Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, II. Semester. III. Band.verschwanden beide hinter Wüstenhügeln, und wer mich nicht erwartete, Ich war. nachdem ich ihn aus den Augen verloren, ganz allein in der 55
verschwanden beide hinter Wüstenhügeln, und wer mich nicht erwartete, Ich war. nachdem ich ihn aus den Augen verloren, ganz allein in der 55
<TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0449" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/108035"/> <p xml:id="ID_1481" prev="#ID_1480"> verschwanden beide hinter Wüstenhügeln, und wer mich nicht erwartete,<lb/> als ich mit glühenden Sohlen erschöpft und sonncdurchglüht die verabredete<lb/> halbe Stunde zurückgelegt hatte, war der dankbare Webergescll aus dem<lb/> Brandenburgischen. Ich weiß nicht, wie ich den Wackern verwünschte, nur<lb/> das ist mir erinnerlich, daß ich, wie das mit allen Verwünschungen zu sein<lb/> pflegt, ihn dadurch nicht herbeischaffte, und so hatte ich, wenn ichs nicht<lb/> darauf ankommen lassen wollte, in der Wüste liegen zu bleiben, mich mit dem<lb/> Schech wegen Abtretung seines Pferdes in Vernehmen zu setzen. Die Noth<lb/> Macht beredt, und es gelang mit einigen arabischen Brocken und einem deut¬<lb/> lichern Geberdenspiel dem braunen Gentleman meinen Wunsch verständlich zu<lb/> 'Nachen. Nicht eher aber räumte er nur seinen Sattel ein. als bis ich ihm auf<lb/> wiederholtes „Backschisch kebir". (viel Trinkgeld) wiederholt und mit überzeugen¬<lb/> der Emphase ein „Ewah" (ja) geantwortet, und nicht sobald war er abge¬<lb/> stiegen, als er. ohne Rücksicht darauf zu nehmen, ob ich den Weg nach dem<lb/> Kloster wisse, sich seitwärts in die Berge schlug.</p><lb/> <p xml:id="ID_1482"> Ich war. nachdem ich ihn aus den Augen verloren, ganz allein in der<lb/> Wüste, und als ich so hinritt, bald über eine Hochfläche, bald einen der<lb/> Hügel hinauf, bald in einen Kessel oder in eine Thalmulde hinab, dachte ich<lb/> wir zu verschiedenen Malen die Situation. in die ich gerathen würde, wenn<lb/> 'es um einen Kreuzweg käme und den falschen Pfad einschlüge. Räuberische<lb/> Beduinen, Gespenster des Durstes, des Hungers, ein Nachtlager auf Steinen<lb/> unt Skorpionen als Bettgenossen spukten mir durch den Kopf. Allmählig<lb/> jedoch machten diese trübseligen Bilder verständiger Ueberlegung Platz. Links<lb/> '>n Osten glänzte durch die Bergschluchten, etwa zwei Stunden entfernt, der<lb/> Spiegel des Todten Meeres, rechts hinter dem Gewirr von Gipfeln und<lb/> Kreuz- und Querthälern, mußte Jerusalem sein. Im Süden vor mir lag<lb/> wahrscheinlich das Kloster. Ich hatte mich also hauptsächlich vor solchen<lb/> Wegen zu hüten, welche nach links abzweigten. Außerdem besann ich mich,<lb/> daß das Beduinenpferd klüger sein würde, als ich, da es ohne Zweifel schon<lb/> »se die Tour vom See nach Mar Salm gemacht hatte, und so ließ ich es an<lb/> zweifelhaften Stellen sich selbst die Straße wählen. Die Hitze wurde hier<lb/> »ben durch den Nachmittagswind erheblich gemildert, gegen den Durst leistete<lb/> ^e aufbewahrte Orangenschale und. als diese verbraucht war. eine Hand voll<lb/> Tabak gute Dienste, der Weg war auf dem dürren, steinigten Boden oft kaum<lb/> W erkennen, aber nur an einigen steilen Stellen beschwerlich, und so peinigte<lb/> "ur noch die Einsamkeit; denn in den drei Stunden, die ich auf diese Wnse<lb/> zurücklegte, sah ich von lebenden Wesen nur spannenlange schwarze Erdeessen,<lb/> welche in Palästina auch die Wüsten bevölkern und mit ihren graziösen Be¬<lb/> wegungen und ihrem stets gehobenen Schwänzchen immer Stoff zu heitern<lb/> Betrachtungen geben.*</p><lb/> <fw type="sig" place="bottom"> 55</fw><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0449]
verschwanden beide hinter Wüstenhügeln, und wer mich nicht erwartete,
als ich mit glühenden Sohlen erschöpft und sonncdurchglüht die verabredete
halbe Stunde zurückgelegt hatte, war der dankbare Webergescll aus dem
Brandenburgischen. Ich weiß nicht, wie ich den Wackern verwünschte, nur
das ist mir erinnerlich, daß ich, wie das mit allen Verwünschungen zu sein
pflegt, ihn dadurch nicht herbeischaffte, und so hatte ich, wenn ichs nicht
darauf ankommen lassen wollte, in der Wüste liegen zu bleiben, mich mit dem
Schech wegen Abtretung seines Pferdes in Vernehmen zu setzen. Die Noth
Macht beredt, und es gelang mit einigen arabischen Brocken und einem deut¬
lichern Geberdenspiel dem braunen Gentleman meinen Wunsch verständlich zu
'Nachen. Nicht eher aber räumte er nur seinen Sattel ein. als bis ich ihm auf
wiederholtes „Backschisch kebir". (viel Trinkgeld) wiederholt und mit überzeugen¬
der Emphase ein „Ewah" (ja) geantwortet, und nicht sobald war er abge¬
stiegen, als er. ohne Rücksicht darauf zu nehmen, ob ich den Weg nach dem
Kloster wisse, sich seitwärts in die Berge schlug.
Ich war. nachdem ich ihn aus den Augen verloren, ganz allein in der
Wüste, und als ich so hinritt, bald über eine Hochfläche, bald einen der
Hügel hinauf, bald in einen Kessel oder in eine Thalmulde hinab, dachte ich
wir zu verschiedenen Malen die Situation. in die ich gerathen würde, wenn
'es um einen Kreuzweg käme und den falschen Pfad einschlüge. Räuberische
Beduinen, Gespenster des Durstes, des Hungers, ein Nachtlager auf Steinen
unt Skorpionen als Bettgenossen spukten mir durch den Kopf. Allmählig
jedoch machten diese trübseligen Bilder verständiger Ueberlegung Platz. Links
'>n Osten glänzte durch die Bergschluchten, etwa zwei Stunden entfernt, der
Spiegel des Todten Meeres, rechts hinter dem Gewirr von Gipfeln und
Kreuz- und Querthälern, mußte Jerusalem sein. Im Süden vor mir lag
wahrscheinlich das Kloster. Ich hatte mich also hauptsächlich vor solchen
Wegen zu hüten, welche nach links abzweigten. Außerdem besann ich mich,
daß das Beduinenpferd klüger sein würde, als ich, da es ohne Zweifel schon
»se die Tour vom See nach Mar Salm gemacht hatte, und so ließ ich es an
zweifelhaften Stellen sich selbst die Straße wählen. Die Hitze wurde hier
»ben durch den Nachmittagswind erheblich gemildert, gegen den Durst leistete
^e aufbewahrte Orangenschale und. als diese verbraucht war. eine Hand voll
Tabak gute Dienste, der Weg war auf dem dürren, steinigten Boden oft kaum
W erkennen, aber nur an einigen steilen Stellen beschwerlich, und so peinigte
"ur noch die Einsamkeit; denn in den drei Stunden, die ich auf diese Wnse
zurücklegte, sah ich von lebenden Wesen nur spannenlange schwarze Erdeessen,
welche in Palästina auch die Wüsten bevölkern und mit ihren graziösen Be¬
wegungen und ihrem stets gehobenen Schwänzchen immer Stoff zu heitern
Betrachtungen geben.*
55
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |