Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, II. Semester. IV. Band.

Bild:
<< vorherige Seite
Militärische Tagesfragen.
'''
'"'^zjch ^in^ii.-', ii'/si>'i ni"v)^ "la! "jz 6nu^ hat'um-Z i'^ iia-j .ini.^
4. Die Bundeskriegsverfassung.

Da die deutsche Bundeskriegsverfafsung infolge der preußischen Note vom
6-Juli dieses Jahres oft besprochen worden, gleichwol aber, wie wir uns über¬
zeugt haben, selbst von denen, welche über sie reden, wenig gekannt ist, so werden
die Leser dieser Blätter es uns vielleicht Dank wissen, wenn wir sie mit diesem
wichtigen Gesetz in seinen Grundzügen bekannt machen. Es werden sich daran
gewissermaßen unwillkürlich die Fragen knüpfen, inwiefern die Bundeskriegs-
vcrsassnng praktisch ausführbar oder nicht ausführbar sei und ob die Unaus-
führbarkeit in ihr selbst oder vielmehr außer ihr liege, endlich wie dann,
Wenn eine neue zu schaffen wäre, diese etwa eingerichtet sein müßte, damit
ihre Vorschriften für praktisch ausführbar gelten konnten.

Die Grundzüge der deutschen Bundeskriegsverfassung stellt das "organische
Gesetz" vom 9. April 1821 in 24 Artikeln auf; "nähere Bestimmungen" in
zehn Abschnitten, so wie besondere Beschlüsse über die Bundcssestungen regeln
die Einzelheiten. Wir thun bei unserm Vorhaben um besten, den Artikeln des
organischen Gesetzes Schritt für Schritt nachzugehn, jedem derselben eine kurze
Uebersicht der auf ihn bezüglichen nähern Bestimmungen folgen zu lassen und
dann unsere Bemerkungen beizufügen.

"i. Das Bundesheer ist aus den Contingenten aller Bundesstaaten zu¬
sammengesetzt, welche nach der jedesmaligen Bundesmatrikel gestellt werden."

Nach der Bundesmatrikel von 1842, welche, so viel uns bekannt, noch
jetzt, oder besser gesagt, jetzt wieder giltig ist, stellt jeder Bundesstaat ein ein¬
faches Contingent mit einem Procent der Bevölkerung, was nach den damals
angenommenen Bevölkerungszahlen ein Gesammtheer von 233,776 Mann
ÜWt dann eine Reserve mit V- Procent zehn Wochen nach der Mobilmachung
oder einem bezüglichen Bundesbeschluß, endlich einen Ersatz mit V° Procent.
Daß diese Heeresmacht für einen so großen politischen Körper wie der deutsche
Bund ganz unzureichend wäre, wofern derselbe mit den .seiner Größe ent¬
sprechenden Ansprüchen, d. h. als europäische Großmacht austreten wollte,
leuchtet sofort ein. Doch der Bund als solcher übt das Recht der Kriegs¬
erklärung nur zu Vertheidigungszwecken. Das heißt nichts Anderes, als daß
er sich des Anspruches auf die GroßmachtsteUung begeben hat. Und dabei
fließt er zwei europäische Großmächte lose in seinen Verband ein, welche
als solche für allgemeine europäische Interessen, für ihren eignen Vortheil,
Um ihren Einfluß oder Besitz zu mehren, nicht blos um sich zu wehren, Kneg
sühren tonnen, welche demgemäß jede einzeln viel bedeutendere Hcereskräste
'


Grenzboten IV. 1SS9. 12
Militärische Tagesfragen.
'''
'"'^zjch ^in^ii.-', ii'/si>'i ni»v)^ «la! «jz 6nu^ hat'um-Z i'^ iia-j .ini.^
4. Die Bundeskriegsverfassung.

Da die deutsche Bundeskriegsverfafsung infolge der preußischen Note vom
6-Juli dieses Jahres oft besprochen worden, gleichwol aber, wie wir uns über¬
zeugt haben, selbst von denen, welche über sie reden, wenig gekannt ist, so werden
die Leser dieser Blätter es uns vielleicht Dank wissen, wenn wir sie mit diesem
wichtigen Gesetz in seinen Grundzügen bekannt machen. Es werden sich daran
gewissermaßen unwillkürlich die Fragen knüpfen, inwiefern die Bundeskriegs-
vcrsassnng praktisch ausführbar oder nicht ausführbar sei und ob die Unaus-
führbarkeit in ihr selbst oder vielmehr außer ihr liege, endlich wie dann,
Wenn eine neue zu schaffen wäre, diese etwa eingerichtet sein müßte, damit
ihre Vorschriften für praktisch ausführbar gelten konnten.

Die Grundzüge der deutschen Bundeskriegsverfassung stellt das „organische
Gesetz" vom 9. April 1821 in 24 Artikeln auf; „nähere Bestimmungen" in
zehn Abschnitten, so wie besondere Beschlüsse über die Bundcssestungen regeln
die Einzelheiten. Wir thun bei unserm Vorhaben um besten, den Artikeln des
organischen Gesetzes Schritt für Schritt nachzugehn, jedem derselben eine kurze
Uebersicht der auf ihn bezüglichen nähern Bestimmungen folgen zu lassen und
dann unsere Bemerkungen beizufügen.

„i. Das Bundesheer ist aus den Contingenten aller Bundesstaaten zu¬
sammengesetzt, welche nach der jedesmaligen Bundesmatrikel gestellt werden."

Nach der Bundesmatrikel von 1842, welche, so viel uns bekannt, noch
jetzt, oder besser gesagt, jetzt wieder giltig ist, stellt jeder Bundesstaat ein ein¬
faches Contingent mit einem Procent der Bevölkerung, was nach den damals
angenommenen Bevölkerungszahlen ein Gesammtheer von 233,776 Mann
ÜWt dann eine Reserve mit V- Procent zehn Wochen nach der Mobilmachung
oder einem bezüglichen Bundesbeschluß, endlich einen Ersatz mit V° Procent.
Daß diese Heeresmacht für einen so großen politischen Körper wie der deutsche
Bund ganz unzureichend wäre, wofern derselbe mit den .seiner Größe ent¬
sprechenden Ansprüchen, d. h. als europäische Großmacht austreten wollte,
leuchtet sofort ein. Doch der Bund als solcher übt das Recht der Kriegs¬
erklärung nur zu Vertheidigungszwecken. Das heißt nichts Anderes, als daß
er sich des Anspruches auf die GroßmachtsteUung begeben hat. Und dabei
fließt er zwei europäische Großmächte lose in seinen Verband ein, welche
als solche für allgemeine europäische Interessen, für ihren eignen Vortheil,
Um ihren Einfluß oder Besitz zu mehren, nicht blos um sich zu wehren, Kneg
sühren tonnen, welche demgemäß jede einzeln viel bedeutendere Hcereskräste
'


Grenzboten IV. 1SS9. 12
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0101" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/108231"/>
        </div>
        <div n="1">
          <head> Militärische Tagesfragen.<lb/>
'''</head><lb/>
          <div n="2">
            <head> '"'^zjch ^in^ii.-', ii'/si&gt;'i   ni»v)^ «la!    «jz 6nu^ hat'um-Z i'^ iia-j .ini.^<lb/>
4.  Die Bundeskriegsverfassung.</head><lb/>
            <p xml:id="ID_344"> Da die deutsche Bundeskriegsverfafsung infolge der preußischen Note vom<lb/>
6-Juli dieses Jahres oft besprochen worden, gleichwol aber, wie wir uns über¬<lb/>
zeugt haben, selbst von denen, welche über sie reden, wenig gekannt ist, so werden<lb/>
die Leser dieser Blätter es uns vielleicht Dank wissen, wenn wir sie mit diesem<lb/>
wichtigen Gesetz in seinen Grundzügen bekannt machen. Es werden sich daran<lb/>
gewissermaßen unwillkürlich die Fragen knüpfen, inwiefern die Bundeskriegs-<lb/>
vcrsassnng praktisch ausführbar oder nicht ausführbar sei und ob die Unaus-<lb/>
führbarkeit in ihr selbst oder vielmehr außer ihr liege, endlich wie dann,<lb/>
Wenn eine neue zu schaffen wäre, diese etwa eingerichtet sein müßte, damit<lb/>
ihre Vorschriften für praktisch ausführbar gelten konnten.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_345"> Die Grundzüge der deutschen Bundeskriegsverfassung stellt das &#x201E;organische<lb/>
Gesetz" vom 9. April 1821 in 24 Artikeln auf; &#x201E;nähere Bestimmungen" in<lb/>
zehn Abschnitten, so wie besondere Beschlüsse über die Bundcssestungen regeln<lb/>
die Einzelheiten. Wir thun bei unserm Vorhaben um besten, den Artikeln des<lb/>
organischen Gesetzes Schritt für Schritt nachzugehn, jedem derselben eine kurze<lb/>
Uebersicht der auf ihn bezüglichen nähern Bestimmungen folgen zu lassen und<lb/>
dann unsere Bemerkungen beizufügen.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_346"> &#x201E;i. Das Bundesheer ist aus den Contingenten aller Bundesstaaten zu¬<lb/>
sammengesetzt, welche nach der jedesmaligen Bundesmatrikel gestellt werden."</p><lb/>
            <p xml:id="ID_347" next="#ID_348"> Nach der Bundesmatrikel von 1842, welche, so viel uns bekannt, noch<lb/>
jetzt, oder besser gesagt, jetzt wieder giltig ist, stellt jeder Bundesstaat ein ein¬<lb/>
faches Contingent mit einem Procent der Bevölkerung, was nach den damals<lb/>
angenommenen Bevölkerungszahlen ein Gesammtheer von 233,776 Mann<lb/>
ÜWt dann eine Reserve mit V- Procent zehn Wochen nach der Mobilmachung<lb/>
oder einem bezüglichen Bundesbeschluß, endlich einen Ersatz mit V° Procent.<lb/>
Daß diese Heeresmacht für einen so großen politischen Körper wie der deutsche<lb/>
Bund ganz unzureichend wäre, wofern derselbe mit den .seiner Größe ent¬<lb/>
sprechenden Ansprüchen, d. h. als europäische Großmacht austreten wollte,<lb/>
leuchtet sofort ein. Doch der Bund als solcher übt das Recht der Kriegs¬<lb/>
erklärung nur zu Vertheidigungszwecken. Das heißt nichts Anderes, als daß<lb/>
er sich des Anspruches auf die GroßmachtsteUung begeben hat. Und dabei<lb/>
fließt er zwei europäische Großmächte lose in seinen Verband ein, welche<lb/>
als solche für allgemeine europäische Interessen, für ihren eignen Vortheil,<lb/>
Um ihren Einfluß oder Besitz zu mehren, nicht blos um sich zu wehren, Kneg<lb/>
sühren tonnen, welche demgemäß jede einzeln viel bedeutendere Hcereskräste<lb/>
'</p><lb/>
            <fw type="sig" place="bottom"> Grenzboten IV. 1SS9.   12</fw><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0101] Militärische Tagesfragen. ''' '"'^zjch ^in^ii.-', ii'/si>'i ni»v)^ «la! «jz 6nu^ hat'um-Z i'^ iia-j .ini.^ 4. Die Bundeskriegsverfassung. Da die deutsche Bundeskriegsverfafsung infolge der preußischen Note vom 6-Juli dieses Jahres oft besprochen worden, gleichwol aber, wie wir uns über¬ zeugt haben, selbst von denen, welche über sie reden, wenig gekannt ist, so werden die Leser dieser Blätter es uns vielleicht Dank wissen, wenn wir sie mit diesem wichtigen Gesetz in seinen Grundzügen bekannt machen. Es werden sich daran gewissermaßen unwillkürlich die Fragen knüpfen, inwiefern die Bundeskriegs- vcrsassnng praktisch ausführbar oder nicht ausführbar sei und ob die Unaus- führbarkeit in ihr selbst oder vielmehr außer ihr liege, endlich wie dann, Wenn eine neue zu schaffen wäre, diese etwa eingerichtet sein müßte, damit ihre Vorschriften für praktisch ausführbar gelten konnten. Die Grundzüge der deutschen Bundeskriegsverfassung stellt das „organische Gesetz" vom 9. April 1821 in 24 Artikeln auf; „nähere Bestimmungen" in zehn Abschnitten, so wie besondere Beschlüsse über die Bundcssestungen regeln die Einzelheiten. Wir thun bei unserm Vorhaben um besten, den Artikeln des organischen Gesetzes Schritt für Schritt nachzugehn, jedem derselben eine kurze Uebersicht der auf ihn bezüglichen nähern Bestimmungen folgen zu lassen und dann unsere Bemerkungen beizufügen. „i. Das Bundesheer ist aus den Contingenten aller Bundesstaaten zu¬ sammengesetzt, welche nach der jedesmaligen Bundesmatrikel gestellt werden." Nach der Bundesmatrikel von 1842, welche, so viel uns bekannt, noch jetzt, oder besser gesagt, jetzt wieder giltig ist, stellt jeder Bundesstaat ein ein¬ faches Contingent mit einem Procent der Bevölkerung, was nach den damals angenommenen Bevölkerungszahlen ein Gesammtheer von 233,776 Mann ÜWt dann eine Reserve mit V- Procent zehn Wochen nach der Mobilmachung oder einem bezüglichen Bundesbeschluß, endlich einen Ersatz mit V° Procent. Daß diese Heeresmacht für einen so großen politischen Körper wie der deutsche Bund ganz unzureichend wäre, wofern derselbe mit den .seiner Größe ent¬ sprechenden Ansprüchen, d. h. als europäische Großmacht austreten wollte, leuchtet sofort ein. Doch der Bund als solcher übt das Recht der Kriegs¬ erklärung nur zu Vertheidigungszwecken. Das heißt nichts Anderes, als daß er sich des Anspruches auf die GroßmachtsteUung begeben hat. Und dabei fließt er zwei europäische Großmächte lose in seinen Verband ein, welche als solche für allgemeine europäische Interessen, für ihren eignen Vortheil, Um ihren Einfluß oder Besitz zu mehren, nicht blos um sich zu wehren, Kneg sühren tonnen, welche demgemäß jede einzeln viel bedeutendere Hcereskräste ' Grenzboten IV. 1SS9. 12

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_108129
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_108129/101
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_108129/101>, abgerufen am 26.08.2024.