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Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, II. Semester. IV. Band.

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Boden erwarben. Die am 16. November 1855 erfolgte Versandung des Kaufes
des Schlosses Rottenstcin in Obermais nächst Meran durch den ehemaligen
k. preußischen Hauptmann Karl Rudolph Apel aus Berlin wurde von der
k. k. Statthalterei beanstandet, und dem damaligen Bezirksvorsteher eine
scharfe Rüge ertheilt, weil er sie ohne vorläufige Genehmigung dieser Behörde
vorgenommen. Er rechtfertigte sich ohne Bezugnahme auf obige Patente le¬
diglich damit, daß die Versandung nur eine Art der Vormerkung sei und in Tirol,
wo keine öffentlichen Bücher im Sinn des Allgemeinen bürgerlichen Gesetz¬
buches bestehen, das Eigenthum blos bedingt, nämlich unter der Voraussetzung
der rechtlichen Giltigkeit des Actes selbst übertrage. Auf Antrieb des Decans
Santner in Meran begab sich eine Deputation dortiger Bauern, den Decan
selbst an der Spitze, zum Erzherzog-Statthalter Karl Ludwig nach Botzen und
überraschte ihn mit der eingelernten Erklärung: "Sie wollten keine Preußen
werden, sondern Oestreicher bleiben," was Se. kaiserliche Hoheit für ihren An¬
trag auf Nichtigkeitserklärung des Kaufes gewinnen sollte. Bisher erfloß dar¬
über noch keine Entscheidung; das Schloß Nottenstein ging aber mittlerweile
durch Kauf vom 28. Mai dieses Jahres in das Eigenthum der Frau Gräfin
Lucy Stenbock. ebenfalls einer Protestantin, über. Am 4. Juli 1855 hatten
auch zwei Hamburger Bürger Ferdinand und Minna Wendlandt in der Nähe
von Botzen ein Landgut gekauft, auf Grund dessen der erstere um die Erthei-
lung der österreichischen Staatsbürgerschaft einkam. Dieses Gesuch wurde von
der k. k. Statthalterei durch Erlaß vom 27. März 1856 mit dem Bemerken
zurückgewiesen, daß er als Protestant nach dem östreichischen Toleranzgesetz
vom 13. October 1781 nur mittelst Dispens zum Haus- und Güterankauf zu¬
gelassen werden könne, und sonach vorerst die gesetzliche Dispens zum frag¬
lichen Ankauf nachzuweisen habe, (sie!) Der dagegen ergriffene Recurs blieb
noch bis zur Stunde unerledigt. Im Jahr 1858 kaufte der Fürst Alexander
von Lieven ein Bauerngut nächst dem Schloß Lebenborg im Bezirksgericht
Lana bei Meran; der Erwerbsact kam aber nur-durch einen Zufall ins Ver-
sachbuch. Die k. k. Statthalterei hatte nämlich im Präsidialwege alle Bezirks¬
vorsteher auf die Vorschriften des Toleranzpätentes rücksichtlich der dazu für
Protestanten nöthigen Dispens aufmerksam gemacht, und da der Bezirksvor¬
steher sein Unterpersonal davon nicht unterrichtet hatte, und damals abwesend
war, decretirte der Actuar ohne weiteres die Versandung. Bei einem zweiten
Ankauf des Fürsten Lieven in derselben Gegend wurde dessen politische Ge¬
nehmigungverweigert, der Verkäufer belangte den Fürsten auf Vertragserfüllung,
dieser aber, der mittlerweile den Vorsatz, sich in Tirol niederzulassen, auf¬
gegeben hatte, legte gegen die ihm nun auch im Civilweg verweigerte Ver¬
sandung die Berufung an das k. k. Oberlandesgericht ein, um dadurch einen
rechtlichen Beweis der Unmöglichkeit der Leistung zu erlangen. Das k. k. Ober-


Boden erwarben. Die am 16. November 1855 erfolgte Versandung des Kaufes
des Schlosses Rottenstcin in Obermais nächst Meran durch den ehemaligen
k. preußischen Hauptmann Karl Rudolph Apel aus Berlin wurde von der
k. k. Statthalterei beanstandet, und dem damaligen Bezirksvorsteher eine
scharfe Rüge ertheilt, weil er sie ohne vorläufige Genehmigung dieser Behörde
vorgenommen. Er rechtfertigte sich ohne Bezugnahme auf obige Patente le¬
diglich damit, daß die Versandung nur eine Art der Vormerkung sei und in Tirol,
wo keine öffentlichen Bücher im Sinn des Allgemeinen bürgerlichen Gesetz¬
buches bestehen, das Eigenthum blos bedingt, nämlich unter der Voraussetzung
der rechtlichen Giltigkeit des Actes selbst übertrage. Auf Antrieb des Decans
Santner in Meran begab sich eine Deputation dortiger Bauern, den Decan
selbst an der Spitze, zum Erzherzog-Statthalter Karl Ludwig nach Botzen und
überraschte ihn mit der eingelernten Erklärung: „Sie wollten keine Preußen
werden, sondern Oestreicher bleiben," was Se. kaiserliche Hoheit für ihren An¬
trag auf Nichtigkeitserklärung des Kaufes gewinnen sollte. Bisher erfloß dar¬
über noch keine Entscheidung; das Schloß Nottenstein ging aber mittlerweile
durch Kauf vom 28. Mai dieses Jahres in das Eigenthum der Frau Gräfin
Lucy Stenbock. ebenfalls einer Protestantin, über. Am 4. Juli 1855 hatten
auch zwei Hamburger Bürger Ferdinand und Minna Wendlandt in der Nähe
von Botzen ein Landgut gekauft, auf Grund dessen der erstere um die Erthei-
lung der österreichischen Staatsbürgerschaft einkam. Dieses Gesuch wurde von
der k. k. Statthalterei durch Erlaß vom 27. März 1856 mit dem Bemerken
zurückgewiesen, daß er als Protestant nach dem östreichischen Toleranzgesetz
vom 13. October 1781 nur mittelst Dispens zum Haus- und Güterankauf zu¬
gelassen werden könne, und sonach vorerst die gesetzliche Dispens zum frag¬
lichen Ankauf nachzuweisen habe, (sie!) Der dagegen ergriffene Recurs blieb
noch bis zur Stunde unerledigt. Im Jahr 1858 kaufte der Fürst Alexander
von Lieven ein Bauerngut nächst dem Schloß Lebenborg im Bezirksgericht
Lana bei Meran; der Erwerbsact kam aber nur-durch einen Zufall ins Ver-
sachbuch. Die k. k. Statthalterei hatte nämlich im Präsidialwege alle Bezirks¬
vorsteher auf die Vorschriften des Toleranzpätentes rücksichtlich der dazu für
Protestanten nöthigen Dispens aufmerksam gemacht, und da der Bezirksvor¬
steher sein Unterpersonal davon nicht unterrichtet hatte, und damals abwesend
war, decretirte der Actuar ohne weiteres die Versandung. Bei einem zweiten
Ankauf des Fürsten Lieven in derselben Gegend wurde dessen politische Ge¬
nehmigungverweigert, der Verkäufer belangte den Fürsten auf Vertragserfüllung,
dieser aber, der mittlerweile den Vorsatz, sich in Tirol niederzulassen, auf¬
gegeben hatte, legte gegen die ihm nun auch im Civilweg verweigerte Ver¬
sandung die Berufung an das k. k. Oberlandesgericht ein, um dadurch einen
rechtlichen Beweis der Unmöglichkeit der Leistung zu erlangen. Das k. k. Ober-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_108129/48>, abgerufen am 29.06.2024.