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Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, II. Semester. III. Band.

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lärmten, die Soldaten das Gewehr präsentirten, wurde das fürstliche Paar
in das Zelt geführt, welches sich jetzt mit den davor versammelten Consuls-
unisormen, dem Pascha in seinem von oben bis unten mit Zweigen von
Goldstickerei besetzten Generalsrock, den arabisch gekleideten Beisitzern des
Gerichtshofs von Jerusalem, und dem Halbkreis von etwa zwanzig schim¬
mernden und funkelnden Kawaschen, der den Hintergrund bildete, in der That
Prächtig ausnahm. Der Pascha stellte die Versammelten vor, dann wurde den
Herrschaften Limonade gereicht. Nach einer Viertelstunde stiegen alle wieder
zu Pferde. Der Großfürst soll die Absicht gehabt haben, die Kreuzsahrerfeld-
herrn nachahmend zu Fuß in die Stadt einzuziehen. Wahrscheinlich brachten
ihn die Hitze und seine Ermüdung auf andere Gedanken. Vielleicht fand er
auch zuletzt, daß wir jetzt nicht mehr im Mittelalter leben. Genug, er setzte
sich wieder in den Sattel und ebenso bestieg seine Gemahlin ihre Sänfte wie¬
der. So bewegte sich die jetzt zu mehr als hundert Reitern angewachsene Pro¬
cession auf das Jaffathor zu. Voran ritten die Kawaschen, dann die Kam¬
merherrn, hierauf folgte mit blitzenden Bajonetten eine Abtheilung türki¬
sches Militär. Dann kam der Pascha und hinter diesem der Großfürst
sammt Gemahlin und Hofstaat. Endlich schloß der Zug mit den Konsuln.
So oft derselbe eins von den am Wege aufgestellten Jnfanteriedetachements
Passirte, wurde er mit ohrenzerreißendem Hörnerlärm und Trommelgerassel
empfangen. Die Juden erhoben, als der Großfürst ihr Teppichzelt erreichte,
ein Geschrei, welches sich wie ein mißlungner Gesang anhörte. Das Schicksal
der Torte blieb mir unbekannt, doch sah ich nicht, daß der Prinz sich bei dem
Zelt aufgehalten hätte. Als die Procession das Jaffathor erreichte, erschienen
russische Frauen, welche dem Bruder ihres Zaren Rosen streuten, während die
Weißen Vögel aus den Mauern und Dächern sich mit flatterndem Schleier¬
und Mantelgefieder erhoben und mit weithin schallendem Gekreisch das Fürsten-
Paar willkommen hießen.

Der Großfürst nahm seine Wohnung in einem der griechischen Klöster,
von wo aus er die verschiedenen heiligen Orte der Stadt und ihre Umge¬
bung besuchte, die Himmelfahrtsfußtapfe aus dem Oelberg und was sonst von
Pilgern zu küssen ist, küßte, seine Gemahlin desgleichen thun ließ, und über¬
haupt alle Pflichten, die einem Hadschi der orthodoxen morgenländischen Kirche in
Jerusalem obliegen, pünktlich erfüllte. Dabei wurde, wie man mir sagte, die Po-
lik nicht versäumt und auch Andersgläubigen in ihren Kirchen die Ehre erwiesen,
Zeigen zu dürfen, was sehenswerth war. Im Allgemeinen hat das großfürstliche
Paar in Jerusalem sicher einen vortheilhaften Eindruck hinterlassen. Die Griechen
täuschten sich allerdings in der Erwartung der dreihundert mit Geschenken be-
ladenen Kameele, aber wer von ihnen eine gute Bildung, anspruchsloses We¬
sen und männlichen Charakter zu schätzen weiß, wird durch den Besuch un-


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lärmten, die Soldaten das Gewehr präsentirten, wurde das fürstliche Paar
in das Zelt geführt, welches sich jetzt mit den davor versammelten Consuls-
unisormen, dem Pascha in seinem von oben bis unten mit Zweigen von
Goldstickerei besetzten Generalsrock, den arabisch gekleideten Beisitzern des
Gerichtshofs von Jerusalem, und dem Halbkreis von etwa zwanzig schim¬
mernden und funkelnden Kawaschen, der den Hintergrund bildete, in der That
Prächtig ausnahm. Der Pascha stellte die Versammelten vor, dann wurde den
Herrschaften Limonade gereicht. Nach einer Viertelstunde stiegen alle wieder
zu Pferde. Der Großfürst soll die Absicht gehabt haben, die Kreuzsahrerfeld-
herrn nachahmend zu Fuß in die Stadt einzuziehen. Wahrscheinlich brachten
ihn die Hitze und seine Ermüdung auf andere Gedanken. Vielleicht fand er
auch zuletzt, daß wir jetzt nicht mehr im Mittelalter leben. Genug, er setzte
sich wieder in den Sattel und ebenso bestieg seine Gemahlin ihre Sänfte wie¬
der. So bewegte sich die jetzt zu mehr als hundert Reitern angewachsene Pro¬
cession auf das Jaffathor zu. Voran ritten die Kawaschen, dann die Kam¬
merherrn, hierauf folgte mit blitzenden Bajonetten eine Abtheilung türki¬
sches Militär. Dann kam der Pascha und hinter diesem der Großfürst
sammt Gemahlin und Hofstaat. Endlich schloß der Zug mit den Konsuln.
So oft derselbe eins von den am Wege aufgestellten Jnfanteriedetachements
Passirte, wurde er mit ohrenzerreißendem Hörnerlärm und Trommelgerassel
empfangen. Die Juden erhoben, als der Großfürst ihr Teppichzelt erreichte,
ein Geschrei, welches sich wie ein mißlungner Gesang anhörte. Das Schicksal
der Torte blieb mir unbekannt, doch sah ich nicht, daß der Prinz sich bei dem
Zelt aufgehalten hätte. Als die Procession das Jaffathor erreichte, erschienen
russische Frauen, welche dem Bruder ihres Zaren Rosen streuten, während die
Weißen Vögel aus den Mauern und Dächern sich mit flatterndem Schleier¬
und Mantelgefieder erhoben und mit weithin schallendem Gekreisch das Fürsten-
Paar willkommen hießen.

Der Großfürst nahm seine Wohnung in einem der griechischen Klöster,
von wo aus er die verschiedenen heiligen Orte der Stadt und ihre Umge¬
bung besuchte, die Himmelfahrtsfußtapfe aus dem Oelberg und was sonst von
Pilgern zu küssen ist, küßte, seine Gemahlin desgleichen thun ließ, und über¬
haupt alle Pflichten, die einem Hadschi der orthodoxen morgenländischen Kirche in
Jerusalem obliegen, pünktlich erfüllte. Dabei wurde, wie man mir sagte, die Po-
lik nicht versäumt und auch Andersgläubigen in ihren Kirchen die Ehre erwiesen,
Zeigen zu dürfen, was sehenswerth war. Im Allgemeinen hat das großfürstliche
Paar in Jerusalem sicher einen vortheilhaften Eindruck hinterlassen. Die Griechen
täuschten sich allerdings in der Erwartung der dreihundert mit Geschenken be-
ladenen Kameele, aber wer von ihnen eine gute Bildung, anspruchsloses We¬
sen und männlichen Charakter zu schätzen weiß, wird durch den Besuch un-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_107585/481>, abgerufen am 23.07.2024.