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Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, II. Semester. IV. Band.

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Ende war, daß die Schweiz ihren Proceß vollständig gewann. Hütte Napo¬
leon Mittelitalien auch nur moralisch Zwang anthun wollen, so hätte dies
offenbar sofort nach dem Waffenstillstand geschehen müssen; statt dessen
ließ man die Ereignisse dort ruhig gehen und speiste Oestreich mit Ver¬
sicherungen der Freundschaft und gewundenen. Moniteurartikeln ab. Der
Kaiser Franz Joseph hat schon Gelegenheit genug gehabt, über den
Werth des hohen Alliirten bedenklich >zu werden, dessen Freundschaft er
mit den Zugeständnissen von Villafranca zu erkaufen dachte, und auch
die Zukunft wird ihm zeigen, wie vollständig er sich verrechnet.

Nach dem Vorstehenden müssen wir glauben, daß die Aussicht auf die
Restauration der Erzherzöge gering ist, und meinen, Deutschland habe wenig Ur¬
sache, sich darüber zu grämen. Der Friede von Zürich wird diese Fragen ganz
unberührt lassen und nur die Abtretung der Lombardei regeln, ein Kongreß,
heißt es, soll die mittelitalische Verwicklung losen. Wir zweifeln vorläufig
noch an seinem Zustandekommen. (Die Aussichten auf einen Kongreß sind in
den letzten Tagen gestiegen. D. Red.) Napoleon wird ihn aus einem
Grunde wünschen, nämlich die Verantwortlichkeit von sich auf die andern
Großmächte zu wälzen, andrerseits wird er ihn aber nicht wünschen, wenn
der Kongreß seinen Ansichten entgegentreten sollte. Oestreich ist entschieden
dagegen, Europa sich in seine Angelegenheiten mischen zu lassen, und kann von
England, Nußland und Frankreich schwerlich eine Förderung seiner Interessen
erwarten. Lord John Russell hat offen erklärt, sein Cnbinet werde keinen Kon¬
greß beschicken, der nicht den Wünschen der Bevölkerung Rechnung trage, mehr
als für alle andern scheint uns für Preußen daran gelegen, daß es sich vorn
Congreß fern halte. Einen irgend wie bedeutenden Einfluß dort zu üben,
kaun es sich nicht schmeicheln, es hat seit Anfang des Krieges so gut wie gM
außerhalb der italienischen Angelegenheiten gestanden,^ stimmt es nun gege"
die Restauration, so ist ein neuer Zwiespalt mit Oestreich da, spricht es sich
für die Restauration aus, so verdirbt es nutzlos seine Stellung zu Sardinien
und Mittelitalien, welche ihm unter Umständen doch sehr wichtige Bundes-
genossen werden können. Anders denken freilich unsre Donquixotcs der Leg^
timität, welche womöglich einen Kreuzzug predigen möchten, um jene Fürsten,
die wie die französischen Emigrirten gegen ihr Volk die Waffen trugen, wieder
einzusetzen. Es scheint, daß unsre Zeit sie grade am eindringlichsten über den
relativen Werth oder Unwerth der Legitimität belehren sollte. Wenn Fw>"'
reich mit seinen Revolutionen laut predigt, welches Verderben es bringen
muß, daß ein Land mit seiner Vergangenheit bricht und die Kr^ü-
ber Spielball der Prätendenten wird, so zeigt die neuere Geschichte
England, Schweden, Brasilien und Belgien, wie thöricht es ist, "
den menschlichen Rechten eines Hauses aus einen Thron ein göttliches Ne)


Ende war, daß die Schweiz ihren Proceß vollständig gewann. Hütte Napo¬
leon Mittelitalien auch nur moralisch Zwang anthun wollen, so hätte dies
offenbar sofort nach dem Waffenstillstand geschehen müssen; statt dessen
ließ man die Ereignisse dort ruhig gehen und speiste Oestreich mit Ver¬
sicherungen der Freundschaft und gewundenen. Moniteurartikeln ab. Der
Kaiser Franz Joseph hat schon Gelegenheit genug gehabt, über den
Werth des hohen Alliirten bedenklich >zu werden, dessen Freundschaft er
mit den Zugeständnissen von Villafranca zu erkaufen dachte, und auch
die Zukunft wird ihm zeigen, wie vollständig er sich verrechnet.

Nach dem Vorstehenden müssen wir glauben, daß die Aussicht auf die
Restauration der Erzherzöge gering ist, und meinen, Deutschland habe wenig Ur¬
sache, sich darüber zu grämen. Der Friede von Zürich wird diese Fragen ganz
unberührt lassen und nur die Abtretung der Lombardei regeln, ein Kongreß,
heißt es, soll die mittelitalische Verwicklung losen. Wir zweifeln vorläufig
noch an seinem Zustandekommen. (Die Aussichten auf einen Kongreß sind in
den letzten Tagen gestiegen. D. Red.) Napoleon wird ihn aus einem
Grunde wünschen, nämlich die Verantwortlichkeit von sich auf die andern
Großmächte zu wälzen, andrerseits wird er ihn aber nicht wünschen, wenn
der Kongreß seinen Ansichten entgegentreten sollte. Oestreich ist entschieden
dagegen, Europa sich in seine Angelegenheiten mischen zu lassen, und kann von
England, Nußland und Frankreich schwerlich eine Förderung seiner Interessen
erwarten. Lord John Russell hat offen erklärt, sein Cnbinet werde keinen Kon¬
greß beschicken, der nicht den Wünschen der Bevölkerung Rechnung trage, mehr
als für alle andern scheint uns für Preußen daran gelegen, daß es sich vorn
Congreß fern halte. Einen irgend wie bedeutenden Einfluß dort zu üben,
kaun es sich nicht schmeicheln, es hat seit Anfang des Krieges so gut wie gM
außerhalb der italienischen Angelegenheiten gestanden,^ stimmt es nun gege"
die Restauration, so ist ein neuer Zwiespalt mit Oestreich da, spricht es sich
für die Restauration aus, so verdirbt es nutzlos seine Stellung zu Sardinien
und Mittelitalien, welche ihm unter Umständen doch sehr wichtige Bundes-
genossen werden können. Anders denken freilich unsre Donquixotcs der Leg^
timität, welche womöglich einen Kreuzzug predigen möchten, um jene Fürsten,
die wie die französischen Emigrirten gegen ihr Volk die Waffen trugen, wieder
einzusetzen. Es scheint, daß unsre Zeit sie grade am eindringlichsten über den
relativen Werth oder Unwerth der Legitimität belehren sollte. Wenn Fw>"'
reich mit seinen Revolutionen laut predigt, welches Verderben es bringen
muß, daß ein Land mit seiner Vergangenheit bricht und die Kr^ü-
ber Spielball der Prätendenten wird, so zeigt die neuere Geschichte
England, Schweden, Brasilien und Belgien, wie thöricht es ist, "
den menschlichen Rechten eines Hauses aus einen Thron ein göttliches Ne)


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[0156] Ende war, daß die Schweiz ihren Proceß vollständig gewann. Hütte Napo¬ leon Mittelitalien auch nur moralisch Zwang anthun wollen, so hätte dies offenbar sofort nach dem Waffenstillstand geschehen müssen; statt dessen ließ man die Ereignisse dort ruhig gehen und speiste Oestreich mit Ver¬ sicherungen der Freundschaft und gewundenen. Moniteurartikeln ab. Der Kaiser Franz Joseph hat schon Gelegenheit genug gehabt, über den Werth des hohen Alliirten bedenklich >zu werden, dessen Freundschaft er mit den Zugeständnissen von Villafranca zu erkaufen dachte, und auch die Zukunft wird ihm zeigen, wie vollständig er sich verrechnet. Nach dem Vorstehenden müssen wir glauben, daß die Aussicht auf die Restauration der Erzherzöge gering ist, und meinen, Deutschland habe wenig Ur¬ sache, sich darüber zu grämen. Der Friede von Zürich wird diese Fragen ganz unberührt lassen und nur die Abtretung der Lombardei regeln, ein Kongreß, heißt es, soll die mittelitalische Verwicklung losen. Wir zweifeln vorläufig noch an seinem Zustandekommen. (Die Aussichten auf einen Kongreß sind in den letzten Tagen gestiegen. D. Red.) Napoleon wird ihn aus einem Grunde wünschen, nämlich die Verantwortlichkeit von sich auf die andern Großmächte zu wälzen, andrerseits wird er ihn aber nicht wünschen, wenn der Kongreß seinen Ansichten entgegentreten sollte. Oestreich ist entschieden dagegen, Europa sich in seine Angelegenheiten mischen zu lassen, und kann von England, Nußland und Frankreich schwerlich eine Förderung seiner Interessen erwarten. Lord John Russell hat offen erklärt, sein Cnbinet werde keinen Kon¬ greß beschicken, der nicht den Wünschen der Bevölkerung Rechnung trage, mehr als für alle andern scheint uns für Preußen daran gelegen, daß es sich vorn Congreß fern halte. Einen irgend wie bedeutenden Einfluß dort zu üben, kaun es sich nicht schmeicheln, es hat seit Anfang des Krieges so gut wie gM außerhalb der italienischen Angelegenheiten gestanden,^ stimmt es nun gege" die Restauration, so ist ein neuer Zwiespalt mit Oestreich da, spricht es sich für die Restauration aus, so verdirbt es nutzlos seine Stellung zu Sardinien und Mittelitalien, welche ihm unter Umständen doch sehr wichtige Bundes- genossen werden können. Anders denken freilich unsre Donquixotcs der Leg^ timität, welche womöglich einen Kreuzzug predigen möchten, um jene Fürsten, die wie die französischen Emigrirten gegen ihr Volk die Waffen trugen, wieder einzusetzen. Es scheint, daß unsre Zeit sie grade am eindringlichsten über den relativen Werth oder Unwerth der Legitimität belehren sollte. Wenn Fw>"' reich mit seinen Revolutionen laut predigt, welches Verderben es bringen muß, daß ein Land mit seiner Vergangenheit bricht und die Kr^ü- ber Spielball der Prätendenten wird, so zeigt die neuere Geschichte England, Schweden, Brasilien und Belgien, wie thöricht es ist, " den menschlichen Rechten eines Hauses aus einen Thron ein göttliches Ne)

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_108129/156>, abgerufen am 27.08.2024.