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Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, II. Semester. IV. Band.

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Verlauf weniger Jahre dem altgewohnten sich selbst schadendem Raubsystem
des marokkanischen Fiskus Platz, und die Folge war, daß drei Viertel der Kauf¬
leute sich wieder entfernte und die auf 25,000 Seelen angewachsene Zahl der
Einwohner sich im Lauf eines Vierteljahrhunderts auf die Hülste verminderte.
So hübsch Mogador oder Suerah mit seinen hohen schlanken Minarets von
Weitem sich ausnimmt, so glatt und neu seine mit Kanonen gespickter Mauern
aussehen, das Innere ist fast ebenso schmutzig wie das ihrer Nachbarstädte im
Norden. Indeß sind die Straßen, zwar, der Hitze des Sommers wegen, eng
und dunkel, aber regelmäßig und einige Gebäude mit Sorgfalt aufgeführt,
und so ist Mogador immerhin die am Besten gebaute und freundlichste Stadt
Marokkos. Daß sie einen Theil ihrer Fundamente hat dem Ocean abringen
müssen, erkennt man auf den ersten Blick. Ihre vorgeschobenen Batterien
werden, wie bemerkt, von den Wellen bespült, ihre Mauern nach dem Meer
hinaus dienen als Wall und zugleich als Hafendamm. Sie scheinen die Wo¬
gen herauszufordern, die sich mit Wuth daran brechen, oft bis zu ihrer Krö¬
nung aufschwellen und sie mit Schaum bedecken. Beim ruhigsten Wetter sieht
man von den Terrassen der Häuser herab unablässig die weißen dunstigen
Schaumkämme der Brandung sich an den Felsen und über die Ringmauer im
Westen emporbäumen, und wenn es stürmt, sieht Mogador aus, als wolle es
jeden Moment in den aufwogenden Wellen und inmitten der Sandwirbel,
welche der Wind emporjagt, verloren gehen. Alles ist außerhalb der Ring¬
mauer der Stadt beweglich, die Wüste so gut wie der Ocean. Die Dünen,
welche der Flugsand hinter der Stadt zusammenweht, wechseln ihre Gestalt
fast ebenso oft als die Wellen, und man sieht so an dem einen Tage einen
ganz andern Horizont als am vorhergehenden. Die Entfesselung der Fluthen
des Wassers und des Sandes durch einen Sturm wirkt in dieser wilden Um¬
gebung außerordentlich stark auf die Phantasie, namentlich wenn zu gleicher
Zeit die Mueddins auf den Balkonen der Minarets durch den Aufruhr der
Elemente hindurch mit eintöniger, aber weithinschallender Stimme ihre Koran-
Suren erschallen lassen, um die Gläubigen zum Gebet zu rufen.

Alle Kauffahrer ankern die Ostseite der kleinen Insel entlang, die sie gegen
alle West- und Nordwinde sicher stellt, aber keinen Schutz vor den Südwest¬
winden gewährt, die hier fast immer Stürme sind und schon manches Schiff
im Hasen zu Grunde gerichtet haben. Schaluppen und Boote dienen als
Verkehrsmittel zwischen den Schiffen im Hasen und der Stadt, da die Wasser¬
tiefe in der Nähe der letztern zu gering ist, als daß größere Fahrzeuge bis an
das Land heranfahren könnten.

Die Stadt ist, wie in der arabisch-maurischen Welt häufig vorkommt,
durch Mauerabtheilungen mit Thoren in verschiedene Viertel getheilt. Die¬
selben sind: der Landungsplatz und die Vorrathshäuser der Marine, der Palast ^


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Verlauf weniger Jahre dem altgewohnten sich selbst schadendem Raubsystem
des marokkanischen Fiskus Platz, und die Folge war, daß drei Viertel der Kauf¬
leute sich wieder entfernte und die auf 25,000 Seelen angewachsene Zahl der
Einwohner sich im Lauf eines Vierteljahrhunderts auf die Hülste verminderte.
So hübsch Mogador oder Suerah mit seinen hohen schlanken Minarets von
Weitem sich ausnimmt, so glatt und neu seine mit Kanonen gespickter Mauern
aussehen, das Innere ist fast ebenso schmutzig wie das ihrer Nachbarstädte im
Norden. Indeß sind die Straßen, zwar, der Hitze des Sommers wegen, eng
und dunkel, aber regelmäßig und einige Gebäude mit Sorgfalt aufgeführt,
und so ist Mogador immerhin die am Besten gebaute und freundlichste Stadt
Marokkos. Daß sie einen Theil ihrer Fundamente hat dem Ocean abringen
müssen, erkennt man auf den ersten Blick. Ihre vorgeschobenen Batterien
werden, wie bemerkt, von den Wellen bespült, ihre Mauern nach dem Meer
hinaus dienen als Wall und zugleich als Hafendamm. Sie scheinen die Wo¬
gen herauszufordern, die sich mit Wuth daran brechen, oft bis zu ihrer Krö¬
nung aufschwellen und sie mit Schaum bedecken. Beim ruhigsten Wetter sieht
man von den Terrassen der Häuser herab unablässig die weißen dunstigen
Schaumkämme der Brandung sich an den Felsen und über die Ringmauer im
Westen emporbäumen, und wenn es stürmt, sieht Mogador aus, als wolle es
jeden Moment in den aufwogenden Wellen und inmitten der Sandwirbel,
welche der Wind emporjagt, verloren gehen. Alles ist außerhalb der Ring¬
mauer der Stadt beweglich, die Wüste so gut wie der Ocean. Die Dünen,
welche der Flugsand hinter der Stadt zusammenweht, wechseln ihre Gestalt
fast ebenso oft als die Wellen, und man sieht so an dem einen Tage einen
ganz andern Horizont als am vorhergehenden. Die Entfesselung der Fluthen
des Wassers und des Sandes durch einen Sturm wirkt in dieser wilden Um¬
gebung außerordentlich stark auf die Phantasie, namentlich wenn zu gleicher
Zeit die Mueddins auf den Balkonen der Minarets durch den Aufruhr der
Elemente hindurch mit eintöniger, aber weithinschallender Stimme ihre Koran-
Suren erschallen lassen, um die Gläubigen zum Gebet zu rufen.

Alle Kauffahrer ankern die Ostseite der kleinen Insel entlang, die sie gegen
alle West- und Nordwinde sicher stellt, aber keinen Schutz vor den Südwest¬
winden gewährt, die hier fast immer Stürme sind und schon manches Schiff
im Hasen zu Grunde gerichtet haben. Schaluppen und Boote dienen als
Verkehrsmittel zwischen den Schiffen im Hasen und der Stadt, da die Wasser¬
tiefe in der Nähe der letztern zu gering ist, als daß größere Fahrzeuge bis an
das Land heranfahren könnten.

Die Stadt ist, wie in der arabisch-maurischen Welt häufig vorkommt,
durch Mauerabtheilungen mit Thoren in verschiedene Viertel getheilt. Die¬
selben sind: der Landungsplatz und die Vorrathshäuser der Marine, der Palast ^


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[0519] Verlauf weniger Jahre dem altgewohnten sich selbst schadendem Raubsystem des marokkanischen Fiskus Platz, und die Folge war, daß drei Viertel der Kauf¬ leute sich wieder entfernte und die auf 25,000 Seelen angewachsene Zahl der Einwohner sich im Lauf eines Vierteljahrhunderts auf die Hülste verminderte. So hübsch Mogador oder Suerah mit seinen hohen schlanken Minarets von Weitem sich ausnimmt, so glatt und neu seine mit Kanonen gespickter Mauern aussehen, das Innere ist fast ebenso schmutzig wie das ihrer Nachbarstädte im Norden. Indeß sind die Straßen, zwar, der Hitze des Sommers wegen, eng und dunkel, aber regelmäßig und einige Gebäude mit Sorgfalt aufgeführt, und so ist Mogador immerhin die am Besten gebaute und freundlichste Stadt Marokkos. Daß sie einen Theil ihrer Fundamente hat dem Ocean abringen müssen, erkennt man auf den ersten Blick. Ihre vorgeschobenen Batterien werden, wie bemerkt, von den Wellen bespült, ihre Mauern nach dem Meer hinaus dienen als Wall und zugleich als Hafendamm. Sie scheinen die Wo¬ gen herauszufordern, die sich mit Wuth daran brechen, oft bis zu ihrer Krö¬ nung aufschwellen und sie mit Schaum bedecken. Beim ruhigsten Wetter sieht man von den Terrassen der Häuser herab unablässig die weißen dunstigen Schaumkämme der Brandung sich an den Felsen und über die Ringmauer im Westen emporbäumen, und wenn es stürmt, sieht Mogador aus, als wolle es jeden Moment in den aufwogenden Wellen und inmitten der Sandwirbel, welche der Wind emporjagt, verloren gehen. Alles ist außerhalb der Ring¬ mauer der Stadt beweglich, die Wüste so gut wie der Ocean. Die Dünen, welche der Flugsand hinter der Stadt zusammenweht, wechseln ihre Gestalt fast ebenso oft als die Wellen, und man sieht so an dem einen Tage einen ganz andern Horizont als am vorhergehenden. Die Entfesselung der Fluthen des Wassers und des Sandes durch einen Sturm wirkt in dieser wilden Um¬ gebung außerordentlich stark auf die Phantasie, namentlich wenn zu gleicher Zeit die Mueddins auf den Balkonen der Minarets durch den Aufruhr der Elemente hindurch mit eintöniger, aber weithinschallender Stimme ihre Koran- Suren erschallen lassen, um die Gläubigen zum Gebet zu rufen. Alle Kauffahrer ankern die Ostseite der kleinen Insel entlang, die sie gegen alle West- und Nordwinde sicher stellt, aber keinen Schutz vor den Südwest¬ winden gewährt, die hier fast immer Stürme sind und schon manches Schiff im Hasen zu Grunde gerichtet haben. Schaluppen und Boote dienen als Verkehrsmittel zwischen den Schiffen im Hasen und der Stadt, da die Wasser¬ tiefe in der Nähe der letztern zu gering ist, als daß größere Fahrzeuge bis an das Land heranfahren könnten. Die Stadt ist, wie in der arabisch-maurischen Welt häufig vorkommt, durch Mauerabtheilungen mit Thoren in verschiedene Viertel getheilt. Die¬ selben sind: der Landungsplatz und die Vorrathshäuser der Marine, der Palast ^ 64*

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_108129/519>, abgerufen am 03.10.2024.