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Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, II. Semester. III. Band.

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So könnte auch hier der Kaiser der Franzosen auf eine Art operiren, die,
ihm militärisch günstig. zugleich ihm gestattete, dem Kampf größere Dimen¬
sionen zu geben. Das preußische linke Rheinufer nehmen, es dann so ver¬
theilen, daß Holland den nördlichen Theil'über Aachen nach Bonn, Belgien
den südlichen Theil--einschließlich Luxemburg, welches der König von Holland
gern abtreten würde, erhält, dies wäre gar keine üble Speculation.¬

So träte Napoleon acht als Feind, sondern als Bundesgenosse von Bel
gien und Holland auf; er machte wieder nur eine moralische Eroberung für
Frankreich, aber er wäre dann später Garant der neuen Verhältnisse und
hätte einen neuen Einmischungshaken, an welchem sich gar manches auf¬
hängen ließe.

Für Preußen ergibt sich aus dieser sehr naheliegenden Betrachtung die
Lehre, einen festen Zusammenschluß mit Holland und Belgien zu suchen und
aus solche Weise künstigen Bestrebungen des Franzosentaisers zuvorzukommen-
Allianzen zu rechter Zeit schließen und sie an der richtigen Stelle schließe"-
dann aber auch, nicht blos etwa durch Heirathen, sondern vor allen Dinge"
durch Begünstigung der Interessen der verbündeten Staaten, die einem immer
selbst wieder zu Gute kommt, sie hegen, das sind Dinge der großen Politik
die über ehrlichen Kleinigkeiten nicht verabsäumt zu werden brauchen.

Wenn Preußen seine heutige Stellung im deutschell Bunde betrachtet, ^
muß es sich sagen, daß es auf diesen kaum mehr vertrauen darf. Werfe es
seine Angeln ehrlich und mit guten Absichten, aber auch kühn, ohne die
ewige Klugthuerei -- wir finden einmal keinen Ausdruck, welcher die
Sache passender bezeichnete, -- ohne sie, welche weiter nichts thut, als daß
sie von jedem positiven Handeln abhält, ins Ausland hinein, -- und es wird
auch wieder in Deutschland Terrain gewinnen, vielleicht mehr als es bis l/ente
verloren hat.

Wir für unsere Person Hütten gewünscht, daß es in dem eben beendete"
Kriege anders gekommen wäre, daß Preußen rascher gehandelt, daß es Deutsch'
land und England für Oestreich mit fortgerissen hätte, statt sich von England
zum Zögern bestimmen zu lassen. Wir hätten dies gewünscht, trotz der un¬
endlich vielen Uebelstünde, welche in Oestreich nie zu verkennen waren, und
welche der letzte Krieg wieder einmal mit aller Deutlichkeit ans Licht trete"
ließ. Aber mit Vergangenem darf man sich am wenigsten in unserm Jahr¬
hundert plagen. Thatsachen muß man anerkennen, wenn auch nur deshalb-
daß man bei Gelegenheit andere Thatsachen daraus machen könne, die eine'"
günstiger sind, als die gewesenen. Wir verzweifeln trotz alledem und alle-
dem nicht an der "civilisatorischen Mission" Preußens. Aber allerdings ^
es für uns völlig klar, daß, ein so kleiner Staat als Preußen keine Groß'
macht sein und keine Großmachtspolitik treiben kann, wenn er nicht eine an-


So könnte auch hier der Kaiser der Franzosen auf eine Art operiren, die,
ihm militärisch günstig. zugleich ihm gestattete, dem Kampf größere Dimen¬
sionen zu geben. Das preußische linke Rheinufer nehmen, es dann so ver¬
theilen, daß Holland den nördlichen Theil'über Aachen nach Bonn, Belgien
den südlichen Theil—einschließlich Luxemburg, welches der König von Holland
gern abtreten würde, erhält, dies wäre gar keine üble Speculation.¬

So träte Napoleon acht als Feind, sondern als Bundesgenosse von Bel
gien und Holland auf; er machte wieder nur eine moralische Eroberung für
Frankreich, aber er wäre dann später Garant der neuen Verhältnisse und
hätte einen neuen Einmischungshaken, an welchem sich gar manches auf¬
hängen ließe.

Für Preußen ergibt sich aus dieser sehr naheliegenden Betrachtung die
Lehre, einen festen Zusammenschluß mit Holland und Belgien zu suchen und
aus solche Weise künstigen Bestrebungen des Franzosentaisers zuvorzukommen-
Allianzen zu rechter Zeit schließen und sie an der richtigen Stelle schließe"-
dann aber auch, nicht blos etwa durch Heirathen, sondern vor allen Dinge»
durch Begünstigung der Interessen der verbündeten Staaten, die einem immer
selbst wieder zu Gute kommt, sie hegen, das sind Dinge der großen Politik
die über ehrlichen Kleinigkeiten nicht verabsäumt zu werden brauchen.

Wenn Preußen seine heutige Stellung im deutschell Bunde betrachtet, ^
muß es sich sagen, daß es auf diesen kaum mehr vertrauen darf. Werfe es
seine Angeln ehrlich und mit guten Absichten, aber auch kühn, ohne die
ewige Klugthuerei — wir finden einmal keinen Ausdruck, welcher die
Sache passender bezeichnete, — ohne sie, welche weiter nichts thut, als daß
sie von jedem positiven Handeln abhält, ins Ausland hinein, — und es wird
auch wieder in Deutschland Terrain gewinnen, vielleicht mehr als es bis l/ente
verloren hat.

Wir für unsere Person Hütten gewünscht, daß es in dem eben beendete"
Kriege anders gekommen wäre, daß Preußen rascher gehandelt, daß es Deutsch'
land und England für Oestreich mit fortgerissen hätte, statt sich von England
zum Zögern bestimmen zu lassen. Wir hätten dies gewünscht, trotz der un¬
endlich vielen Uebelstünde, welche in Oestreich nie zu verkennen waren, und
welche der letzte Krieg wieder einmal mit aller Deutlichkeit ans Licht trete"
ließ. Aber mit Vergangenem darf man sich am wenigsten in unserm Jahr¬
hundert plagen. Thatsachen muß man anerkennen, wenn auch nur deshalb-
daß man bei Gelegenheit andere Thatsachen daraus machen könne, die eine'"
günstiger sind, als die gewesenen. Wir verzweifeln trotz alledem und alle-
dem nicht an der „civilisatorischen Mission" Preußens. Aber allerdings ^
es für uns völlig klar, daß, ein so kleiner Staat als Preußen keine Groß'
macht sein und keine Großmachtspolitik treiben kann, wenn er nicht eine an-


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[0278] So könnte auch hier der Kaiser der Franzosen auf eine Art operiren, die, ihm militärisch günstig. zugleich ihm gestattete, dem Kampf größere Dimen¬ sionen zu geben. Das preußische linke Rheinufer nehmen, es dann so ver¬ theilen, daß Holland den nördlichen Theil'über Aachen nach Bonn, Belgien den südlichen Theil—einschließlich Luxemburg, welches der König von Holland gern abtreten würde, erhält, dies wäre gar keine üble Speculation.¬ So träte Napoleon acht als Feind, sondern als Bundesgenosse von Bel gien und Holland auf; er machte wieder nur eine moralische Eroberung für Frankreich, aber er wäre dann später Garant der neuen Verhältnisse und hätte einen neuen Einmischungshaken, an welchem sich gar manches auf¬ hängen ließe. Für Preußen ergibt sich aus dieser sehr naheliegenden Betrachtung die Lehre, einen festen Zusammenschluß mit Holland und Belgien zu suchen und aus solche Weise künstigen Bestrebungen des Franzosentaisers zuvorzukommen- Allianzen zu rechter Zeit schließen und sie an der richtigen Stelle schließe"- dann aber auch, nicht blos etwa durch Heirathen, sondern vor allen Dinge» durch Begünstigung der Interessen der verbündeten Staaten, die einem immer selbst wieder zu Gute kommt, sie hegen, das sind Dinge der großen Politik die über ehrlichen Kleinigkeiten nicht verabsäumt zu werden brauchen. Wenn Preußen seine heutige Stellung im deutschell Bunde betrachtet, ^ muß es sich sagen, daß es auf diesen kaum mehr vertrauen darf. Werfe es seine Angeln ehrlich und mit guten Absichten, aber auch kühn, ohne die ewige Klugthuerei — wir finden einmal keinen Ausdruck, welcher die Sache passender bezeichnete, — ohne sie, welche weiter nichts thut, als daß sie von jedem positiven Handeln abhält, ins Ausland hinein, — und es wird auch wieder in Deutschland Terrain gewinnen, vielleicht mehr als es bis l/ente verloren hat. Wir für unsere Person Hütten gewünscht, daß es in dem eben beendete" Kriege anders gekommen wäre, daß Preußen rascher gehandelt, daß es Deutsch' land und England für Oestreich mit fortgerissen hätte, statt sich von England zum Zögern bestimmen zu lassen. Wir hätten dies gewünscht, trotz der un¬ endlich vielen Uebelstünde, welche in Oestreich nie zu verkennen waren, und welche der letzte Krieg wieder einmal mit aller Deutlichkeit ans Licht trete" ließ. Aber mit Vergangenem darf man sich am wenigsten in unserm Jahr¬ hundert plagen. Thatsachen muß man anerkennen, wenn auch nur deshalb- daß man bei Gelegenheit andere Thatsachen daraus machen könne, die eine'" günstiger sind, als die gewesenen. Wir verzweifeln trotz alledem und alle- dem nicht an der „civilisatorischen Mission" Preußens. Aber allerdings ^ es für uns völlig klar, daß, ein so kleiner Staat als Preußen keine Groß' macht sein und keine Großmachtspolitik treiben kann, wenn er nicht eine an-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_107585/278>, abgerufen am 22.07.2024.