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Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, II. Semester. IV. Band.

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daß Preußen sich, so lange es an der Union festhielt, gegen die kurhessische
Regierung zu kehren genöthigt war. mußte Preußens Gegner bestimmen, sich
für dieselbe zu entscheiden, denn damit hatte Preußen ein Terrain erobert,
schritt aber der Bundestag als solcher in Kurhessen ein, so konnte er es nur
wie gegen ein aufrührerisches Land; da das Land sich lediglich auf die Ver¬
fassung stützte, so war die Verfassung die Ursache dieses "Aufruhrs"; Hassen-
pflüg konnte überhaupt nur um den Preis der Verfassung Kurhesseus gewon¬
nen werden. Mit Preußen also mußte diese fallen. Sie wurde durch die
politische Weltlage erdrückt. Das war abgemacht, ehe es entschieden wurde.

Allein den armen Kurhessen, denen man diese Verfassung als einen Keil
in die Wurzel <der Monarchie nahm, so wie dem sonstigen protanum vulZus
der Unterthanen konnte man doch nicht Gründe der äußern Politik bieten.
Daß man sie ihnen aus angeblichen Gründen der innern StaatswohlfalN't
und des Staatsrechts nahm, mußte auch mit solchen Gründen gerechtfertigt
werden. Ja es ist ein allgemeiner Zug der menschlichen Natur, alles Sein
und Werden als ein vernünftiges und harmonisches aufzufassen, das. was in
Recht und Ordnung störend eingreift, mit Recht und Ordnung doch in El"'
klang zu bringen; es liegt in diesen Begriffen, daß wir sie nicht als unter¬
brochen denken können; deshalb wird jeder Staatsstreich und sonstige kühne
Griff der Politik alsbald, wenn er gelingt, für viele zur Staatsaction. deshalb
macht die "vollendete Thatfache" alsbald ein wohlerworbenes Recht. Das
ist ein schöner Zug der Menschen und wir sind denen zu Dank verpflichtet,
welche die Beseitigung der kurhessischen Verfassung aus Gründen des Rechts
und des Staatswohls zu rechtfertigen suchten -- je schwieriger die Aufgabe, dest"
verdienstlicher das Werk. *) Die Bundescommissare Graf Leiningen und
Staatsminister Uhden haben es in den Denkschriften, die sie 1851 der Bundes¬
versammlung überreichten, unternommen,



5) Der tapfre Oberbefehlshaber der Erccutivnstruppe", Fürst Thur" und Taxis, ver¬
mochte sich sogar für seine Aufgabe wahrhaft zu begeistern. Er verabschiedete sich Anfangs
18S1 von der Bundesversammlung (der damaligen) mit folgenden Worten- "Auch gegenüber
der hohen Bundesversammlung ersuche ich meine" ehrfurchtsvollsten Dank zu erkenne"
zu geben, indem das mir bewiesene Vertrauen und Wohlwollen immer zu den hebb'"-
sten Erinnerungen meines Lebens gehören werden. Nach den Befehlen unsers allcr-
gnndigsten Königs und Herrn sind die Vaicrn zu den Waffen geeilt, um das Ansehen des
Bundes aufrecht zu erhalte", und habe" die gestellte Aufgabe nicht nur allein der
Form, sondern auch dem Wesen "ach zu löse" das Glück gehabt. Die Weisse"
der hohen Bundesversammlung war unsre Richtschnur und ich werde es mir zur besonder"
Ehre anrechnen, zu einem der Organe ihres Willens auserlesen gewesen zu sei". Ich vel'
danke es der Disciplin u"d vortrefflichen Haltung der Bundestruppen, daß ich mich innerhal
der von der hohen Bundesversammlung gesteckten Grenzen zu halten vermochte, und daß die In¬
tentionen derselbe" unbedingt unter den schwierigsten Verhältnissen vollzogen werden
konnten." Schwerlich beneidet irgend ein General der Welt den Herrn Fürsten um dttje
schönsten Erinnerungen.

daß Preußen sich, so lange es an der Union festhielt, gegen die kurhessische
Regierung zu kehren genöthigt war. mußte Preußens Gegner bestimmen, sich
für dieselbe zu entscheiden, denn damit hatte Preußen ein Terrain erobert,
schritt aber der Bundestag als solcher in Kurhessen ein, so konnte er es nur
wie gegen ein aufrührerisches Land; da das Land sich lediglich auf die Ver¬
fassung stützte, so war die Verfassung die Ursache dieses „Aufruhrs"; Hassen-
pflüg konnte überhaupt nur um den Preis der Verfassung Kurhesseus gewon¬
nen werden. Mit Preußen also mußte diese fallen. Sie wurde durch die
politische Weltlage erdrückt. Das war abgemacht, ehe es entschieden wurde.

Allein den armen Kurhessen, denen man diese Verfassung als einen Keil
in die Wurzel <der Monarchie nahm, so wie dem sonstigen protanum vulZus
der Unterthanen konnte man doch nicht Gründe der äußern Politik bieten.
Daß man sie ihnen aus angeblichen Gründen der innern StaatswohlfalN't
und des Staatsrechts nahm, mußte auch mit solchen Gründen gerechtfertigt
werden. Ja es ist ein allgemeiner Zug der menschlichen Natur, alles Sein
und Werden als ein vernünftiges und harmonisches aufzufassen, das. was in
Recht und Ordnung störend eingreift, mit Recht und Ordnung doch in El»'
klang zu bringen; es liegt in diesen Begriffen, daß wir sie nicht als unter¬
brochen denken können; deshalb wird jeder Staatsstreich und sonstige kühne
Griff der Politik alsbald, wenn er gelingt, für viele zur Staatsaction. deshalb
macht die „vollendete Thatfache" alsbald ein wohlerworbenes Recht. Das
ist ein schöner Zug der Menschen und wir sind denen zu Dank verpflichtet,
welche die Beseitigung der kurhessischen Verfassung aus Gründen des Rechts
und des Staatswohls zu rechtfertigen suchten — je schwieriger die Aufgabe, dest"
verdienstlicher das Werk. *) Die Bundescommissare Graf Leiningen und
Staatsminister Uhden haben es in den Denkschriften, die sie 1851 der Bundes¬
versammlung überreichten, unternommen,



5) Der tapfre Oberbefehlshaber der Erccutivnstruppe», Fürst Thur» und Taxis, ver¬
mochte sich sogar für seine Aufgabe wahrhaft zu begeistern. Er verabschiedete sich Anfangs
18S1 von der Bundesversammlung (der damaligen) mit folgenden Worten- „Auch gegenüber
der hohen Bundesversammlung ersuche ich meine» ehrfurchtsvollsten Dank zu erkenne»
zu geben, indem das mir bewiesene Vertrauen und Wohlwollen immer zu den hebb'"-
sten Erinnerungen meines Lebens gehören werden. Nach den Befehlen unsers allcr-
gnndigsten Königs und Herrn sind die Vaicrn zu den Waffen geeilt, um das Ansehen des
Bundes aufrecht zu erhalte», und habe» die gestellte Aufgabe nicht nur allein der
Form, sondern auch dem Wesen »ach zu löse» das Glück gehabt. Die Weisse"
der hohen Bundesversammlung war unsre Richtschnur und ich werde es mir zur besonder"
Ehre anrechnen, zu einem der Organe ihres Willens auserlesen gewesen zu sei». Ich vel'
danke es der Disciplin u»d vortrefflichen Haltung der Bundestruppen, daß ich mich innerhal
der von der hohen Bundesversammlung gesteckten Grenzen zu halten vermochte, und daß die In¬
tentionen derselbe» unbedingt unter den schwierigsten Verhältnissen vollzogen werden
konnten." Schwerlich beneidet irgend ein General der Welt den Herrn Fürsten um dttje
schönsten Erinnerungen.
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_108129/178>, abgerufen am 18.06.2024.