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Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, II. Semester. IV. Band.

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rima die Zweite, bekanntlich eine Prinzessin von Zerbst, und Rußland gewann hier¬
durch einen Fuß in Deutschland, wornach Peter der Große vergebens gestrebt hatte.
Indessen trat Alexander 1807 im tilsiter Frieden die deutsche Herrschaft an
Holland ab, und Jever mußte Napoleons Bruder Ludwig huldigen.

In jener Zeit, wo der französische Kaiser die große Handelssperre gegen
England errichtet hatte, erwarben die Wcmger-Oger schönes Geld, indem sie
an>in großen Schleichhandel Helgolands, das die Briten zur Hauptwaarennie¬
derlage gemacht hatten, eifrigen Antheil nahmen. Als aber Napoleon 1810 Hol¬
land dem Kaiserreich einverleibte, und die Grenzen des letzteren bis Lübeck aus¬
dehnte, wurde unsere Insel von den Franzosen besetzt und der Verkehr und
England unterbrochen.

Endlich kehrten 1813 Oldenburg und Jeverland zu dem angestammten
Fürstenhause zurück. Herzog Peter Friedrich Ludwig war eifrig bemüht, die seinem
Lande von der Hand des fremden Despoten geschlagenen Wunden zu heilen,
wenn auch in der Verwaltung Rückschritte Statt fanden. Nun geschah auch
unserer Insel manches Gute; es wurde nicht nur in der Nähe derselben eine
Austernbank angelegt, sondern auch, im Jahr 1819, das bekannte Seebad
errichtet, welches seitdem vielen Tausenden Gesundheit und herrliche Erfrischung
gewährt, den Wanger-Ogern aber eine ganz neue Quellendes Erwerbs er¬
öffnet hat. Im Jahr 1810 erbaute Großherzog Paul Friedrich August einen
Leuchtthurm von 74 Fuß Höhe auf der Mitte der Insel. Die besseren
Verhältnisse der Insulaner machten sich bald fühlbar. Statt der elenden Hütten
mit Wänden aus Kiel, mit Dächern aus Stroh und drei Thüren nach drei
Seiten, von denen nur jedesmal die geöffnet wurde, welche der Windseite
am entferntesten lag. entstanden jetzt Häuschen aus Ziegelsteinen, die eher ge¬
eignet waren. Winters ein Schirm gegen den Sturm zu sein und Sommers
Badegäste aufzunehmen.

Zur Zeit, als wir die Insel besuchten, hatte sie in der Richtung von
Westen nach Osten eine Stunde, in der Richtung von Norden nach Süden nur
wenige Minuten Ausdehnung. Diese schmale Gestalt gab schon damals der
Befürchtung Raum, daß ein heftiger Sturm sie zerreißen könne.

Wanger-Oge ist ein Sandfeld mit größern und kleinern. theils kümmer¬
lich begrünten, theils ganz nackten Hügeln, welche von Sturm und Wind auf¬
geworfen worden sind. - Um ihre Häuser pflanzen die Einwohner Kartoffeln
und Mohrrüben, welche, durch hohe Umwallung gegen Versandung geschützt,
bei guter Düngung gedeihen. Uebrigens liegt der Sand in den flachern
Theilen der Insel nicht tief. Noch zu Anfang des Jahrhunderts rühmte man
die wcmgeroger Kirschen, welche portugiesischen Ursprungs waren. Was wir
von Obstbäumen bei dem Conversationshause und der Predigerwohnung sahen,
Waren sehr kümmerliche Reste. Ueberhaupt gelangt die Kirsche im ganzen


rima die Zweite, bekanntlich eine Prinzessin von Zerbst, und Rußland gewann hier¬
durch einen Fuß in Deutschland, wornach Peter der Große vergebens gestrebt hatte.
Indessen trat Alexander 1807 im tilsiter Frieden die deutsche Herrschaft an
Holland ab, und Jever mußte Napoleons Bruder Ludwig huldigen.

In jener Zeit, wo der französische Kaiser die große Handelssperre gegen
England errichtet hatte, erwarben die Wcmger-Oger schönes Geld, indem sie
an>in großen Schleichhandel Helgolands, das die Briten zur Hauptwaarennie¬
derlage gemacht hatten, eifrigen Antheil nahmen. Als aber Napoleon 1810 Hol¬
land dem Kaiserreich einverleibte, und die Grenzen des letzteren bis Lübeck aus¬
dehnte, wurde unsere Insel von den Franzosen besetzt und der Verkehr und
England unterbrochen.

Endlich kehrten 1813 Oldenburg und Jeverland zu dem angestammten
Fürstenhause zurück. Herzog Peter Friedrich Ludwig war eifrig bemüht, die seinem
Lande von der Hand des fremden Despoten geschlagenen Wunden zu heilen,
wenn auch in der Verwaltung Rückschritte Statt fanden. Nun geschah auch
unserer Insel manches Gute; es wurde nicht nur in der Nähe derselben eine
Austernbank angelegt, sondern auch, im Jahr 1819, das bekannte Seebad
errichtet, welches seitdem vielen Tausenden Gesundheit und herrliche Erfrischung
gewährt, den Wanger-Ogern aber eine ganz neue Quellendes Erwerbs er¬
öffnet hat. Im Jahr 1810 erbaute Großherzog Paul Friedrich August einen
Leuchtthurm von 74 Fuß Höhe auf der Mitte der Insel. Die besseren
Verhältnisse der Insulaner machten sich bald fühlbar. Statt der elenden Hütten
mit Wänden aus Kiel, mit Dächern aus Stroh und drei Thüren nach drei
Seiten, von denen nur jedesmal die geöffnet wurde, welche der Windseite
am entferntesten lag. entstanden jetzt Häuschen aus Ziegelsteinen, die eher ge¬
eignet waren. Winters ein Schirm gegen den Sturm zu sein und Sommers
Badegäste aufzunehmen.

Zur Zeit, als wir die Insel besuchten, hatte sie in der Richtung von
Westen nach Osten eine Stunde, in der Richtung von Norden nach Süden nur
wenige Minuten Ausdehnung. Diese schmale Gestalt gab schon damals der
Befürchtung Raum, daß ein heftiger Sturm sie zerreißen könne.

Wanger-Oge ist ein Sandfeld mit größern und kleinern. theils kümmer¬
lich begrünten, theils ganz nackten Hügeln, welche von Sturm und Wind auf¬
geworfen worden sind. - Um ihre Häuser pflanzen die Einwohner Kartoffeln
und Mohrrüben, welche, durch hohe Umwallung gegen Versandung geschützt,
bei guter Düngung gedeihen. Uebrigens liegt der Sand in den flachern
Theilen der Insel nicht tief. Noch zu Anfang des Jahrhunderts rühmte man
die wcmgeroger Kirschen, welche portugiesischen Ursprungs waren. Was wir
von Obstbäumen bei dem Conversationshause und der Predigerwohnung sahen,
Waren sehr kümmerliche Reste. Ueberhaupt gelangt die Kirsche im ganzen


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[0035] rima die Zweite, bekanntlich eine Prinzessin von Zerbst, und Rußland gewann hier¬ durch einen Fuß in Deutschland, wornach Peter der Große vergebens gestrebt hatte. Indessen trat Alexander 1807 im tilsiter Frieden die deutsche Herrschaft an Holland ab, und Jever mußte Napoleons Bruder Ludwig huldigen. In jener Zeit, wo der französische Kaiser die große Handelssperre gegen England errichtet hatte, erwarben die Wcmger-Oger schönes Geld, indem sie an>in großen Schleichhandel Helgolands, das die Briten zur Hauptwaarennie¬ derlage gemacht hatten, eifrigen Antheil nahmen. Als aber Napoleon 1810 Hol¬ land dem Kaiserreich einverleibte, und die Grenzen des letzteren bis Lübeck aus¬ dehnte, wurde unsere Insel von den Franzosen besetzt und der Verkehr und England unterbrochen. Endlich kehrten 1813 Oldenburg und Jeverland zu dem angestammten Fürstenhause zurück. Herzog Peter Friedrich Ludwig war eifrig bemüht, die seinem Lande von der Hand des fremden Despoten geschlagenen Wunden zu heilen, wenn auch in der Verwaltung Rückschritte Statt fanden. Nun geschah auch unserer Insel manches Gute; es wurde nicht nur in der Nähe derselben eine Austernbank angelegt, sondern auch, im Jahr 1819, das bekannte Seebad errichtet, welches seitdem vielen Tausenden Gesundheit und herrliche Erfrischung gewährt, den Wanger-Ogern aber eine ganz neue Quellendes Erwerbs er¬ öffnet hat. Im Jahr 1810 erbaute Großherzog Paul Friedrich August einen Leuchtthurm von 74 Fuß Höhe auf der Mitte der Insel. Die besseren Verhältnisse der Insulaner machten sich bald fühlbar. Statt der elenden Hütten mit Wänden aus Kiel, mit Dächern aus Stroh und drei Thüren nach drei Seiten, von denen nur jedesmal die geöffnet wurde, welche der Windseite am entferntesten lag. entstanden jetzt Häuschen aus Ziegelsteinen, die eher ge¬ eignet waren. Winters ein Schirm gegen den Sturm zu sein und Sommers Badegäste aufzunehmen. Zur Zeit, als wir die Insel besuchten, hatte sie in der Richtung von Westen nach Osten eine Stunde, in der Richtung von Norden nach Süden nur wenige Minuten Ausdehnung. Diese schmale Gestalt gab schon damals der Befürchtung Raum, daß ein heftiger Sturm sie zerreißen könne. Wanger-Oge ist ein Sandfeld mit größern und kleinern. theils kümmer¬ lich begrünten, theils ganz nackten Hügeln, welche von Sturm und Wind auf¬ geworfen worden sind. - Um ihre Häuser pflanzen die Einwohner Kartoffeln und Mohrrüben, welche, durch hohe Umwallung gegen Versandung geschützt, bei guter Düngung gedeihen. Uebrigens liegt der Sand in den flachern Theilen der Insel nicht tief. Noch zu Anfang des Jahrhunderts rühmte man die wcmgeroger Kirschen, welche portugiesischen Ursprungs waren. Was wir von Obstbäumen bei dem Conversationshause und der Predigerwohnung sahen, Waren sehr kümmerliche Reste. Ueberhaupt gelangt die Kirsche im ganzen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_108129/35>, abgerufen am 29.06.2024.