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Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, I. Semester. I. Band.

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sein Wille nicht souverän, sondern nur so weit seine Ideen mit denen des
Kaisers übereinstimmten, was nicht durchweg der Fall war. Schon im Cha¬
rakter bestand ein scharfer Gegensatz. In sittlicher Beziehung hegte Franz
die allerstrengsten Grundsätze, Metternich dagegen die allerlaxesten, deren An¬
wendung zuweilen ans Frivole streifte. Der Kaiser war von Gemüth bis
zur Unbeugsamkeit herbe und hart, der Minister bis zur Weichheit biegsam
und elastisch. Sagte doch Franz einmal selbst, "im Verzeihen bin ich ein
schlechter Christ, es kommt mir gar schwer an; der Metternich ist darin viel
milder." -- Der Kaiser war ein strenger Katholik, geneigt sich jeder Forde¬
rung der Kirche zu fügen, und den Jesuiten zugethan; Metternich hatte gar
keine Religion, er war entschieden gegen alle Uebergriffe der kirchlichen Gewalt
und betrachtete die Jesuiten mit Mißtrauen. Was zu seiner Zeit in diesen
Beziehungen geschah, war einer höhern Willensmeinung, was nicht geschah,
war ihm zu danken. Der Kaiser war aus Jnstinct ein unerbittlicher Feind
jeder Neuerung, gleichviel welcher Art; Metternich, dem das Interesse über
alles ging, bekämpfte nur diejenigen Neuerungen, die man als abgetrotzt an¬
setzn konnte. Metternichs Hauptfehler, wie der Verfasser ganz richtig bemerkt,
war die moralische Schwäche in der Durchführung dessen, was er als noth¬
wendig oder zweckmäßig erkannte. Aus diese Schwäche sind die wichtigsten
Motive seiner Politik zurückzuführen: seine übertriebene Nevolutionsangst, seine
Liebe zum Frieden um jeden Preis; durch sie wurde seine Besorgniß vor ern¬
sten Conflicten mit seiner Umgebung bedingt. Was seiner Stellung Dauer
gab, war nicht blos die tief eingewurzelte Meinung, daß er der Unentbehr¬
liche oder der Unvermeidliche sei, sondern eben die Schwäche seiner Natur,
vermöge deren er, zumal bei Anlässen, wo jedes Mitglied der kaiserliche"
Familie mitreden zu können glaubte, ebenso rasch im Angriff als im Wider¬
stand erlahmte. Er war seiner Natur nach weder Intrigant noch Despot!
dazu war er geistig und sittlich viel zu wenig straff geartet, viel zu sehr ein
galanter, entgegenkommender und redseliger Lebemann. In der innern Ver¬
waltung wurde er selten geHort und absichtlich fern gehalten. Das war das
Gebiet, worin der Kaiser selbst wie ein Bureauches arbeitete, so emsig, daß ^
sich das Zeugniß gab, er hätte wol ein brauchbarer Hofrath werden können-

Das politische Princip, das bei dem Kaiser aus der Ueberzeugung, den'
Herzen und dem Gewissen hervorgegangen war, entsprang bei Metternich aus
der Reflexion, der Erfahrung. Um Oestreichs Integrität und seine Fortdauer
als Großmacht sicher zu stellen, lag ihm vor allem daran, den Bestand der
Dinge, die vertragsmäßig geordneten Territorialverhältnisse unverbrüchlich an^
recht zu erhalten, keinerlei Versuche einseitiger Veränderung zu dulden, auch
dem leisesten Trachten der Cabinete nach einer Vermehrung ihrer Macht Wid^"
stand zu leisten. An einem einzigen Punkt der europäischen Verhältnisse rue-


sein Wille nicht souverän, sondern nur so weit seine Ideen mit denen des
Kaisers übereinstimmten, was nicht durchweg der Fall war. Schon im Cha¬
rakter bestand ein scharfer Gegensatz. In sittlicher Beziehung hegte Franz
die allerstrengsten Grundsätze, Metternich dagegen die allerlaxesten, deren An¬
wendung zuweilen ans Frivole streifte. Der Kaiser war von Gemüth bis
zur Unbeugsamkeit herbe und hart, der Minister bis zur Weichheit biegsam
und elastisch. Sagte doch Franz einmal selbst, „im Verzeihen bin ich ein
schlechter Christ, es kommt mir gar schwer an; der Metternich ist darin viel
milder." — Der Kaiser war ein strenger Katholik, geneigt sich jeder Forde¬
rung der Kirche zu fügen, und den Jesuiten zugethan; Metternich hatte gar
keine Religion, er war entschieden gegen alle Uebergriffe der kirchlichen Gewalt
und betrachtete die Jesuiten mit Mißtrauen. Was zu seiner Zeit in diesen
Beziehungen geschah, war einer höhern Willensmeinung, was nicht geschah,
war ihm zu danken. Der Kaiser war aus Jnstinct ein unerbittlicher Feind
jeder Neuerung, gleichviel welcher Art; Metternich, dem das Interesse über
alles ging, bekämpfte nur diejenigen Neuerungen, die man als abgetrotzt an¬
setzn konnte. Metternichs Hauptfehler, wie der Verfasser ganz richtig bemerkt,
war die moralische Schwäche in der Durchführung dessen, was er als noth¬
wendig oder zweckmäßig erkannte. Aus diese Schwäche sind die wichtigsten
Motive seiner Politik zurückzuführen: seine übertriebene Nevolutionsangst, seine
Liebe zum Frieden um jeden Preis; durch sie wurde seine Besorgniß vor ern¬
sten Conflicten mit seiner Umgebung bedingt. Was seiner Stellung Dauer
gab, war nicht blos die tief eingewurzelte Meinung, daß er der Unentbehr¬
liche oder der Unvermeidliche sei, sondern eben die Schwäche seiner Natur,
vermöge deren er, zumal bei Anlässen, wo jedes Mitglied der kaiserliche»
Familie mitreden zu können glaubte, ebenso rasch im Angriff als im Wider¬
stand erlahmte. Er war seiner Natur nach weder Intrigant noch Despot!
dazu war er geistig und sittlich viel zu wenig straff geartet, viel zu sehr ein
galanter, entgegenkommender und redseliger Lebemann. In der innern Ver¬
waltung wurde er selten geHort und absichtlich fern gehalten. Das war das
Gebiet, worin der Kaiser selbst wie ein Bureauches arbeitete, so emsig, daß ^
sich das Zeugniß gab, er hätte wol ein brauchbarer Hofrath werden können-

Das politische Princip, das bei dem Kaiser aus der Ueberzeugung, den'
Herzen und dem Gewissen hervorgegangen war, entsprang bei Metternich aus
der Reflexion, der Erfahrung. Um Oestreichs Integrität und seine Fortdauer
als Großmacht sicher zu stellen, lag ihm vor allem daran, den Bestand der
Dinge, die vertragsmäßig geordneten Territorialverhältnisse unverbrüchlich an^
recht zu erhalten, keinerlei Versuche einseitiger Veränderung zu dulden, auch
dem leisesten Trachten der Cabinete nach einer Vermehrung ihrer Macht Wid^"
stand zu leisten. An einem einzigen Punkt der europäischen Verhältnisse rue-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_186950/132>, abgerufen am 24.07.2024.