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Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, II. Semester. III. Band.

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ehr Wesen trieben. Die Marienkirche erfreut durch reiche Ornamentik, durch
Bildwerke von Wohlgemuth und ein naives Gemälde von Cranach.

Zwickau gehört zu den ältesten Orten Sachsens. Von den Sorben ge¬
gründet, war es schon im frühen Mittelalter eine bedeutende Handels- und
^werbsstadt. Es war eine Hauptstation der Handelsstraße, welche den
^uden Deutschlands mit dem Norden verband, und im vierzehnten Jahr¬
hundert arbeiteten hier zahlreiche Messerschmiede und gegen sechshundert Tuch¬
macher. Ein neuer Seeweg ließ Zwickau wie manchen andern Stapelplatz
^einsamen, die Tuchmacherei zog sich allmälig nach andern Orten.

Vor dreißig Jahren noch war Zwickau eine schlichte Kleinstadt von et-
^as über sechstausend Einwohnern. Die Gewerbe beschränkten sich mit ihrer
Pwduction fast ausschließlich auf die Bedürfnisse der Stadt selbst und ihrer
Ochsten Umgebung. Der Feldbau schien unentbehrliches Nebengeschäft der
Handwerker. Ein Neubau war eine Seltenheit, und in den stillen Gassen
^uchs Gras zwischen dem holprigen Pflaster. Anders die Gegenwart. Die
Mwohnerzahl hat sich binnen einem Vierteljahrhundert verdreifacht. Neue
"aßen, neue Stadttheile sind entstanden, neue bedeutende Geschäfte entste¬
llt mit jedem Jahre. Statt der dürftigen Oellampenbeleuchtung der Gassen
'? lchon seit Jahren Gas eingeführt. An dein stattlichen Bahnhofe halten
Mes zwölf gewaltige Wagenzüge. Der Preis der Grundstücke, der Bauplätze
Mietwohnungen ist in einem Grade gestiegen, der an amerikanische Ver-
^ltnisse grenzt. Die Preise der landwirtschaftlichen Erzeugnisse sind groß-
gotisch hgch Zwickau erfreut sich mit einem Wort einer Blüte, wie sie
^ Erzgebirge seit der Zeit, wo reiche Bergherren ihre Fürsten an Tischen
gediegenem Silber bewirtheten, nicht wieder erlebt hat.

Und auch jetzt ist es die Tiefe der Erde, welcher dieser Reichthum enl-
g^n ist Bevölkerung der zwickauer Gegend gleicht einem Manne, der
^ Schatz gefunden hat. Sie nützt die in dem flachen Muldebecken zusam-
^geschwemmten und zum Theil mit thurmhohen Schutt bedeckten Stämme
urweltlichen Waldes. Es ist mit andern Worten der Steinkohlenberg-
"u. welcher Zwickau so überraschend ausblühen ließ. Daß dieselben in der
vehriung wie jetzt nicht schon frühzeitig verwendet wurden, lag an ver¬
gebenen Ursachen.

Die Brauchbarkeit der beim Dorfe Planitz nur von wenigen Zollen Erde
evesten "Rasenkohlen" war hier vielleicht früher bekannt als in England.
^ wurden möglicherweise bereits von den alten Sorben, sicher aber schon
-e? ^" Zwickauer Schmieden des vierzehnten Jahrhunderts benutzt. Im sieb¬
enten versendete man sie bis Leipzig und noch weiter an Feuerarbeiter.
^ andern Leuten damals nicht verwendet wurden, so ist das be-
Mch, wenn man weiß, daß zu Luthers Zeit die Klafter weiches Holz in


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ehr Wesen trieben. Die Marienkirche erfreut durch reiche Ornamentik, durch
Bildwerke von Wohlgemuth und ein naives Gemälde von Cranach.

Zwickau gehört zu den ältesten Orten Sachsens. Von den Sorben ge¬
gründet, war es schon im frühen Mittelalter eine bedeutende Handels- und
^werbsstadt. Es war eine Hauptstation der Handelsstraße, welche den
^uden Deutschlands mit dem Norden verband, und im vierzehnten Jahr¬
hundert arbeiteten hier zahlreiche Messerschmiede und gegen sechshundert Tuch¬
macher. Ein neuer Seeweg ließ Zwickau wie manchen andern Stapelplatz
^einsamen, die Tuchmacherei zog sich allmälig nach andern Orten.

Vor dreißig Jahren noch war Zwickau eine schlichte Kleinstadt von et-
^as über sechstausend Einwohnern. Die Gewerbe beschränkten sich mit ihrer
Pwduction fast ausschließlich auf die Bedürfnisse der Stadt selbst und ihrer
Ochsten Umgebung. Der Feldbau schien unentbehrliches Nebengeschäft der
Handwerker. Ein Neubau war eine Seltenheit, und in den stillen Gassen
^uchs Gras zwischen dem holprigen Pflaster. Anders die Gegenwart. Die
Mwohnerzahl hat sich binnen einem Vierteljahrhundert verdreifacht. Neue
"aßen, neue Stadttheile sind entstanden, neue bedeutende Geschäfte entste¬
llt mit jedem Jahre. Statt der dürftigen Oellampenbeleuchtung der Gassen
'? lchon seit Jahren Gas eingeführt. An dein stattlichen Bahnhofe halten
Mes zwölf gewaltige Wagenzüge. Der Preis der Grundstücke, der Bauplätze
Mietwohnungen ist in einem Grade gestiegen, der an amerikanische Ver-
^ltnisse grenzt. Die Preise der landwirtschaftlichen Erzeugnisse sind groß-
gotisch hgch Zwickau erfreut sich mit einem Wort einer Blüte, wie sie
^ Erzgebirge seit der Zeit, wo reiche Bergherren ihre Fürsten an Tischen
gediegenem Silber bewirtheten, nicht wieder erlebt hat.

Und auch jetzt ist es die Tiefe der Erde, welcher dieser Reichthum enl-
g^n ist Bevölkerung der zwickauer Gegend gleicht einem Manne, der
^ Schatz gefunden hat. Sie nützt die in dem flachen Muldebecken zusam-
^geschwemmten und zum Theil mit thurmhohen Schutt bedeckten Stämme
urweltlichen Waldes. Es ist mit andern Worten der Steinkohlenberg-
"u. welcher Zwickau so überraschend ausblühen ließ. Daß dieselben in der
vehriung wie jetzt nicht schon frühzeitig verwendet wurden, lag an ver¬
gebenen Ursachen.

Die Brauchbarkeit der beim Dorfe Planitz nur von wenigen Zollen Erde
evesten „Rasenkohlen" war hier vielleicht früher bekannt als in England.
^ wurden möglicherweise bereits von den alten Sorben, sicher aber schon
-e? ^" Zwickauer Schmieden des vierzehnten Jahrhunderts benutzt. Im sieb¬
enten versendete man sie bis Leipzig und noch weiter an Feuerarbeiter.
^ andern Leuten damals nicht verwendet wurden, so ist das be-
Mch, wenn man weiß, daß zu Luthers Zeit die Klafter weiches Holz in


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[0193] ehr Wesen trieben. Die Marienkirche erfreut durch reiche Ornamentik, durch Bildwerke von Wohlgemuth und ein naives Gemälde von Cranach. Zwickau gehört zu den ältesten Orten Sachsens. Von den Sorben ge¬ gründet, war es schon im frühen Mittelalter eine bedeutende Handels- und ^werbsstadt. Es war eine Hauptstation der Handelsstraße, welche den ^uden Deutschlands mit dem Norden verband, und im vierzehnten Jahr¬ hundert arbeiteten hier zahlreiche Messerschmiede und gegen sechshundert Tuch¬ macher. Ein neuer Seeweg ließ Zwickau wie manchen andern Stapelplatz ^einsamen, die Tuchmacherei zog sich allmälig nach andern Orten. Vor dreißig Jahren noch war Zwickau eine schlichte Kleinstadt von et- ^as über sechstausend Einwohnern. Die Gewerbe beschränkten sich mit ihrer Pwduction fast ausschließlich auf die Bedürfnisse der Stadt selbst und ihrer Ochsten Umgebung. Der Feldbau schien unentbehrliches Nebengeschäft der Handwerker. Ein Neubau war eine Seltenheit, und in den stillen Gassen ^uchs Gras zwischen dem holprigen Pflaster. Anders die Gegenwart. Die Mwohnerzahl hat sich binnen einem Vierteljahrhundert verdreifacht. Neue "aßen, neue Stadttheile sind entstanden, neue bedeutende Geschäfte entste¬ llt mit jedem Jahre. Statt der dürftigen Oellampenbeleuchtung der Gassen '? lchon seit Jahren Gas eingeführt. An dein stattlichen Bahnhofe halten Mes zwölf gewaltige Wagenzüge. Der Preis der Grundstücke, der Bauplätze Mietwohnungen ist in einem Grade gestiegen, der an amerikanische Ver- ^ltnisse grenzt. Die Preise der landwirtschaftlichen Erzeugnisse sind groß- gotisch hgch Zwickau erfreut sich mit einem Wort einer Blüte, wie sie ^ Erzgebirge seit der Zeit, wo reiche Bergherren ihre Fürsten an Tischen gediegenem Silber bewirtheten, nicht wieder erlebt hat. Und auch jetzt ist es die Tiefe der Erde, welcher dieser Reichthum enl- g^n ist Bevölkerung der zwickauer Gegend gleicht einem Manne, der ^ Schatz gefunden hat. Sie nützt die in dem flachen Muldebecken zusam- ^geschwemmten und zum Theil mit thurmhohen Schutt bedeckten Stämme urweltlichen Waldes. Es ist mit andern Worten der Steinkohlenberg- "u. welcher Zwickau so überraschend ausblühen ließ. Daß dieselben in der vehriung wie jetzt nicht schon frühzeitig verwendet wurden, lag an ver¬ gebenen Ursachen. Die Brauchbarkeit der beim Dorfe Planitz nur von wenigen Zollen Erde evesten „Rasenkohlen" war hier vielleicht früher bekannt als in England. ^ wurden möglicherweise bereits von den alten Sorben, sicher aber schon -e? ^" Zwickauer Schmieden des vierzehnten Jahrhunderts benutzt. Im sieb¬ enten versendete man sie bis Leipzig und noch weiter an Feuerarbeiter. ^ andern Leuten damals nicht verwendet wurden, so ist das be- Mch, wenn man weiß, daß zu Luthers Zeit die Klafter weiches Holz in 23*

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_107585/193>, abgerufen am 28.12.2024.