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Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, II. Semester. IV. Band.

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römische Frage erst dann verbot, nachdem man wohlweislich 8000 Exemplare
davon hatte verkaufen lassen und daß der Verfasser gleichzeitig den Prinzen
Napoleon als Privatsecretär begleitete. Es scheint also das Wahrscheinlichste,
daß der Kaiser die Bevölkerung auch in den Legationen gewähren lassen
und dem Papst gegenüber die Unmöglichkeit zu interveniren vorschützen wird.
Demselben bleibt es dann überlassen, in thränenreichen Reden über die Un¬
gläubigen und Schänder des Besitzes des Stuhles Petri zu klagen, man weiß,
daß die Legationen dem Kirchenstaat nicht etwa von Gott gegeben sind, son¬
dern in blutigen Kriegen von Cesar Borgia erobert wurden, daß Papst Ju<
uns der Zweite Bologna beschoß und den Städten stückweise ihre municipalen
Freiheiten genommen wurden. Pio Nouv, sagt uns die weltliche Souveränetät,
sei zur Unabhängigkeit der geistlichen Gewalt nöthig, uns scheint die Würde
eines geistlichen Hauptes vielmehr darunter zu leiden, wenn die Interessen der
Kirche denen der weltlichen Herrschaft geopfert werden und ein Regiment von
Mißbräuchen erhalten bleibt, das seines gleichen nur in den orientalischen Des¬
potien hat, alles in in^vrvm Der glori^in. Die Sage geht, Nouv Pio werde
der letzte Papst sein, der in Rom herrsche, wir wollen dies dahingestellt sein
lassen, allein wie auch die Dinge sich in Mittelitalien wenden, eine Schwächung
der päpstlichen Gewalt und des Absolutismus in Mittelitalien wird unver¬
meidlich sein. Man halte dies nicht deshalb für unmöglich, weil von dem
Mann des Staatsstreiches diese große Bewegung ausgegangen, die Vorsehung
wühlt sich für ihre Zwecke oft sehr schuldige Werkzeuge und wir deutsche Pro¬
testanten werden keinen Grund haben, uns über das Ergebniß dieser Krisis zu
V. beklagen.




Ein deutscher Reisender über die Mormonenstadt in Aos.

Unter dem Titel "Reise durch die Felsengebirge und die Hum¬
boldtgebirge nach dem stillen Ocean" ist soeben im Verlag der Brodt-
mannschen Buchhandlung eine kleine Schrift von Dr. I. Schiel erschienen,
die unter anderem Interessanten Mittheilungen über das Neujerusalem enthält,
welches die Heiligen vom jüngsten Tag am Salzsee gegründet haben. Diese
Mittheilungen sind das Ergebniß eines längern Aufenthalts unter den


römische Frage erst dann verbot, nachdem man wohlweislich 8000 Exemplare
davon hatte verkaufen lassen und daß der Verfasser gleichzeitig den Prinzen
Napoleon als Privatsecretär begleitete. Es scheint also das Wahrscheinlichste,
daß der Kaiser die Bevölkerung auch in den Legationen gewähren lassen
und dem Papst gegenüber die Unmöglichkeit zu interveniren vorschützen wird.
Demselben bleibt es dann überlassen, in thränenreichen Reden über die Un¬
gläubigen und Schänder des Besitzes des Stuhles Petri zu klagen, man weiß,
daß die Legationen dem Kirchenstaat nicht etwa von Gott gegeben sind, son¬
dern in blutigen Kriegen von Cesar Borgia erobert wurden, daß Papst Ju<
uns der Zweite Bologna beschoß und den Städten stückweise ihre municipalen
Freiheiten genommen wurden. Pio Nouv, sagt uns die weltliche Souveränetät,
sei zur Unabhängigkeit der geistlichen Gewalt nöthig, uns scheint die Würde
eines geistlichen Hauptes vielmehr darunter zu leiden, wenn die Interessen der
Kirche denen der weltlichen Herrschaft geopfert werden und ein Regiment von
Mißbräuchen erhalten bleibt, das seines gleichen nur in den orientalischen Des¬
potien hat, alles in in^vrvm Der glori^in. Die Sage geht, Nouv Pio werde
der letzte Papst sein, der in Rom herrsche, wir wollen dies dahingestellt sein
lassen, allein wie auch die Dinge sich in Mittelitalien wenden, eine Schwächung
der päpstlichen Gewalt und des Absolutismus in Mittelitalien wird unver¬
meidlich sein. Man halte dies nicht deshalb für unmöglich, weil von dem
Mann des Staatsstreiches diese große Bewegung ausgegangen, die Vorsehung
wühlt sich für ihre Zwecke oft sehr schuldige Werkzeuge und wir deutsche Pro¬
testanten werden keinen Grund haben, uns über das Ergebniß dieser Krisis zu
V. beklagen.




Ein deutscher Reisender über die Mormonenstadt in Aos.

Unter dem Titel „Reise durch die Felsengebirge und die Hum¬
boldtgebirge nach dem stillen Ocean" ist soeben im Verlag der Brodt-
mannschen Buchhandlung eine kleine Schrift von Dr. I. Schiel erschienen,
die unter anderem Interessanten Mittheilungen über das Neujerusalem enthält,
welches die Heiligen vom jüngsten Tag am Salzsee gegründet haben. Diese
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[0158] römische Frage erst dann verbot, nachdem man wohlweislich 8000 Exemplare davon hatte verkaufen lassen und daß der Verfasser gleichzeitig den Prinzen Napoleon als Privatsecretär begleitete. Es scheint also das Wahrscheinlichste, daß der Kaiser die Bevölkerung auch in den Legationen gewähren lassen und dem Papst gegenüber die Unmöglichkeit zu interveniren vorschützen wird. Demselben bleibt es dann überlassen, in thränenreichen Reden über die Un¬ gläubigen und Schänder des Besitzes des Stuhles Petri zu klagen, man weiß, daß die Legationen dem Kirchenstaat nicht etwa von Gott gegeben sind, son¬ dern in blutigen Kriegen von Cesar Borgia erobert wurden, daß Papst Ju< uns der Zweite Bologna beschoß und den Städten stückweise ihre municipalen Freiheiten genommen wurden. Pio Nouv, sagt uns die weltliche Souveränetät, sei zur Unabhängigkeit der geistlichen Gewalt nöthig, uns scheint die Würde eines geistlichen Hauptes vielmehr darunter zu leiden, wenn die Interessen der Kirche denen der weltlichen Herrschaft geopfert werden und ein Regiment von Mißbräuchen erhalten bleibt, das seines gleichen nur in den orientalischen Des¬ potien hat, alles in in^vrvm Der glori^in. Die Sage geht, Nouv Pio werde der letzte Papst sein, der in Rom herrsche, wir wollen dies dahingestellt sein lassen, allein wie auch die Dinge sich in Mittelitalien wenden, eine Schwächung der päpstlichen Gewalt und des Absolutismus in Mittelitalien wird unver¬ meidlich sein. Man halte dies nicht deshalb für unmöglich, weil von dem Mann des Staatsstreiches diese große Bewegung ausgegangen, die Vorsehung wühlt sich für ihre Zwecke oft sehr schuldige Werkzeuge und wir deutsche Pro¬ testanten werden keinen Grund haben, uns über das Ergebniß dieser Krisis zu V. beklagen. Ein deutscher Reisender über die Mormonenstadt in Aos. Unter dem Titel „Reise durch die Felsengebirge und die Hum¬ boldtgebirge nach dem stillen Ocean" ist soeben im Verlag der Brodt- mannschen Buchhandlung eine kleine Schrift von Dr. I. Schiel erschienen, die unter anderem Interessanten Mittheilungen über das Neujerusalem enthält, welches die Heiligen vom jüngsten Tag am Salzsee gegründet haben. Diese Mittheilungen sind das Ergebniß eines längern Aufenthalts unter den

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_108129/158>, abgerufen am 27.08.2024.