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Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, II. Semester. III. Band.

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lieferten, wobei sich namentlich zwei Schwarze und der in rothen Sammet
gekleidete Anführer durch große Gewandheit auszeichneten, dann wieder ritten
ste in regelmäßige Züge geordnet vor oder neben uns her, um sich bald dar¬
auf abermals in fechtende Gruppen aufzulösen. Die Bilder, die dieses leben¬
dige Kaleidoskop mit seinen galoppirenden Pferden, seineu fliegenden Mänteln
und Kopftüchern, seinen blitzenden Lanzenspitzen und seinen feuersprühenden
Pistolen und Karabinern vor uns vorübereilen ließ, waren Wouvermanns ins
Sarazenische übersetzt, denen sich um so befriedigter zuschauen ließ, als die
erste Figur, die sie dargestellt, eine solche Verwandlung eines Näuberhausens
w friedliche Kunstreiter nicht hatte ahnen lassen.

Sie begleiteten uns bis zu einer Stelle am Eingang in die Berge, wo
von der steinigen Höhe links vom Wege das Dörfchen Kubab herabsieht.
Natürlich erwarteten sie dafür ein Backschisch. und ich hoffe, daß es ihnen
gereicht worden ist.

Die Beschwerlichkeiten des Weges über das Gebirge sind von manchen
sehr übertrieben worden. Von einer eigentlichen Straße ist allerdings nicht
die Rede, und häusig ist der Pfad, der bald an tiefen Abgründen hinführt,
bald steile Rücken erklettert, bald im trocknen Bett eines Negenbachs hinläufr.
Felsgeröll und Wurzelwerk die Schritte hemmen, ein bloßer schmaler Ziegen-
stcig. Gefahr aber ist, da die Pferde und Maulthiere von klein auf an solche
Klettcrpartien gewöhnt sind, nirgend vorhanden. Da die Berge aus Kalk¬
stein bestehen, so ist der Charakter der Landschaft dem von Attika und den
östlichen Theilen des Peloponnes ähnlich, nur schienen mir die einzelnen Kup¬
pen und Kämme mehr gerundet, und seltner als dort sah ich schroffe Würde.
Die vorherrschende Farbe ist ein fahles Grau, die spärliche Vegetation besteht
"us Büschen von Wachholder und Stacheleichen, einigen Johannisbrot"- und
Erdbeersträuchen und da. wo Dörfer in der Nähe sind, Hainen von Oliven¬
bäumen.

Recht gut nahmen sich in dieser fast einfarbigen Bergwüste die bunten
Piigerkaravanen aus. die sich uns auch diesen Tag wiederholt entgegenschlan¬
gelten. Seltsam klang es, als ein türkisch gekleideter Dragoman. der. ein
Kameel reitend, zwei Engländer, die ebenso beritten waren, von Kairo nach
Jerusalem führte, mich beim Vorüberziehen auf deutsch fragte, ob die Straße
letzt sicher sei. Nicht lange darauf aber trafen wir mit einem ganzen Zug
v°n Pilgern zusammen, welche die Sprache der Heimath redeten. Es war
die östreichische Osterkaravane. welche, neunzehn Mann stark und me.se aus
Böhmen bestehend, von einer Tour durch das heilige Land zurückkehrte. Sie
zählte unter ihren Mitgliedern einen Major von der Cavalene. ewige wohl¬
habende Handwerker, vorzüglich aber Geistliche, die sich mit ihren Tonsuren,
'dren langschöhigen schwarzen Röcken und ihren kanonischen Steifstiefeln in


lieferten, wobei sich namentlich zwei Schwarze und der in rothen Sammet
gekleidete Anführer durch große Gewandheit auszeichneten, dann wieder ritten
ste in regelmäßige Züge geordnet vor oder neben uns her, um sich bald dar¬
auf abermals in fechtende Gruppen aufzulösen. Die Bilder, die dieses leben¬
dige Kaleidoskop mit seinen galoppirenden Pferden, seineu fliegenden Mänteln
und Kopftüchern, seinen blitzenden Lanzenspitzen und seinen feuersprühenden
Pistolen und Karabinern vor uns vorübereilen ließ, waren Wouvermanns ins
Sarazenische übersetzt, denen sich um so befriedigter zuschauen ließ, als die
erste Figur, die sie dargestellt, eine solche Verwandlung eines Näuberhausens
w friedliche Kunstreiter nicht hatte ahnen lassen.

Sie begleiteten uns bis zu einer Stelle am Eingang in die Berge, wo
von der steinigen Höhe links vom Wege das Dörfchen Kubab herabsieht.
Natürlich erwarteten sie dafür ein Backschisch. und ich hoffe, daß es ihnen
gereicht worden ist.

Die Beschwerlichkeiten des Weges über das Gebirge sind von manchen
sehr übertrieben worden. Von einer eigentlichen Straße ist allerdings nicht
die Rede, und häusig ist der Pfad, der bald an tiefen Abgründen hinführt,
bald steile Rücken erklettert, bald im trocknen Bett eines Negenbachs hinläufr.
Felsgeröll und Wurzelwerk die Schritte hemmen, ein bloßer schmaler Ziegen-
stcig. Gefahr aber ist, da die Pferde und Maulthiere von klein auf an solche
Klettcrpartien gewöhnt sind, nirgend vorhanden. Da die Berge aus Kalk¬
stein bestehen, so ist der Charakter der Landschaft dem von Attika und den
östlichen Theilen des Peloponnes ähnlich, nur schienen mir die einzelnen Kup¬
pen und Kämme mehr gerundet, und seltner als dort sah ich schroffe Würde.
Die vorherrschende Farbe ist ein fahles Grau, die spärliche Vegetation besteht
"us Büschen von Wachholder und Stacheleichen, einigen Johannisbrot»- und
Erdbeersträuchen und da. wo Dörfer in der Nähe sind, Hainen von Oliven¬
bäumen.

Recht gut nahmen sich in dieser fast einfarbigen Bergwüste die bunten
Piigerkaravanen aus. die sich uns auch diesen Tag wiederholt entgegenschlan¬
gelten. Seltsam klang es, als ein türkisch gekleideter Dragoman. der. ein
Kameel reitend, zwei Engländer, die ebenso beritten waren, von Kairo nach
Jerusalem führte, mich beim Vorüberziehen auf deutsch fragte, ob die Straße
letzt sicher sei. Nicht lange darauf aber trafen wir mit einem ganzen Zug
v°n Pilgern zusammen, welche die Sprache der Heimath redeten. Es war
die östreichische Osterkaravane. welche, neunzehn Mann stark und me.se aus
Böhmen bestehend, von einer Tour durch das heilige Land zurückkehrte. Sie
zählte unter ihren Mitgliedern einen Major von der Cavalene. ewige wohl¬
habende Handwerker, vorzüglich aber Geistliche, die sich mit ihren Tonsuren,
'dren langschöhigen schwarzen Röcken und ihren kanonischen Steifstiefeln in


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[0273] lieferten, wobei sich namentlich zwei Schwarze und der in rothen Sammet gekleidete Anführer durch große Gewandheit auszeichneten, dann wieder ritten ste in regelmäßige Züge geordnet vor oder neben uns her, um sich bald dar¬ auf abermals in fechtende Gruppen aufzulösen. Die Bilder, die dieses leben¬ dige Kaleidoskop mit seinen galoppirenden Pferden, seineu fliegenden Mänteln und Kopftüchern, seinen blitzenden Lanzenspitzen und seinen feuersprühenden Pistolen und Karabinern vor uns vorübereilen ließ, waren Wouvermanns ins Sarazenische übersetzt, denen sich um so befriedigter zuschauen ließ, als die erste Figur, die sie dargestellt, eine solche Verwandlung eines Näuberhausens w friedliche Kunstreiter nicht hatte ahnen lassen. Sie begleiteten uns bis zu einer Stelle am Eingang in die Berge, wo von der steinigen Höhe links vom Wege das Dörfchen Kubab herabsieht. Natürlich erwarteten sie dafür ein Backschisch. und ich hoffe, daß es ihnen gereicht worden ist. Die Beschwerlichkeiten des Weges über das Gebirge sind von manchen sehr übertrieben worden. Von einer eigentlichen Straße ist allerdings nicht die Rede, und häusig ist der Pfad, der bald an tiefen Abgründen hinführt, bald steile Rücken erklettert, bald im trocknen Bett eines Negenbachs hinläufr. Felsgeröll und Wurzelwerk die Schritte hemmen, ein bloßer schmaler Ziegen- stcig. Gefahr aber ist, da die Pferde und Maulthiere von klein auf an solche Klettcrpartien gewöhnt sind, nirgend vorhanden. Da die Berge aus Kalk¬ stein bestehen, so ist der Charakter der Landschaft dem von Attika und den östlichen Theilen des Peloponnes ähnlich, nur schienen mir die einzelnen Kup¬ pen und Kämme mehr gerundet, und seltner als dort sah ich schroffe Würde. Die vorherrschende Farbe ist ein fahles Grau, die spärliche Vegetation besteht "us Büschen von Wachholder und Stacheleichen, einigen Johannisbrot»- und Erdbeersträuchen und da. wo Dörfer in der Nähe sind, Hainen von Oliven¬ bäumen. Recht gut nahmen sich in dieser fast einfarbigen Bergwüste die bunten Piigerkaravanen aus. die sich uns auch diesen Tag wiederholt entgegenschlan¬ gelten. Seltsam klang es, als ein türkisch gekleideter Dragoman. der. ein Kameel reitend, zwei Engländer, die ebenso beritten waren, von Kairo nach Jerusalem führte, mich beim Vorüberziehen auf deutsch fragte, ob die Straße letzt sicher sei. Nicht lange darauf aber trafen wir mit einem ganzen Zug v°n Pilgern zusammen, welche die Sprache der Heimath redeten. Es war die östreichische Osterkaravane. welche, neunzehn Mann stark und me.se aus Böhmen bestehend, von einer Tour durch das heilige Land zurückkehrte. Sie zählte unter ihren Mitgliedern einen Major von der Cavalene. ewige wohl¬ habende Handwerker, vorzüglich aber Geistliche, die sich mit ihren Tonsuren, 'dren langschöhigen schwarzen Röcken und ihren kanonischen Steifstiefeln in

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_107585/273>, abgerufen am 25.08.2024.