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Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, II. Semester. III. Band.

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"r die Besorgnis daß Preußen, wenn es nicht von vornherein gegen Frank-
"'H engagirt sei, in Deutschland im Trüben fischen könne. Diese Besorgnis;
Zerstreuen, mußte für Preußen bei der Politik, die es sich gewählt, die
Hauptaufgabe sein -- wobei wir die Frage ganz außer Acht lassen, ob diese
"übt die richtige war. Auch Preußens Freunde können nicht leugnen, daß
^ diese Aufgabe nicht im hinlänglichen Maß erfüllt hat.

Es kamen noch andere erschwerende Umstände dazu, die wir hier noch
Mchtig berühren: die feste Ueberzeugung Oestreichs. Preußen thue nichts weiter
^ seine Schuldigkeit, wenn es ihm Heerfolge leiste; das blinde Kriegsgeschrei
^ süddeutschen Blätter, das denn doch weiter drang als man vermuthen
^te; dagegen die Abneigung der liberalen Partei, Preußen wieder^ in ein
''"tergeordnctes Verhältniß gegen Oestreich eintreten zu sehn, eine Abneigung,
^ sich in den liberalen Blättern laut aussprach und für die man irriger¬
weise das preußische Ministerium verantwortlich machte und ähnliches.

Wir lassen die Vergangenheit bei Seite und sehen, was uns die näch-
^u Tage bringen. Die reactionüren Blätter stellen die Sache so dar, als
Preußen durch den Frieden von Villafranca dem deutschen Volk entfremdet,
Unter den Mächten völlig isolirt und dazu bestimmt, zunächst von Napoleon
schlachtet zu werden. Es ist charakteristisch für diese Blätter, daß sie sich
'ehe Aussicht sehr behaglich ausmalen und sich schadenfroh die Hände reiben;
Zum Schluß kommen sie aber freilich meistens darauf zurück, daß Oestreich
^u doch am Ende Gnade für Recht ergehen lassen und sich des Verur-
^'lien und Halbtodten erbarmen werde. Am frechsten spricht das eine han-
'"oversche Flugschrift aus, die man dem Professor Pernice, zuschreibt; am
^usequeiuesten die Leipziger Zeitung.

^ Es wäre doch ein Rechnungsfehler möglich; es wäre doch möglich, daß
Östreich sejne wahren Gesinnungen zu früh enthüllt hätte. Daß England und
Rußland jetzt auf das eifrigste eine preußische Allianz suchen, ist bekannt; hat
^u aber die vermeintlichen Absichten Napoleons nicht allzu schnell sich nach
was man wünschte, construirt? Daß bei dem Frieden seine Absicht war,
-streich von Preußen zu trennen, ist ebenso sicher, als daß er diese Absicht
^'ehe hat; Oestreich hat Preußen beleidigt und für diese Beleidigung die
^'sfactian verweigert. Ueber wen bringt diese Trennung Gefahr? -- Noch
^ der Friede nicht geschlossen; noch steht Sardinien in Waffen, die Italiener
und organisiren sich; die italienische Freiheit ist in Paris populär; die
lgemeine Amnestie deutet auf eine neue politische Wendung; bei einer Er-
^"'"g des Bundes mit Sardinien wäre Frankreich der moralischen Unter-
"-'ung Englands und Rußlands gewiß; wie wäre es. wenn die Absicht des
' "'fers gegangen wäre, auch Preußen herüberzuziehen, indem es
'H'N den'"natürlichsten Bundesgenossen" demaskirte?


"r die Besorgnis daß Preußen, wenn es nicht von vornherein gegen Frank-
"'H engagirt sei, in Deutschland im Trüben fischen könne. Diese Besorgnis;
Zerstreuen, mußte für Preußen bei der Politik, die es sich gewählt, die
Hauptaufgabe sein — wobei wir die Frage ganz außer Acht lassen, ob diese
"übt die richtige war. Auch Preußens Freunde können nicht leugnen, daß
^ diese Aufgabe nicht im hinlänglichen Maß erfüllt hat.

Es kamen noch andere erschwerende Umstände dazu, die wir hier noch
Mchtig berühren: die feste Ueberzeugung Oestreichs. Preußen thue nichts weiter
^ seine Schuldigkeit, wenn es ihm Heerfolge leiste; das blinde Kriegsgeschrei
^ süddeutschen Blätter, das denn doch weiter drang als man vermuthen
^te; dagegen die Abneigung der liberalen Partei, Preußen wieder^ in ein
''"tergeordnctes Verhältniß gegen Oestreich eintreten zu sehn, eine Abneigung,
^ sich in den liberalen Blättern laut aussprach und für die man irriger¬
weise das preußische Ministerium verantwortlich machte und ähnliches.

Wir lassen die Vergangenheit bei Seite und sehen, was uns die näch-
^u Tage bringen. Die reactionüren Blätter stellen die Sache so dar, als
Preußen durch den Frieden von Villafranca dem deutschen Volk entfremdet,
Unter den Mächten völlig isolirt und dazu bestimmt, zunächst von Napoleon
schlachtet zu werden. Es ist charakteristisch für diese Blätter, daß sie sich
'ehe Aussicht sehr behaglich ausmalen und sich schadenfroh die Hände reiben;
Zum Schluß kommen sie aber freilich meistens darauf zurück, daß Oestreich
^u doch am Ende Gnade für Recht ergehen lassen und sich des Verur-
^'lien und Halbtodten erbarmen werde. Am frechsten spricht das eine han-
'"oversche Flugschrift aus, die man dem Professor Pernice, zuschreibt; am
^usequeiuesten die Leipziger Zeitung.

^ Es wäre doch ein Rechnungsfehler möglich; es wäre doch möglich, daß
Östreich sejne wahren Gesinnungen zu früh enthüllt hätte. Daß England und
Rußland jetzt auf das eifrigste eine preußische Allianz suchen, ist bekannt; hat
^u aber die vermeintlichen Absichten Napoleons nicht allzu schnell sich nach
was man wünschte, construirt? Daß bei dem Frieden seine Absicht war,
-streich von Preußen zu trennen, ist ebenso sicher, als daß er diese Absicht
^'ehe hat; Oestreich hat Preußen beleidigt und für diese Beleidigung die
^'sfactian verweigert. Ueber wen bringt diese Trennung Gefahr? — Noch
^ der Friede nicht geschlossen; noch steht Sardinien in Waffen, die Italiener
und organisiren sich; die italienische Freiheit ist in Paris populär; die
lgemeine Amnestie deutet auf eine neue politische Wendung; bei einer Er-
^"'"g des Bundes mit Sardinien wäre Frankreich der moralischen Unter-
"-'ung Englands und Rußlands gewiß; wie wäre es. wenn die Absicht des
' "'fers gegangen wäre, auch Preußen herüberzuziehen, indem es
'H'N den'„natürlichsten Bundesgenossen" demaskirte?


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[0371] "r die Besorgnis daß Preußen, wenn es nicht von vornherein gegen Frank- "'H engagirt sei, in Deutschland im Trüben fischen könne. Diese Besorgnis; Zerstreuen, mußte für Preußen bei der Politik, die es sich gewählt, die Hauptaufgabe sein — wobei wir die Frage ganz außer Acht lassen, ob diese "übt die richtige war. Auch Preußens Freunde können nicht leugnen, daß ^ diese Aufgabe nicht im hinlänglichen Maß erfüllt hat. Es kamen noch andere erschwerende Umstände dazu, die wir hier noch Mchtig berühren: die feste Ueberzeugung Oestreichs. Preußen thue nichts weiter ^ seine Schuldigkeit, wenn es ihm Heerfolge leiste; das blinde Kriegsgeschrei ^ süddeutschen Blätter, das denn doch weiter drang als man vermuthen ^te; dagegen die Abneigung der liberalen Partei, Preußen wieder^ in ein ''"tergeordnctes Verhältniß gegen Oestreich eintreten zu sehn, eine Abneigung, ^ sich in den liberalen Blättern laut aussprach und für die man irriger¬ weise das preußische Ministerium verantwortlich machte und ähnliches. Wir lassen die Vergangenheit bei Seite und sehen, was uns die näch- ^u Tage bringen. Die reactionüren Blätter stellen die Sache so dar, als Preußen durch den Frieden von Villafranca dem deutschen Volk entfremdet, Unter den Mächten völlig isolirt und dazu bestimmt, zunächst von Napoleon schlachtet zu werden. Es ist charakteristisch für diese Blätter, daß sie sich 'ehe Aussicht sehr behaglich ausmalen und sich schadenfroh die Hände reiben; Zum Schluß kommen sie aber freilich meistens darauf zurück, daß Oestreich ^u doch am Ende Gnade für Recht ergehen lassen und sich des Verur- ^'lien und Halbtodten erbarmen werde. Am frechsten spricht das eine han- '"oversche Flugschrift aus, die man dem Professor Pernice, zuschreibt; am ^usequeiuesten die Leipziger Zeitung. ^ Es wäre doch ein Rechnungsfehler möglich; es wäre doch möglich, daß Östreich sejne wahren Gesinnungen zu früh enthüllt hätte. Daß England und Rußland jetzt auf das eifrigste eine preußische Allianz suchen, ist bekannt; hat ^u aber die vermeintlichen Absichten Napoleons nicht allzu schnell sich nach was man wünschte, construirt? Daß bei dem Frieden seine Absicht war, -streich von Preußen zu trennen, ist ebenso sicher, als daß er diese Absicht ^'ehe hat; Oestreich hat Preußen beleidigt und für diese Beleidigung die ^'sfactian verweigert. Ueber wen bringt diese Trennung Gefahr? — Noch ^ der Friede nicht geschlossen; noch steht Sardinien in Waffen, die Italiener und organisiren sich; die italienische Freiheit ist in Paris populär; die lgemeine Amnestie deutet auf eine neue politische Wendung; bei einer Er- ^"'"g des Bundes mit Sardinien wäre Frankreich der moralischen Unter- "-'ung Englands und Rußlands gewiß; wie wäre es. wenn die Absicht des ' "'fers gegangen wäre, auch Preußen herüberzuziehen, indem es 'H'N den'„natürlichsten Bundesgenossen" demaskirte?

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_107585/371>, abgerufen am 26.06.2024.