt, sämmtliche Provin-
zialstände aufzufordern, Deputirte aus ihrer Mitte nach Wien zu senden, uM
mit den Behörden zu berathen. Da trat plötzlich, unerwartet, ein Zögern ein-

Auf die Kunde von der französischen Revolution erklärte Metternich, jeHt
dürfe man keine Concessionen machen, die als abgedrungen erscheinen würden-
Der Erzherzog Ludwig trat ihm bei; vergebens eiferten Kollowrat, Kübeck und
der herbeieilende Erzherzog Johann dagegen. Mit den letztern verbanden sich j^'i^
diejenigen Mitglieder des Hofes, die früher auf Seite der klerikalen Partei gegc"


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[0142] giebigkeit schwankend, wurde er endlich dadurch erlöst, daß die krakauer Frage die Schweizer in den Hintergrund drängte. Den 20. Juli 1847 erfolgte der entscheidende Schritt, die Auslösung des Sonderbunds durch die Tagsatzung, und als Metternich einen neuen diplomatischen Sturm vorbereitete, kam den 4. Den. die officielle Nachricht von der militärischen Ausführung dieses Beschlusses. Selbst der Petersburger Hof erklärte, durch verspätete Demonstrationen würden die Mächte nur ihrer Würde vergeben; die Maschine war einmal im Gang, und noch viele Wochen Hindurch wurde an den abzugebenden Noten sorgfältig corrigirt. Es hatte in den Regierungskreisen nicht an Stimmen gefehlt, welche die vollständige Aufhebung der ständischen Verfassungen anriechen, besonders seit dem stürmischen Reichstag zu Preßburg 1844. Aber noch zu Ende 1844 hatte Metternich erklärt, der richtigste Weg, den Ungarns König einzuschlagen habe, sei nicht, daß er die freie Repräsentativverfassung zu Gunsten des Absolutis¬ mus aufzuheben suche, sondern daß er die Initiative ergreife und selbst mit Nesormvorschlägen vorangehe. Bisher habe man den Ständen die auszuar¬ beitenden Vorschläge überlassen; diese Passivität sei ungehörig und gefährlich. Jedes Land bedürfe vor allem, regiert zu werden: versiege die Regierungs- gewalt in den obersten Regionen, so bilden sich Gewalten in den untern, Vor allem drang er auf materielle und juristische Verbesserungen. Ein in diesem Sinn redigirtes Programm erhielt Januar 1847 die königliche Sanction '- es sollte u- a. auch die Zolleinigung, die Metternich'noch immer nicht auf¬ gegeben hatte, anbahnen. In den ersten Tagen des Februar 1848 wurden auch die alten Projecte in Bezug auf ständische Ausschüsse der Provinzialvertrctungen wieder auf¬ genommen, diesmal mit mehr Aussicht auf Erfolg. Die Schwierigkeiten waren freilich groß. „Schon jetzt, schreibt der schweizer Bevollmächtigte 13. Februar 1848, bedürfe es großer Gewandtheit, um so verschiedenartige Nationen zu einem Ganzen zusammenzuhalten. Die Aufgabe würde sich weit schwieriger gestalten mit einer Menge von besondern Verfassungen, die jedem Volksstamm eine gewisse Selbstständigkeit verleihen, das nationale Bewußtsein erhöhen, Rivalitäten erzeugen und die monarchische Gewalt schwächen müßten." Trotz' dem wurde der Plan vom Erzherzog Ludwig genehmigt, sämmtliche Provin- zialstände aufzufordern, Deputirte aus ihrer Mitte nach Wien zu senden, uM mit den Behörden zu berathen. Da trat plötzlich, unerwartet, ein Zögern ein- Auf die Kunde von der französischen Revolution erklärte Metternich, jeHt dürfe man keine Concessionen machen, die als abgedrungen erscheinen würden- Der Erzherzog Ludwig trat ihm bei; vergebens eiferten Kollowrat, Kübeck und der herbeieilende Erzherzog Johann dagegen. Mit den letztern verbanden sich j^'i^ diejenigen Mitglieder des Hofes, die früher auf Seite der klerikalen Partei gegc"

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_186950/142>, abgerufen am 24.07.2024.