Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, II. Semester. III. Band.Während des Kriegszustnndes, während des Fortganges einer Menge Die öffentliche Meinung außerhalb konnte also auf die neuen Kammern Ob dieses Zeugniß auch in Frankfurt gewirkt hat? Wir wissen es nicht' Während des Kriegszustnndes, während des Fortganges einer Menge Die öffentliche Meinung außerhalb konnte also auf die neuen Kammern Ob dieses Zeugniß auch in Frankfurt gewirkt hat? Wir wissen es nicht' <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0416" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/108002"/> <p xml:id="ID_1367"> Während des Kriegszustnndes, während des Fortganges einer Menge<lb/> politischer Processe, unter dem Druck einer Reihe fast jede persönliche Freiheit<lb/> in Frage stellender Polizeimaßregeln (sie erstreckten sich aus den Briefverkehr<lb/> und die Postreisenden), nachdem kaum die „Strafbaiern" das Land verlasse"<lb/> hatten, wurden im Jahre l»S2 die neuen kurhcssischen Stände gewählt, nach<lb/> eben der Verfassung und zwar durch directe, mündliche Wahl gewählt, welche<lb/> die Hassenpflugsche Regierung selbst ausgesonnen hatte; aus den Gewählten<lb/> wurde wieder auf das Verlangen der Negierung im Jahre 1853 eine Anzahl<lb/> bei Steuerverweigcrungs- und Hochverrnthsprocesscn Betheiligter ausgeschieden<lb/> (die meines Wissens später sämmtlich freigesprochen wurden); das Bundes-<lb/> preßgesctz benutzte man in den Jahren 1854 und selbst 1855. als man end¬<lb/> lich den im tiefsten Frieden fortdauernden Kriegszustand aus vielfache Mal)'<lb/> nungen von Frankfurt aufgehoben hatte, eine ganze Reihe von Buchhand'<lb/> lungen und Buchdruckereien auf dem Administrativweg zu schließen, die nicht<lb/> geschlossenen Buchdruckereien regelmäßig von Polizeibeamten beaufsichtigen und<lb/> bei den Buchhändlern gleich nach der Ankunft der Bücherballen das Angenehme<lb/> von dem Mißliebigen sondern zu lassen.</p><lb/> <p xml:id="ID_1368"> Die öffentliche Meinung außerhalb konnte also auf die neuen Kammern<lb/> kaum einen Einfluß üben. Die neu creirte zweite Kammer gab auch vielfach<lb/> nach, sogar in Cardinalpunkten, aber die erste Kammer gewährte ihr einen<lb/> Halt, und gab man wirklich in wichtigen Punkten nach, so suchte man doch<lb/> alsbald wieder die Zugeständnisse durch Schranken zu wahren. Die Stärke<lb/> der allgemeinen Ueberzeugung in jedem Einzelnen, ebenderselben, die 1849<lb/> bis 1851 jenen Widerstand gegen die Regierung hervorgerufen hatte, der se><lb/> allgemein und zäh noch nicht in der Welt vorgekommen ist, diese Stärke<lb/> allgemeinen Ueberzeugung war noch nicht ganz verloren gegangen. Trotz der Is^''<lb/> rung der Kammern von der öffentlichen Meinung, trotz aller Maßregeln in>l!'<lb/> billigten sie von den 123 Paragraphen der Hassenpflugschen Verfassung, über<lb/> welche sich dieselben nach dem Bundesbeschlnß erklären sollten, nicht weniger als<lb/> 117! In der That ein starkes Zeugniß gegen die Regierung, ein glänzendes<lb/> für das beharrliche und einmüthige Volk!</p><lb/> <p xml:id="ID_1369"> Ob dieses Zeugniß auch in Frankfurt gewirkt hat? Wir wissen es nicht'<lb/> möchten es aber vermuthen; denn zwar wurden unmittelbar nach den Verhand-<lb/> lungen des Ministers v. Vaumbach und des Staatsraths Scheffer in Fr"'^<lb/> furt 1855 neue Wahlen angeordnet; da aber diese wiederum kein ander<lb/> Ergebniß herbeiführten, so ließ sich die Regierung 1856 nach Hassenpflug<lb/> Entlassung zu einigen Zugeständnissen herbei, und man möchte daraus schließe"'<lb/> daß in der That, wie 1855 behauptet wurde, die Bundesversammlung d'e<lb/> Heranziehung einer nach der Verfassung von 1831 berufenen Kammer zur Puu-<lb/> ficirnng dieser (nicht der octroyirten Verfassung von 1852) in Aussicht gestellt ha e.</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0416]
Während des Kriegszustnndes, während des Fortganges einer Menge
politischer Processe, unter dem Druck einer Reihe fast jede persönliche Freiheit
in Frage stellender Polizeimaßregeln (sie erstreckten sich aus den Briefverkehr
und die Postreisenden), nachdem kaum die „Strafbaiern" das Land verlasse"
hatten, wurden im Jahre l»S2 die neuen kurhcssischen Stände gewählt, nach
eben der Verfassung und zwar durch directe, mündliche Wahl gewählt, welche
die Hassenpflugsche Regierung selbst ausgesonnen hatte; aus den Gewählten
wurde wieder auf das Verlangen der Negierung im Jahre 1853 eine Anzahl
bei Steuerverweigcrungs- und Hochverrnthsprocesscn Betheiligter ausgeschieden
(die meines Wissens später sämmtlich freigesprochen wurden); das Bundes-
preßgesctz benutzte man in den Jahren 1854 und selbst 1855. als man end¬
lich den im tiefsten Frieden fortdauernden Kriegszustand aus vielfache Mal)'
nungen von Frankfurt aufgehoben hatte, eine ganze Reihe von Buchhand'
lungen und Buchdruckereien auf dem Administrativweg zu schließen, die nicht
geschlossenen Buchdruckereien regelmäßig von Polizeibeamten beaufsichtigen und
bei den Buchhändlern gleich nach der Ankunft der Bücherballen das Angenehme
von dem Mißliebigen sondern zu lassen.
Die öffentliche Meinung außerhalb konnte also auf die neuen Kammern
kaum einen Einfluß üben. Die neu creirte zweite Kammer gab auch vielfach
nach, sogar in Cardinalpunkten, aber die erste Kammer gewährte ihr einen
Halt, und gab man wirklich in wichtigen Punkten nach, so suchte man doch
alsbald wieder die Zugeständnisse durch Schranken zu wahren. Die Stärke
der allgemeinen Ueberzeugung in jedem Einzelnen, ebenderselben, die 1849
bis 1851 jenen Widerstand gegen die Regierung hervorgerufen hatte, der se>
allgemein und zäh noch nicht in der Welt vorgekommen ist, diese Stärke
allgemeinen Ueberzeugung war noch nicht ganz verloren gegangen. Trotz der Is^''
rung der Kammern von der öffentlichen Meinung, trotz aller Maßregeln in>l!'
billigten sie von den 123 Paragraphen der Hassenpflugschen Verfassung, über
welche sich dieselben nach dem Bundesbeschlnß erklären sollten, nicht weniger als
117! In der That ein starkes Zeugniß gegen die Regierung, ein glänzendes
für das beharrliche und einmüthige Volk!
Ob dieses Zeugniß auch in Frankfurt gewirkt hat? Wir wissen es nicht'
möchten es aber vermuthen; denn zwar wurden unmittelbar nach den Verhand-
lungen des Ministers v. Vaumbach und des Staatsraths Scheffer in Fr"'^
furt 1855 neue Wahlen angeordnet; da aber diese wiederum kein ander
Ergebniß herbeiführten, so ließ sich die Regierung 1856 nach Hassenpflug
Entlassung zu einigen Zugeständnissen herbei, und man möchte daraus schließe"'
daß in der That, wie 1855 behauptet wurde, die Bundesversammlung d'e
Heranziehung einer nach der Verfassung von 1831 berufenen Kammer zur Puu-
ficirnng dieser (nicht der octroyirten Verfassung von 1852) in Aussicht gestellt ha e.
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |