Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, II. Semester. III. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

b"r u, Deutschland die Maschine, welche am meisten dazu beigetragen hat,
'e Menschenhand durch Mechanik zu ersetzen. In, Jahre 179" wurde in
Harthau hei Chemnitz die erste Arkwrightsche Spinnmaschine durch Engländer
Aufgestellt. Die chcmnitzcr Maschinenspinnerei verdankt ihr Aufkommen zum
Theil dem blinden Glück. Nur durch die ebenso thörichte als despotische
Kontinentalsperre wurde es dem jungen Ableger möglich, neben dem gewalti-
k^n englischen Mutterstamm auszukommen, der alle Ausläufer durch seinen
Schatten zu todten drohte. Nach dem Sturze Napoleons, als England das
Festland mit seinen Waaren überschwemmte, siechte die chemnitzer Industrie,
^ sie, zugleich mit der Buntweberei und der Strumpfmanufactur, durch die
^'ftung des Zollvereins, der ersten gemeinschaftlichen handelspolitischen That
Deutschlands, genaß und erstarkte. Vor fast dreißig Jahren wurde die Spinnerei
^ranlassung zum Entstehen des chemnitzer Maschinenbaues. Aus kleinen An¬
fügen erwachsend, mehrmals durch Mißgeschick fast im Keim erstickt, ist diese
Industrie, welche die größte geistige Spannkraft erfordert und für eine moderne
^cwerbstadt der mächtigste Sporn zu schöpferischer Thätigkeit ist, auf das tr¬
eulichste gediehen. Die neuesten Epochen der chemnitzer Geschichte datiren
den nach bedrohlichen Störungen hergestellten Schienenwegen, von denen
eine 1852, der zweite 1858 vollendet wurde. Durch diese Eiscnstraßeu ist
"emnitz, die volkreichste Stadt des Erzgebirges, nicht nur in seiner gewerb-
uieri Thätigkeit mächtig gefördert, sondern anch zum größten Korn- und Ge-
^üserncn'le für das Erzgebirg erhoben worden. Durch seine technischen Schulen
W es überdies den geistigen Mittelpunkt des gewerblichen Erzgebirges dar
^'d läßt hoffen, daß es für die mechanische und chemische Technologie das
^de, was Freiberg für die montanistische geworden ist.

Wie schon seine Bauart andeutet, ist Chemnitz durchaus moderne Jndustrie-
t. S^n Adreßbuch führt eine reiche Musterkarte von Geschäften. Vom
"ndage- und Billardfabrikantcn geht es durch die Cigarren u. s. w. bis
^ Zwirn fast durch alle Buchstaben des Alphabets. Es hat Blumenfabriken,
/' chemische Fabriken, zwei kleine Harmonikafabriken, Drahtflechtereien, welche
">che Schlcicrgewebe und Körbchen liefern, Nägelmaschincn, eine Regenschirm-,
p>elkarten- und Lampenfabrik, zwei bedeutende Wachstuchfabriken, die jeden
, 'schen dem einfachsten Packtuche und den reichsten Decken liegenden Artikel
hellen; es besitzt Werkstätten zur Fertigung von Blechwaaren und Metall-
. wichen aller Art; es umfaßt eine Kammgarnspinnerei, sieben Baumwollen-
'"nereien und zwei größere Appreturgeschäfte. Im Ganzen bestehen in Chen-
7^ 76 größere und kleinere der Hausindustrie angehörige Verlagsgeschäste und
öeschlossene Fabrikcmstcilten verschiedener Art und Größe.

^ Als die bedeutendsten unter allen Fabriken stehen diejenigen voran, welche
"Mwolle spinnen und dieselbe rein oder mit andern Fasern vermischt weben,


b"r u, Deutschland die Maschine, welche am meisten dazu beigetragen hat,
'e Menschenhand durch Mechanik zu ersetzen. In, Jahre 179« wurde in
Harthau hei Chemnitz die erste Arkwrightsche Spinnmaschine durch Engländer
Aufgestellt. Die chcmnitzcr Maschinenspinnerei verdankt ihr Aufkommen zum
Theil dem blinden Glück. Nur durch die ebenso thörichte als despotische
Kontinentalsperre wurde es dem jungen Ableger möglich, neben dem gewalti-
k^n englischen Mutterstamm auszukommen, der alle Ausläufer durch seinen
Schatten zu todten drohte. Nach dem Sturze Napoleons, als England das
Festland mit seinen Waaren überschwemmte, siechte die chemnitzer Industrie,
^ sie, zugleich mit der Buntweberei und der Strumpfmanufactur, durch die
^'ftung des Zollvereins, der ersten gemeinschaftlichen handelspolitischen That
Deutschlands, genaß und erstarkte. Vor fast dreißig Jahren wurde die Spinnerei
^ranlassung zum Entstehen des chemnitzer Maschinenbaues. Aus kleinen An¬
fügen erwachsend, mehrmals durch Mißgeschick fast im Keim erstickt, ist diese
Industrie, welche die größte geistige Spannkraft erfordert und für eine moderne
^cwerbstadt der mächtigste Sporn zu schöpferischer Thätigkeit ist, auf das tr¬
eulichste gediehen. Die neuesten Epochen der chemnitzer Geschichte datiren
den nach bedrohlichen Störungen hergestellten Schienenwegen, von denen
eine 1852, der zweite 1858 vollendet wurde. Durch diese Eiscnstraßeu ist
»emnitz, die volkreichste Stadt des Erzgebirges, nicht nur in seiner gewerb-
uieri Thätigkeit mächtig gefördert, sondern anch zum größten Korn- und Ge-
^üserncn'le für das Erzgebirg erhoben worden. Durch seine technischen Schulen
W es überdies den geistigen Mittelpunkt des gewerblichen Erzgebirges dar
^'d läßt hoffen, daß es für die mechanische und chemische Technologie das
^de, was Freiberg für die montanistische geworden ist.

Wie schon seine Bauart andeutet, ist Chemnitz durchaus moderne Jndustrie-
t. S^n Adreßbuch führt eine reiche Musterkarte von Geschäften. Vom
"ndage- und Billardfabrikantcn geht es durch die Cigarren u. s. w. bis
^ Zwirn fast durch alle Buchstaben des Alphabets. Es hat Blumenfabriken,
/' chemische Fabriken, zwei kleine Harmonikafabriken, Drahtflechtereien, welche
">che Schlcicrgewebe und Körbchen liefern, Nägelmaschincn, eine Regenschirm-,
p>elkarten- und Lampenfabrik, zwei bedeutende Wachstuchfabriken, die jeden
, 'schen dem einfachsten Packtuche und den reichsten Decken liegenden Artikel
hellen; es besitzt Werkstätten zur Fertigung von Blechwaaren und Metall-
. wichen aller Art; es umfaßt eine Kammgarnspinnerei, sieben Baumwollen-
'"nereien und zwei größere Appreturgeschäfte. Im Ganzen bestehen in Chen-
7^ 76 größere und kleinere der Hausindustrie angehörige Verlagsgeschäste und
öeschlossene Fabrikcmstcilten verschiedener Art und Größe.

^ Als die bedeutendsten unter allen Fabriken stehen diejenigen voran, welche
"Mwolle spinnen und dieselbe rein oder mit andern Fasern vermischt weben,


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0187" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/107773"/>
            <p xml:id="ID_593" prev="#ID_592"> b"r u, Deutschland die Maschine, welche am meisten dazu beigetragen hat,<lb/>
'e Menschenhand durch Mechanik zu ersetzen. In, Jahre 179« wurde in<lb/>
Harthau hei Chemnitz die erste Arkwrightsche Spinnmaschine durch Engländer<lb/>
Aufgestellt. Die chcmnitzcr Maschinenspinnerei verdankt ihr Aufkommen zum<lb/>
Theil dem blinden Glück. Nur durch die ebenso thörichte als despotische<lb/>
Kontinentalsperre wurde es dem jungen Ableger möglich, neben dem gewalti-<lb/>
k^n englischen Mutterstamm auszukommen, der alle Ausläufer durch seinen<lb/>
Schatten zu todten drohte. Nach dem Sturze Napoleons, als England das<lb/>
Festland mit seinen Waaren überschwemmte, siechte die chemnitzer Industrie,<lb/>
^ sie, zugleich mit der Buntweberei und der Strumpfmanufactur, durch die<lb/>
^'ftung des Zollvereins, der ersten gemeinschaftlichen handelspolitischen That<lb/>
Deutschlands, genaß und erstarkte. Vor fast dreißig Jahren wurde die Spinnerei<lb/>
^ranlassung zum Entstehen des chemnitzer Maschinenbaues. Aus kleinen An¬<lb/>
fügen erwachsend, mehrmals durch Mißgeschick fast im Keim erstickt, ist diese<lb/>
Industrie, welche die größte geistige Spannkraft erfordert und für eine moderne<lb/>
^cwerbstadt der mächtigste Sporn zu schöpferischer Thätigkeit ist, auf das tr¬<lb/>
eulichste gediehen. Die neuesten Epochen der chemnitzer Geschichte datiren<lb/>
den nach bedrohlichen Störungen hergestellten Schienenwegen, von denen<lb/>
eine 1852, der zweite 1858 vollendet wurde. Durch diese Eiscnstraßeu ist<lb/>
»emnitz, die volkreichste Stadt des Erzgebirges, nicht nur in seiner gewerb-<lb/>
uieri Thätigkeit mächtig gefördert, sondern anch zum größten Korn- und Ge-<lb/>
^üserncn'le für das Erzgebirg erhoben worden. Durch seine technischen Schulen<lb/>
W es überdies den geistigen Mittelpunkt des gewerblichen Erzgebirges dar<lb/>
^'d läßt hoffen, daß es für die mechanische und chemische Technologie das<lb/>
^de, was Freiberg für die montanistische geworden ist.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_594"> Wie schon seine Bauart andeutet, ist Chemnitz durchaus moderne Jndustrie-<lb/>
t.  S^n Adreßbuch führt eine reiche Musterkarte von Geschäften. Vom<lb/>
"ndage- und Billardfabrikantcn geht es durch die Cigarren u. s. w. bis<lb/>
^ Zwirn fast durch alle Buchstaben des Alphabets. Es hat Blumenfabriken,<lb/>
/' chemische Fabriken, zwei kleine Harmonikafabriken, Drahtflechtereien, welche<lb/>
"&gt;che Schlcicrgewebe und Körbchen liefern, Nägelmaschincn, eine Regenschirm-,<lb/>
p&gt;elkarten- und Lampenfabrik, zwei bedeutende Wachstuchfabriken, die jeden<lb/>
, 'schen dem einfachsten Packtuche und den reichsten Decken liegenden Artikel<lb/>
hellen; es besitzt Werkstätten zur Fertigung von Blechwaaren und Metall-<lb/>
. wichen aller Art; es umfaßt eine Kammgarnspinnerei, sieben Baumwollen-<lb/>
'"nereien und zwei größere Appreturgeschäfte. Im Ganzen bestehen in Chen-<lb/>
7^ 76 größere und kleinere der Hausindustrie angehörige Verlagsgeschäste und<lb/>
öeschlossene Fabrikcmstcilten verschiedener Art und Größe.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_595" next="#ID_596"> ^ Als die bedeutendsten unter allen Fabriken stehen diejenigen voran, welche<lb/>
"Mwolle spinnen und dieselbe rein oder mit andern Fasern vermischt weben,</p><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0187] b"r u, Deutschland die Maschine, welche am meisten dazu beigetragen hat, 'e Menschenhand durch Mechanik zu ersetzen. In, Jahre 179« wurde in Harthau hei Chemnitz die erste Arkwrightsche Spinnmaschine durch Engländer Aufgestellt. Die chcmnitzcr Maschinenspinnerei verdankt ihr Aufkommen zum Theil dem blinden Glück. Nur durch die ebenso thörichte als despotische Kontinentalsperre wurde es dem jungen Ableger möglich, neben dem gewalti- k^n englischen Mutterstamm auszukommen, der alle Ausläufer durch seinen Schatten zu todten drohte. Nach dem Sturze Napoleons, als England das Festland mit seinen Waaren überschwemmte, siechte die chemnitzer Industrie, ^ sie, zugleich mit der Buntweberei und der Strumpfmanufactur, durch die ^'ftung des Zollvereins, der ersten gemeinschaftlichen handelspolitischen That Deutschlands, genaß und erstarkte. Vor fast dreißig Jahren wurde die Spinnerei ^ranlassung zum Entstehen des chemnitzer Maschinenbaues. Aus kleinen An¬ fügen erwachsend, mehrmals durch Mißgeschick fast im Keim erstickt, ist diese Industrie, welche die größte geistige Spannkraft erfordert und für eine moderne ^cwerbstadt der mächtigste Sporn zu schöpferischer Thätigkeit ist, auf das tr¬ eulichste gediehen. Die neuesten Epochen der chemnitzer Geschichte datiren den nach bedrohlichen Störungen hergestellten Schienenwegen, von denen eine 1852, der zweite 1858 vollendet wurde. Durch diese Eiscnstraßeu ist »emnitz, die volkreichste Stadt des Erzgebirges, nicht nur in seiner gewerb- uieri Thätigkeit mächtig gefördert, sondern anch zum größten Korn- und Ge- ^üserncn'le für das Erzgebirg erhoben worden. Durch seine technischen Schulen W es überdies den geistigen Mittelpunkt des gewerblichen Erzgebirges dar ^'d läßt hoffen, daß es für die mechanische und chemische Technologie das ^de, was Freiberg für die montanistische geworden ist. Wie schon seine Bauart andeutet, ist Chemnitz durchaus moderne Jndustrie- t. S^n Adreßbuch führt eine reiche Musterkarte von Geschäften. Vom "ndage- und Billardfabrikantcn geht es durch die Cigarren u. s. w. bis ^ Zwirn fast durch alle Buchstaben des Alphabets. Es hat Blumenfabriken, /' chemische Fabriken, zwei kleine Harmonikafabriken, Drahtflechtereien, welche ">che Schlcicrgewebe und Körbchen liefern, Nägelmaschincn, eine Regenschirm-, p>elkarten- und Lampenfabrik, zwei bedeutende Wachstuchfabriken, die jeden , 'schen dem einfachsten Packtuche und den reichsten Decken liegenden Artikel hellen; es besitzt Werkstätten zur Fertigung von Blechwaaren und Metall- . wichen aller Art; es umfaßt eine Kammgarnspinnerei, sieben Baumwollen- '"nereien und zwei größere Appreturgeschäfte. Im Ganzen bestehen in Chen- 7^ 76 größere und kleinere der Hausindustrie angehörige Verlagsgeschäste und öeschlossene Fabrikcmstcilten verschiedener Art und Größe. ^ Als die bedeutendsten unter allen Fabriken stehen diejenigen voran, welche "Mwolle spinnen und dieselbe rein oder mit andern Fasern vermischt weben,

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_107585
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_107585/187
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_107585/187>, abgerufen am 28.12.2024.