Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, II. Semester. III. Band.dann freilich auf den Trümmern der alten städtischen Freiheit die militärischen Mit der Lombardei und ganz Oberitalien theilte auch diese Landschaft dann freilich auf den Trümmern der alten städtischen Freiheit die militärischen Mit der Lombardei und ganz Oberitalien theilte auch diese Landschaft <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0096" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/107682"/> <p xml:id="ID_294" prev="#ID_293"> dann freilich auf den Trümmern der alten städtischen Freiheit die militärischen<lb/> Fürstentümer des vierzehnten und fünfzehnten Jahrhunderts sich erhoben, zwang<lb/> die centralifirende Gewalt wol alle Theile zu festem Anschluß an die größeren<lb/> Ganzen; nach mannigfachen Kämpfen verlor Como seine Freiheit und mußte<lb/> sich den Herzogen von Mailand beugen; mit ihm gelangte nun auch das Velt-<lb/> lin ne die Hände der Visconti und seit der Mitte des fünfzehnten Jahrhun¬<lb/> derts der Sforza. Indeß auch unter dieser Herrschaft hatte sich das Thal<lb/> mannigfacher Vortheile zu erfreuen.</p><lb/> <p xml:id="ID_295" next="#ID_296"> Mit der Lombardei und ganz Oberitalien theilte auch diese Landschaft<lb/> das Schicksal, vom Ende des fünfzehnten Jahrhunderts an eine sehr lebhaft<lb/> bewegte Geschichte zu haben, nur daß ihre eigentliche Lage noch mancherlei<lb/> besondere Factoren hinzubrachte. Schon seit dem zwölften und dreizehnten<lb/> Jahrhundert hatten die jedesmaligen Herren des Veltlin häufig die Versuche<lb/> ihrer nördlichen Nachbarn von Rhätien, sich des wichtigen Thals zu bemächtigen,<lb/> zurückzuweisen gehabt — die Bischöfe von Chur namentlich wiederholten von<lb/> Zeit zu Zeit ihre Bemühungen. Indeß blieben diese gelegentlichen Versuche<lb/> ohne Gefahr, so lange Rhätien selbst noch zu keiner einheitlichen politischen<lb/> Gestaltung gelangt war; in eine Anzahl größerer und kleinerer Lehnsherr¬<lb/> schaften zertheilt (besonders die der Bischöfe von Chur, des Grafen von Toggen¬<lb/> burg, der Aebte von Disentis) consumirten sich die Kräfte des Landes in end¬<lb/> losen inneren Zwistigkeiten. Als aber gegen Ende des vierzehnten Jahrhun¬<lb/> derts der Bischof Hartmann von Chur durch beständige Fehden mit seinen<lb/> aufsässigen Lehnsleuten geschwächt war. ergriffen eine Anzahl von Gemeinden<lb/> die Gelegenheit, sich von der bischöflichen Herrschaft loszusagen und sich unter¬<lb/> einander und mit den nächstgesessenen Rittern zu einem ewigen Bunde zu<lb/> vereinigen, so entstand 1396 der Gotteshaus bunt. Bald folgten diesen<lb/> andere Ritter und Gemeinden; 1424 versammelten sie sich bei Trons am Rhein<lb/> unter einem alten Ahorn, dort steckten sie ihre eisenbeschlagenen Stöcke im<lb/> Kreise umher, hingen ihre grauen Mäntel darüber auf und schlössen einen<lb/> Vertrag auf Schutz und Trutz für ewige Zeiten. Das war der graue Bund,<lb/> der dann dem ganzen Land den Namen gab. Und als wenige Jahre darauf<lb/> der letzte Graf von Toggenburg starb, vereinigten sich seine Lehnsleute gleich¬<lb/> falls und schlössen den Zehngerichtenbund (1428). Endlich aber traten im<lb/> Jahre 1471 zu Vazerol die drei Bünde zu einer Eidgenossenschaft zusammen;<lb/> auf einem Bundestag, abwechselnd in Chur, Davos und Jlanz sollten die<lb/> ge neinsamen Angelegenheiten berathen werden, im Uebngen aber jeder der drei<lb/> Bünde seine Autonomie behalten. Von der Begründung dieser Konstitution<lb/> an, die sich bis in dieses Jahrhundert erhalten hat. und seitdem die Eid¬<lb/> genossenschaft als zugewandte Landschaft sich dem Schweizerbund angeschlossen,<lb/> haben die Graubündtner in den Verwicklungen Oberitaliens lange eine einfluß-</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0096]
dann freilich auf den Trümmern der alten städtischen Freiheit die militärischen
Fürstentümer des vierzehnten und fünfzehnten Jahrhunderts sich erhoben, zwang
die centralifirende Gewalt wol alle Theile zu festem Anschluß an die größeren
Ganzen; nach mannigfachen Kämpfen verlor Como seine Freiheit und mußte
sich den Herzogen von Mailand beugen; mit ihm gelangte nun auch das Velt-
lin ne die Hände der Visconti und seit der Mitte des fünfzehnten Jahrhun¬
derts der Sforza. Indeß auch unter dieser Herrschaft hatte sich das Thal
mannigfacher Vortheile zu erfreuen.
Mit der Lombardei und ganz Oberitalien theilte auch diese Landschaft
das Schicksal, vom Ende des fünfzehnten Jahrhunderts an eine sehr lebhaft
bewegte Geschichte zu haben, nur daß ihre eigentliche Lage noch mancherlei
besondere Factoren hinzubrachte. Schon seit dem zwölften und dreizehnten
Jahrhundert hatten die jedesmaligen Herren des Veltlin häufig die Versuche
ihrer nördlichen Nachbarn von Rhätien, sich des wichtigen Thals zu bemächtigen,
zurückzuweisen gehabt — die Bischöfe von Chur namentlich wiederholten von
Zeit zu Zeit ihre Bemühungen. Indeß blieben diese gelegentlichen Versuche
ohne Gefahr, so lange Rhätien selbst noch zu keiner einheitlichen politischen
Gestaltung gelangt war; in eine Anzahl größerer und kleinerer Lehnsherr¬
schaften zertheilt (besonders die der Bischöfe von Chur, des Grafen von Toggen¬
burg, der Aebte von Disentis) consumirten sich die Kräfte des Landes in end¬
losen inneren Zwistigkeiten. Als aber gegen Ende des vierzehnten Jahrhun¬
derts der Bischof Hartmann von Chur durch beständige Fehden mit seinen
aufsässigen Lehnsleuten geschwächt war. ergriffen eine Anzahl von Gemeinden
die Gelegenheit, sich von der bischöflichen Herrschaft loszusagen und sich unter¬
einander und mit den nächstgesessenen Rittern zu einem ewigen Bunde zu
vereinigen, so entstand 1396 der Gotteshaus bunt. Bald folgten diesen
andere Ritter und Gemeinden; 1424 versammelten sie sich bei Trons am Rhein
unter einem alten Ahorn, dort steckten sie ihre eisenbeschlagenen Stöcke im
Kreise umher, hingen ihre grauen Mäntel darüber auf und schlössen einen
Vertrag auf Schutz und Trutz für ewige Zeiten. Das war der graue Bund,
der dann dem ganzen Land den Namen gab. Und als wenige Jahre darauf
der letzte Graf von Toggenburg starb, vereinigten sich seine Lehnsleute gleich¬
falls und schlössen den Zehngerichtenbund (1428). Endlich aber traten im
Jahre 1471 zu Vazerol die drei Bünde zu einer Eidgenossenschaft zusammen;
auf einem Bundestag, abwechselnd in Chur, Davos und Jlanz sollten die
ge neinsamen Angelegenheiten berathen werden, im Uebngen aber jeder der drei
Bünde seine Autonomie behalten. Von der Begründung dieser Konstitution
an, die sich bis in dieses Jahrhundert erhalten hat. und seitdem die Eid¬
genossenschaft als zugewandte Landschaft sich dem Schweizerbund angeschlossen,
haben die Graubündtner in den Verwicklungen Oberitaliens lange eine einfluß-
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