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Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, II. Semester. III. Band.

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hinauszutreten, und es ist möglich, daß Napoleon sich darum gar nicht be¬
kümmert, schon deshalb, weil er an einem andern Punkte viel Wichtigeres
zu thun hat. , Aber Napoleon hat sich durchaus nicht sür Rußland verbürgt,
und Rußland kann nun sich der Italiener annehmen und die ungarische Legion,
welche in Sardinien geworben ist, kann dann einen ganz andern Kriegsschau¬
platz finden, als jenen in Italien. Schließlich aber ist es noch gar nicht aus¬
gemacht, ob nicht auch Napoleon den Italienern wiederum beispringt, so¬
bald es ihm gelungen ist, auf dem bewußten andern Punkte seine Vortheile
zu ziehen und die Ordnung am Rhein in seinein Interesse herzustellen. Ja
die Ereignisse werden ihm dann wol das Recht zu dem Ausspruch bereits ge¬
geben haben: "Ich glaubte, man könne unter den Bedingungen des Friedens
von Villafranca die Oestreicher noch in Venetien lassen; es ist durch die That¬
sachen bewiesen, daß dies doch nicht angeht."

Die wesentlichen Bestimmungen des Präliminarfriedens von Villafranca
sind diese: Der Kaiser von Oestreich tritt an den Kaiser der Franzosen die
Lombardei ab bis zu einer Linie, die am Gardasee auf dem westlichsten
Rayon der Festung Peschiera beginnt, diesem zuerst, dann dem rechten Ufer^
des Mincio bis le Grazie (westlich von Curtatone) folgt, dann nach Scorzarolo
am Po und längs diesem Flusse nach Luzzara geht. Der Kaiser der Franzosen
übergibt den ihm abgetretenen Theil der Lombardei dem König von Sar¬
dinien. Venetien mit demjenigen Theil der Lombardei, welcher zusolge obiger-
Begrenzung nicht abgetreten ist. bleibt bei Oestreich, doch unter abgesonderter
Verwaltung. Sonst wird in den Territorialverhältnissen der italischen Halb¬
insel nichts geändert. Der Großherzog von Toscana und der Herzog von
Modena kehren in ihre Staaten zurück; -- vielleicht auch die Herzogin von
Parma. Ganz Italien, einschließlich Venetiens, bildet einen Staatenbund.
Der Papst ist Ehrenpräsident dieses Bundes. Es wird eine allgemeine Am¬
nestie erlassen. Dies ist der Präliminarfriede. Daß die Italiener mit ihm
nickt zufrieden sind, versteht sich von selbst. Die Herzogthümer sollen ihre
alten Fürsten zurücknehmen, die sie eben erst vertrieben haben. Die Legationen
sollen der ganzen päpstlichen Wirthschaft, welcher sie sich längst zu entziehen
gewünscht haben, unterworfen bleiben. Was werden diese Länder dazu sagen?
Die Herrscher von Toscana sollen allerdings nicht durch fremde Truppen wie¬
der in ihre Staaten zurückgeführt werden, aber vielleicht durch italienische-
vielleicht durch eine aus Piemontesen und Venetianern (Oestreichern) combinirte
Executionsarmee.

Venetien soll zum italischen Staatenbund dieselbe Stellung erhalten, wie
etwa Holstein zum deutschen. Nun wir wissen, wie Dänemark diese Stellung
in Bezug auf Holstein angesehen hat; das mächtigere Oestreich möchte mol
Grund haben, in dieser Beziehung mit dem italischen Venetien noch anders


hinauszutreten, und es ist möglich, daß Napoleon sich darum gar nicht be¬
kümmert, schon deshalb, weil er an einem andern Punkte viel Wichtigeres
zu thun hat. , Aber Napoleon hat sich durchaus nicht sür Rußland verbürgt,
und Rußland kann nun sich der Italiener annehmen und die ungarische Legion,
welche in Sardinien geworben ist, kann dann einen ganz andern Kriegsschau¬
platz finden, als jenen in Italien. Schließlich aber ist es noch gar nicht aus¬
gemacht, ob nicht auch Napoleon den Italienern wiederum beispringt, so¬
bald es ihm gelungen ist, auf dem bewußten andern Punkte seine Vortheile
zu ziehen und die Ordnung am Rhein in seinein Interesse herzustellen. Ja
die Ereignisse werden ihm dann wol das Recht zu dem Ausspruch bereits ge¬
geben haben: „Ich glaubte, man könne unter den Bedingungen des Friedens
von Villafranca die Oestreicher noch in Venetien lassen; es ist durch die That¬
sachen bewiesen, daß dies doch nicht angeht."

Die wesentlichen Bestimmungen des Präliminarfriedens von Villafranca
sind diese: Der Kaiser von Oestreich tritt an den Kaiser der Franzosen die
Lombardei ab bis zu einer Linie, die am Gardasee auf dem westlichsten
Rayon der Festung Peschiera beginnt, diesem zuerst, dann dem rechten Ufer^
des Mincio bis le Grazie (westlich von Curtatone) folgt, dann nach Scorzarolo
am Po und längs diesem Flusse nach Luzzara geht. Der Kaiser der Franzosen
übergibt den ihm abgetretenen Theil der Lombardei dem König von Sar¬
dinien. Venetien mit demjenigen Theil der Lombardei, welcher zusolge obiger-
Begrenzung nicht abgetreten ist. bleibt bei Oestreich, doch unter abgesonderter
Verwaltung. Sonst wird in den Territorialverhältnissen der italischen Halb¬
insel nichts geändert. Der Großherzog von Toscana und der Herzog von
Modena kehren in ihre Staaten zurück; — vielleicht auch die Herzogin von
Parma. Ganz Italien, einschließlich Venetiens, bildet einen Staatenbund.
Der Papst ist Ehrenpräsident dieses Bundes. Es wird eine allgemeine Am¬
nestie erlassen. Dies ist der Präliminarfriede. Daß die Italiener mit ihm
nickt zufrieden sind, versteht sich von selbst. Die Herzogthümer sollen ihre
alten Fürsten zurücknehmen, die sie eben erst vertrieben haben. Die Legationen
sollen der ganzen päpstlichen Wirthschaft, welcher sie sich längst zu entziehen
gewünscht haben, unterworfen bleiben. Was werden diese Länder dazu sagen?
Die Herrscher von Toscana sollen allerdings nicht durch fremde Truppen wie¬
der in ihre Staaten zurückgeführt werden, aber vielleicht durch italienische-
vielleicht durch eine aus Piemontesen und Venetianern (Oestreichern) combinirte
Executionsarmee.

Venetien soll zum italischen Staatenbund dieselbe Stellung erhalten, wie
etwa Holstein zum deutschen. Nun wir wissen, wie Dänemark diese Stellung
in Bezug auf Holstein angesehen hat; das mächtigere Oestreich möchte mol
Grund haben, in dieser Beziehung mit dem italischen Venetien noch anders


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_107585/236>, abgerufen am 26.06.2024.