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Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, II. Semester. III. Band.

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der Leibbinden, Talare und Turbane, der silberbeschlagenen Pistolen, Säbel
und Uataghane, der mit Sternen und Blumen gezierten Reitpolster, Bettdecken
und Satteltaschen, der Teppiche und Sacke, der philisterhafte rothbaumwollne
Regenschirm aus, unter dem der eine und der andere Muselmann seine Pfeife
rauchte, ebenso eigenthümlich das blaugedruckte Taschentuch, mit dem dieser
und jener bezeugte, daß auch an ihm die abendländische Cultur gearbeitet.
Einen guten Eindruck machte die Gefälligkeit, mit welcher die Männer für die
Bedürfnisse ihrer Frauen sorgten, und sehr würdevoll und feierlich sah es aus,
wenn sie, sobald die Stunde zum Gebet gekommen war, mit ihren Taschen-
compassen die Richtung von Mekka suchten, ihre Mäntel vor sich ausbreiteten,
die Schuhe auszogen und zuerst in der Stellung Mosis, als er das Volk seg¬
nete, dann gebeugt, dann knieend und zuletzt mit der Stirn am Boden un¬
bekümmert um die Ungläubigen ihre Andacht verrichteten. Ich hatte Araber
in Aegypten mitten in der grünen Saat dasselbe thun sehen, hier auf der
See erschien mir der fromme Gebrauch noch erbaulicher und rührender, und
unwillkürlich legte ich die Cigarre weg, wenn ich bemerkte, daß sie ihre Vor¬
bereitungen trafen.

Es waren schöne Abende,^ wenn die Moslemin ihr Gebet vollendet und
ich dann sinnend und träumend .auf dem Deck saß und die Sonne sinken sah.
Ich schloß die Augen, hörte das leise Rauschen des Meeres, das Arbeiten des
Schaufelrades, das Knistern und Knacken des Schiffsgebäikcs und dachte an
die ferne Heimath, wo ein Bach auch so rauschte, ein Mühlrad auch so ging.
Und öffnete ich dann die Augen, so war auch der Himmel mit den deutschen
Sternen da, der Bür und der Orion mit seinem Gürtel, der Abendstern und
die Plejaden, und ich ging im Geiste unter ihnen hin mit den Freunden, bis
-sie versanken und der aufsteigende Mond mir verkündete, daß es Zeit sei, Ruhe
zu suchen.

Am 19. Morgens sieben Uhr zeigte sich endlich am Horizont das niedrige
Gestade von Aegypten und der Leuchtthurm von Alexandrien, und bald nach¬
her waren auch die Säule des Pompejus, die Nadel der Kleopatra und mehre
Minarets zu erkennen. Das bunte Volk unter dem Zelt des Verdecks regte
sich, schnürte sein Bündel und thürmte Hausen von gestickten Säcken und Bast¬
körben auf, der Landung gewärtig. Alles freute sich des nahen Gestades.
Nur wir Jerusalemspilger nicht, da uns die Vorschriften der Quarantäne in
Syrien das Betreten ägyptischen Bodens versagten.

Die Stad^ wurde immer deutlicher. Ich erkannte das grüne Wächter¬
bauschen auf der Spitze des Leuchtthurms. Der arabische Lootse kam an
Vord/und wir schwenkten in die Bucht ein, welche von der Landzunge mit
dem Pharus gebildet wird. Rechts erschien das wohlbekannte gelbe baumlose
Ufer mit den zahllosen Windmühlen, dem verlassenen Kuppelpalast und dem '


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der Leibbinden, Talare und Turbane, der silberbeschlagenen Pistolen, Säbel
und Uataghane, der mit Sternen und Blumen gezierten Reitpolster, Bettdecken
und Satteltaschen, der Teppiche und Sacke, der philisterhafte rothbaumwollne
Regenschirm aus, unter dem der eine und der andere Muselmann seine Pfeife
rauchte, ebenso eigenthümlich das blaugedruckte Taschentuch, mit dem dieser
und jener bezeugte, daß auch an ihm die abendländische Cultur gearbeitet.
Einen guten Eindruck machte die Gefälligkeit, mit welcher die Männer für die
Bedürfnisse ihrer Frauen sorgten, und sehr würdevoll und feierlich sah es aus,
wenn sie, sobald die Stunde zum Gebet gekommen war, mit ihren Taschen-
compassen die Richtung von Mekka suchten, ihre Mäntel vor sich ausbreiteten,
die Schuhe auszogen und zuerst in der Stellung Mosis, als er das Volk seg¬
nete, dann gebeugt, dann knieend und zuletzt mit der Stirn am Boden un¬
bekümmert um die Ungläubigen ihre Andacht verrichteten. Ich hatte Araber
in Aegypten mitten in der grünen Saat dasselbe thun sehen, hier auf der
See erschien mir der fromme Gebrauch noch erbaulicher und rührender, und
unwillkürlich legte ich die Cigarre weg, wenn ich bemerkte, daß sie ihre Vor¬
bereitungen trafen.

Es waren schöne Abende,^ wenn die Moslemin ihr Gebet vollendet und
ich dann sinnend und träumend .auf dem Deck saß und die Sonne sinken sah.
Ich schloß die Augen, hörte das leise Rauschen des Meeres, das Arbeiten des
Schaufelrades, das Knistern und Knacken des Schiffsgebäikcs und dachte an
die ferne Heimath, wo ein Bach auch so rauschte, ein Mühlrad auch so ging.
Und öffnete ich dann die Augen, so war auch der Himmel mit den deutschen
Sternen da, der Bür und der Orion mit seinem Gürtel, der Abendstern und
die Plejaden, und ich ging im Geiste unter ihnen hin mit den Freunden, bis
-sie versanken und der aufsteigende Mond mir verkündete, daß es Zeit sei, Ruhe
zu suchen.

Am 19. Morgens sieben Uhr zeigte sich endlich am Horizont das niedrige
Gestade von Aegypten und der Leuchtthurm von Alexandrien, und bald nach¬
her waren auch die Säule des Pompejus, die Nadel der Kleopatra und mehre
Minarets zu erkennen. Das bunte Volk unter dem Zelt des Verdecks regte
sich, schnürte sein Bündel und thürmte Hausen von gestickten Säcken und Bast¬
körben auf, der Landung gewärtig. Alles freute sich des nahen Gestades.
Nur wir Jerusalemspilger nicht, da uns die Vorschriften der Quarantäne in
Syrien das Betreten ägyptischen Bodens versagten.

Die Stad^ wurde immer deutlicher. Ich erkannte das grüne Wächter¬
bauschen auf der Spitze des Leuchtthurms. Der arabische Lootse kam an
Vord/und wir schwenkten in die Bucht ein, welche von der Landzunge mit
dem Pharus gebildet wird. Rechts erschien das wohlbekannte gelbe baumlose
Ufer mit den zahllosen Windmühlen, dem verlassenen Kuppelpalast und dem '


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[0225] der Leibbinden, Talare und Turbane, der silberbeschlagenen Pistolen, Säbel und Uataghane, der mit Sternen und Blumen gezierten Reitpolster, Bettdecken und Satteltaschen, der Teppiche und Sacke, der philisterhafte rothbaumwollne Regenschirm aus, unter dem der eine und der andere Muselmann seine Pfeife rauchte, ebenso eigenthümlich das blaugedruckte Taschentuch, mit dem dieser und jener bezeugte, daß auch an ihm die abendländische Cultur gearbeitet. Einen guten Eindruck machte die Gefälligkeit, mit welcher die Männer für die Bedürfnisse ihrer Frauen sorgten, und sehr würdevoll und feierlich sah es aus, wenn sie, sobald die Stunde zum Gebet gekommen war, mit ihren Taschen- compassen die Richtung von Mekka suchten, ihre Mäntel vor sich ausbreiteten, die Schuhe auszogen und zuerst in der Stellung Mosis, als er das Volk seg¬ nete, dann gebeugt, dann knieend und zuletzt mit der Stirn am Boden un¬ bekümmert um die Ungläubigen ihre Andacht verrichteten. Ich hatte Araber in Aegypten mitten in der grünen Saat dasselbe thun sehen, hier auf der See erschien mir der fromme Gebrauch noch erbaulicher und rührender, und unwillkürlich legte ich die Cigarre weg, wenn ich bemerkte, daß sie ihre Vor¬ bereitungen trafen. Es waren schöne Abende,^ wenn die Moslemin ihr Gebet vollendet und ich dann sinnend und träumend .auf dem Deck saß und die Sonne sinken sah. Ich schloß die Augen, hörte das leise Rauschen des Meeres, das Arbeiten des Schaufelrades, das Knistern und Knacken des Schiffsgebäikcs und dachte an die ferne Heimath, wo ein Bach auch so rauschte, ein Mühlrad auch so ging. Und öffnete ich dann die Augen, so war auch der Himmel mit den deutschen Sternen da, der Bür und der Orion mit seinem Gürtel, der Abendstern und die Plejaden, und ich ging im Geiste unter ihnen hin mit den Freunden, bis -sie versanken und der aufsteigende Mond mir verkündete, daß es Zeit sei, Ruhe zu suchen. Am 19. Morgens sieben Uhr zeigte sich endlich am Horizont das niedrige Gestade von Aegypten und der Leuchtthurm von Alexandrien, und bald nach¬ her waren auch die Säule des Pompejus, die Nadel der Kleopatra und mehre Minarets zu erkennen. Das bunte Volk unter dem Zelt des Verdecks regte sich, schnürte sein Bündel und thürmte Hausen von gestickten Säcken und Bast¬ körben auf, der Landung gewärtig. Alles freute sich des nahen Gestades. Nur wir Jerusalemspilger nicht, da uns die Vorschriften der Quarantäne in Syrien das Betreten ägyptischen Bodens versagten. Die Stad^ wurde immer deutlicher. Ich erkannte das grüne Wächter¬ bauschen auf der Spitze des Leuchtthurms. Der arabische Lootse kam an Vord/und wir schwenkten in die Bucht ein, welche von der Landzunge mit dem Pharus gebildet wird. Rechts erschien das wohlbekannte gelbe baumlose Ufer mit den zahllosen Windmühlen, dem verlassenen Kuppelpalast und dem ' 27*

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_107585/225>, abgerufen am 22.07.2024.