Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, II. Semester. III. Band.König hat die kirchliche Sage einem der armen heiligen Würmchen die Hand Wie ein Stein ins Wasser geworfen auf der Oberfläche einen weiten Ring Nachdem ich im Kloster noch die Schule besucht, in welcher etwa sechzig König hat die kirchliche Sage einem der armen heiligen Würmchen die Hand Wie ein Stein ins Wasser geworfen auf der Oberfläche einen weiten Ring Nachdem ich im Kloster noch die Schule besucht, in welcher etwa sechzig <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0475" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/108061"/> <p xml:id="ID_1561" prev="#ID_1560"> König hat die kirchliche Sage einem der armen heiligen Würmchen die Hand<lb/> und sogar die Zunge abgeschnitten, um sie ihren Gläubigen zum Beweis der<lb/> Echtheit des Grabes aufzubewahren. Ueber der zuletzt genannten Höhle be¬<lb/> findet sich eine Se. Katharinen geweihte, ebenfalls recht freundliche Kirche,<lb/> welche im Besitz der lateinischen Mönche ist.</p><lb/> <p xml:id="ID_1562"> Wie ein Stein ins Wasser geworfen auf der Oberfläche einen weiten Ring<lb/> bildet, so hat auch die Geburtskirche von Bethlehem sich im Lauf der Zeit<lb/> Mit einem immer weiter werdenden Kreise von heiligen Stätten umgeben.<lb/> Man weiß die Grotte, in der sich Maria mit ihrem Neugebornen während<lb/> des bethlehcmitischen Kindermordes verborgen hielt, und wer daran zweifelt,<lb/> dem zeigt der Begleiter in der Kutte nicht weit vom Altar der Grotte die<lb/> Weißen Tropfen am Boden, welche die Gottesmutter beim Säugen verlor, und<lb/> er thut wohl, sich von der mergelartigen Masse "ein Kügelchen mitzunehmen.<lb/> Die Mönche lassen es gegen ein Billiges ab, und es ist gut für Frauen, die<lb/> nicht stillen können. Man weiß serner im Osten der Stadt das Feld, wo die<lb/> Hirten von den Engeln mit dem „Ehre sei Gott in der Höhe" überrascht<lb/> wurden. Das Dorf der Hirten ist ebenfalls wohlbekannt; es heißt jetzt Bet<lb/> Sahur En Nassara und liegt etwa eine halbe Stunde von der Stadt. Andere<lb/> Legendenorte endlich sind das sogenannte Erbscnfeld, wo kleine runde Steine<lb/> den Fluch bezeugen, mit dem Maria die Erbsen, welche hartherzige Bauern<lb/> ihr zur Stillung ihres Hungers verweigerten, ungenießbar machte, die Tenne,<lb/> wo das Idyll von Ruth und Boas spielte, nicht fern vom Grabe Nabels,<lb/> und die Stelle, wo dem heiligen Pflegevater Joseph der Traumengel die Flucht<lb/> nach Aegypten gebot.</p><lb/> <p xml:id="ID_1563" next="#ID_1564"> Nachdem ich im Kloster noch die Schule besucht, in welcher etwa sechzig<lb/> junge Bethlehemitcn sich von einem Schulmeister in Turban und Kaftan in<lb/> die Geheimnisse des griechischen Abcbuchs einweihen lassen, und in dem Och¬<lb/> senziemer, den der Leiter der Anstalt schwang, einen Verwandten des grimmen<lb/> Bakels begrüßt, der mir einst zum Studium der Fibel gewinkt, suchte ich den<lb/> am Eingang der Stadt wohnenden Deutschen auf, der hier seit einiger Zeit<lb/> als Weinbereiter lebt. Es ist ein Herr Schäfer, welcher früher mit dem Spitt-<lb/> lerschcn Brüderhaus in Verbindung stand. Ich fand ihn sammt seiner Frau<lb/> un Keller, wo er mit Abziehen beschäftigt war. Sein Wein war der beste,<lb/> den ich in Palästina trank. Er bezieht seine Trauben aus der Gegend von<lb/> Hebron und aus Strichen anderthalb Standen westlich und südwestlich von<lb/> Jerusalem, namentlich von dem Dorfe Se. Philipp, wo die besten Sorten<lb/> wachsen. Der Wein wird von Herrn Schäfer ganz in der Weise, wie ihn die<lb/> deutschen Winzer behandeln, gemacht, indeß läßt er den ausgekelterten Saft<lb/> einige Tage — in der Regel drei — aus den Träbern stehen, wodurch der<lb/> Wein eine schönere dunkle Farbe bekommt. Ich trank aus zwei verschiedenen</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0475]
König hat die kirchliche Sage einem der armen heiligen Würmchen die Hand
und sogar die Zunge abgeschnitten, um sie ihren Gläubigen zum Beweis der
Echtheit des Grabes aufzubewahren. Ueber der zuletzt genannten Höhle be¬
findet sich eine Se. Katharinen geweihte, ebenfalls recht freundliche Kirche,
welche im Besitz der lateinischen Mönche ist.
Wie ein Stein ins Wasser geworfen auf der Oberfläche einen weiten Ring
bildet, so hat auch die Geburtskirche von Bethlehem sich im Lauf der Zeit
Mit einem immer weiter werdenden Kreise von heiligen Stätten umgeben.
Man weiß die Grotte, in der sich Maria mit ihrem Neugebornen während
des bethlehcmitischen Kindermordes verborgen hielt, und wer daran zweifelt,
dem zeigt der Begleiter in der Kutte nicht weit vom Altar der Grotte die
Weißen Tropfen am Boden, welche die Gottesmutter beim Säugen verlor, und
er thut wohl, sich von der mergelartigen Masse "ein Kügelchen mitzunehmen.
Die Mönche lassen es gegen ein Billiges ab, und es ist gut für Frauen, die
nicht stillen können. Man weiß serner im Osten der Stadt das Feld, wo die
Hirten von den Engeln mit dem „Ehre sei Gott in der Höhe" überrascht
wurden. Das Dorf der Hirten ist ebenfalls wohlbekannt; es heißt jetzt Bet
Sahur En Nassara und liegt etwa eine halbe Stunde von der Stadt. Andere
Legendenorte endlich sind das sogenannte Erbscnfeld, wo kleine runde Steine
den Fluch bezeugen, mit dem Maria die Erbsen, welche hartherzige Bauern
ihr zur Stillung ihres Hungers verweigerten, ungenießbar machte, die Tenne,
wo das Idyll von Ruth und Boas spielte, nicht fern vom Grabe Nabels,
und die Stelle, wo dem heiligen Pflegevater Joseph der Traumengel die Flucht
nach Aegypten gebot.
Nachdem ich im Kloster noch die Schule besucht, in welcher etwa sechzig
junge Bethlehemitcn sich von einem Schulmeister in Turban und Kaftan in
die Geheimnisse des griechischen Abcbuchs einweihen lassen, und in dem Och¬
senziemer, den der Leiter der Anstalt schwang, einen Verwandten des grimmen
Bakels begrüßt, der mir einst zum Studium der Fibel gewinkt, suchte ich den
am Eingang der Stadt wohnenden Deutschen auf, der hier seit einiger Zeit
als Weinbereiter lebt. Es ist ein Herr Schäfer, welcher früher mit dem Spitt-
lerschcn Brüderhaus in Verbindung stand. Ich fand ihn sammt seiner Frau
un Keller, wo er mit Abziehen beschäftigt war. Sein Wein war der beste,
den ich in Palästina trank. Er bezieht seine Trauben aus der Gegend von
Hebron und aus Strichen anderthalb Standen westlich und südwestlich von
Jerusalem, namentlich von dem Dorfe Se. Philipp, wo die besten Sorten
wachsen. Der Wein wird von Herrn Schäfer ganz in der Weise, wie ihn die
deutschen Winzer behandeln, gemacht, indeß läßt er den ausgekelterten Saft
einige Tage — in der Regel drei — aus den Träbern stehen, wodurch der
Wein eine schönere dunkle Farbe bekommt. Ich trank aus zwei verschiedenen
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