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Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, II. Semester. IV. Band.

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zu welcher wir gelangt sind, für eine mögliche, welche man aber auch suchen
müßte, herauszubringen.

England als Verbündeter Preußens gibt nun aber noch eine Streitkraft,
welche für letzteres in einem Kampfe gegen Frankreich unschätzbar ist, seine
Seemacht. Die englische Flotte würde die Aufgabe haben, die französische
aufzusuchen und anzugreifen, wenn sie eben die Häfen verließe, oder, wenn es
dazu zu spät wäre, ihre Operationen an den Nord- und Ostseeküsten. Trans¬
porte dorthin ze. unmöglich zu machen, eine Blokade des obersten Waffen¬
platzes Belgiens und überhaupt der Seefestungen dieses Landes sowie Hollands
zu verhindern. Dies wären ihre Hauptaufgaben; sie enthalten alle Neben¬
aufgaben, zu denen wir auch die Mitwirkung bei einer etwa nöthig werden¬
den Vertheidigung von Englands Küsten oder ein Auftreten gegen die russische
und dänische Flotte rechnen, in sich. Wie weit die englische Flotte ausreichend
sein würde, diesen Forderungen zu genügen, mit welchem Erfolge sie gegen
die französische Flotte aufzutreten Aussicht hätte, darüber sind einige Andeu¬
tungen bereits in diesen Blättern (f. No. 38) gefallen. Die Frage scheint
uns dort nur angeregt, keineswegs entschieden. Was das Schießen zur See
betrifft, so theilen wir auch für heute noch Nelsons Meinung, daß man zur
See auch mit der großen Pistole, welche Kanone heißt, auf die Schußweite
einer kleinen Pistole herausgehen müsse und daß man dann das Geschütz so
tief richten müsse und könne, um dem Feind Grundschüsse zu geben. Dies
wird namentlich in der rangirten Seeschlacht, wo nicht mehr ein Schiff, so"'
dern eine größere Anzahl von Schiffen im Zusammenhang agiren soll, M
alle Zeiten wahr bleiben, trotz aller Armstrongkanonen und wie die MM'd-
instrumente sonst heißen mögen, die man erfindet und ausposaunt. So,
scheint es, kommt es im Seekrieg vornehmlich immer noch mehr auf das M-
növrircn, welches aus der Ferne sicher in die wirkungsreiche Nähe bringt, als
auf das feine Schießen an. Die amerikanische Idee, kleinere Fahrzeuge
zu bauen, jedes mit nur wenigen, dafür aber sehr weittragenden und
schweren Kanonen auszurüsten, die aus der Ferne die stark armirten Fah^
zeuge und Schiffe des Feindes in den Grund bohren sollen, hat in Europa
noch keinen Boden finden wollen und, wir glauben, mit Recht. Unter vielen
Schüssen sind mehr Treffer als unter wenigen, und die Feinheit des wirkenden
Instrumentes kann nur unvollkommen die Menge der wirkenden Instrumente
ersetzen. Was nun die richtige Einsicht in die Natur des Seekrieges betrifft,
so sind vielleicht die Franzosen weiter als die Engländer. Wir können nicht
ohne Mißtrauen mit ansehen, wie die Engländer so übertriebenen Werth auf
die Erfindung neuer Kriegsmaschinen legen, welche doch immer Maschinen
bleiben müssen. Es scheint uns dort in Dingen des Krieges eine Greisen¬
haftigkeit zu liegen, welche nichts Gutes verspricht. Man kann uns allerdings


zu welcher wir gelangt sind, für eine mögliche, welche man aber auch suchen
müßte, herauszubringen.

England als Verbündeter Preußens gibt nun aber noch eine Streitkraft,
welche für letzteres in einem Kampfe gegen Frankreich unschätzbar ist, seine
Seemacht. Die englische Flotte würde die Aufgabe haben, die französische
aufzusuchen und anzugreifen, wenn sie eben die Häfen verließe, oder, wenn es
dazu zu spät wäre, ihre Operationen an den Nord- und Ostseeküsten. Trans¬
porte dorthin ze. unmöglich zu machen, eine Blokade des obersten Waffen¬
platzes Belgiens und überhaupt der Seefestungen dieses Landes sowie Hollands
zu verhindern. Dies wären ihre Hauptaufgaben; sie enthalten alle Neben¬
aufgaben, zu denen wir auch die Mitwirkung bei einer etwa nöthig werden¬
den Vertheidigung von Englands Küsten oder ein Auftreten gegen die russische
und dänische Flotte rechnen, in sich. Wie weit die englische Flotte ausreichend
sein würde, diesen Forderungen zu genügen, mit welchem Erfolge sie gegen
die französische Flotte aufzutreten Aussicht hätte, darüber sind einige Andeu¬
tungen bereits in diesen Blättern (f. No. 38) gefallen. Die Frage scheint
uns dort nur angeregt, keineswegs entschieden. Was das Schießen zur See
betrifft, so theilen wir auch für heute noch Nelsons Meinung, daß man zur
See auch mit der großen Pistole, welche Kanone heißt, auf die Schußweite
einer kleinen Pistole herausgehen müsse und daß man dann das Geschütz so
tief richten müsse und könne, um dem Feind Grundschüsse zu geben. Dies
wird namentlich in der rangirten Seeschlacht, wo nicht mehr ein Schiff, so»'
dern eine größere Anzahl von Schiffen im Zusammenhang agiren soll, M
alle Zeiten wahr bleiben, trotz aller Armstrongkanonen und wie die MM'd-
instrumente sonst heißen mögen, die man erfindet und ausposaunt. So,
scheint es, kommt es im Seekrieg vornehmlich immer noch mehr auf das M-
növrircn, welches aus der Ferne sicher in die wirkungsreiche Nähe bringt, als
auf das feine Schießen an. Die amerikanische Idee, kleinere Fahrzeuge
zu bauen, jedes mit nur wenigen, dafür aber sehr weittragenden und
schweren Kanonen auszurüsten, die aus der Ferne die stark armirten Fah^
zeuge und Schiffe des Feindes in den Grund bohren sollen, hat in Europa
noch keinen Boden finden wollen und, wir glauben, mit Recht. Unter vielen
Schüssen sind mehr Treffer als unter wenigen, und die Feinheit des wirkenden
Instrumentes kann nur unvollkommen die Menge der wirkenden Instrumente
ersetzen. Was nun die richtige Einsicht in die Natur des Seekrieges betrifft,
so sind vielleicht die Franzosen weiter als die Engländer. Wir können nicht
ohne Mißtrauen mit ansehen, wie die Engländer so übertriebenen Werth auf
die Erfindung neuer Kriegsmaschinen legen, welche doch immer Maschinen
bleiben müssen. Es scheint uns dort in Dingen des Krieges eine Greisen¬
haftigkeit zu liegen, welche nichts Gutes verspricht. Man kann uns allerdings


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[0324] zu welcher wir gelangt sind, für eine mögliche, welche man aber auch suchen müßte, herauszubringen. England als Verbündeter Preußens gibt nun aber noch eine Streitkraft, welche für letzteres in einem Kampfe gegen Frankreich unschätzbar ist, seine Seemacht. Die englische Flotte würde die Aufgabe haben, die französische aufzusuchen und anzugreifen, wenn sie eben die Häfen verließe, oder, wenn es dazu zu spät wäre, ihre Operationen an den Nord- und Ostseeküsten. Trans¬ porte dorthin ze. unmöglich zu machen, eine Blokade des obersten Waffen¬ platzes Belgiens und überhaupt der Seefestungen dieses Landes sowie Hollands zu verhindern. Dies wären ihre Hauptaufgaben; sie enthalten alle Neben¬ aufgaben, zu denen wir auch die Mitwirkung bei einer etwa nöthig werden¬ den Vertheidigung von Englands Küsten oder ein Auftreten gegen die russische und dänische Flotte rechnen, in sich. Wie weit die englische Flotte ausreichend sein würde, diesen Forderungen zu genügen, mit welchem Erfolge sie gegen die französische Flotte aufzutreten Aussicht hätte, darüber sind einige Andeu¬ tungen bereits in diesen Blättern (f. No. 38) gefallen. Die Frage scheint uns dort nur angeregt, keineswegs entschieden. Was das Schießen zur See betrifft, so theilen wir auch für heute noch Nelsons Meinung, daß man zur See auch mit der großen Pistole, welche Kanone heißt, auf die Schußweite einer kleinen Pistole herausgehen müsse und daß man dann das Geschütz so tief richten müsse und könne, um dem Feind Grundschüsse zu geben. Dies wird namentlich in der rangirten Seeschlacht, wo nicht mehr ein Schiff, so»' dern eine größere Anzahl von Schiffen im Zusammenhang agiren soll, M alle Zeiten wahr bleiben, trotz aller Armstrongkanonen und wie die MM'd- instrumente sonst heißen mögen, die man erfindet und ausposaunt. So, scheint es, kommt es im Seekrieg vornehmlich immer noch mehr auf das M- növrircn, welches aus der Ferne sicher in die wirkungsreiche Nähe bringt, als auf das feine Schießen an. Die amerikanische Idee, kleinere Fahrzeuge zu bauen, jedes mit nur wenigen, dafür aber sehr weittragenden und schweren Kanonen auszurüsten, die aus der Ferne die stark armirten Fah^ zeuge und Schiffe des Feindes in den Grund bohren sollen, hat in Europa noch keinen Boden finden wollen und, wir glauben, mit Recht. Unter vielen Schüssen sind mehr Treffer als unter wenigen, und die Feinheit des wirkenden Instrumentes kann nur unvollkommen die Menge der wirkenden Instrumente ersetzen. Was nun die richtige Einsicht in die Natur des Seekrieges betrifft, so sind vielleicht die Franzosen weiter als die Engländer. Wir können nicht ohne Mißtrauen mit ansehen, wie die Engländer so übertriebenen Werth auf die Erfindung neuer Kriegsmaschinen legen, welche doch immer Maschinen bleiben müssen. Es scheint uns dort in Dingen des Krieges eine Greisen¬ haftigkeit zu liegen, welche nichts Gutes verspricht. Man kann uns allerdings

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_108129/324>, abgerufen am 18.06.2024.