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Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, II. Semester. III. Band.

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Bergwerke eine harte, gefürchtete Strafe. Was ist es nun, wodurch hier die
Leute angelockt werden? der Verdienst kann es nicht sein. Der Lohn der
Zappen hat sich seit drei Jahrhunderten nicht gesteigert; er ist vielmehr, da
'"zwischen alle Lebensbedürfnisse theurer geworden sind, verringert. Ein Berg-
uiann verdient mit seiner Arbeit in der Grube jährlich im Durchschnitt neun-
Zlg Thaler. Das ist kaum so viel, als ein Dienstknecht erhält, wenn man
K°se, Wohnung und andere Vortheile hinzurechnet, und viele andere, minder
beschwerliche und gefährliche Arbeiten werfen hier mehr ab. Wer den immer
^gen Zudrang zu den Reihen der Knappschaft sich aus der Uebervölkerung des
^ebirgs erklären wollte, würde gleichfalls irren; denn beim Feldbau, so wie bei
Eisenbahnbauten trifft man hier sehr viele Arbeiter aus dem benachbarten
Böhmen und bei den Forstarbeiten mangelt es allenthalben an Händen.

Die wahren Ursachen der Erscheinung liegen vielmehr theils im Volks-
charakter, theils in der Organisation des Gewerbes.

Zu keiner Beschäftigung fühlt sich das Volk stärker hingezogen, als zu
e>ner solchen, die den natürlichen Bedingungen der von ihm bewohnten Oert-
l'edlen gemäß entstanden ist. An der Meeresküste versteht es sich von selbst,
daß der Sohn des Fischers Fischer, der des Matrosen Matrose wird. Es
^Ul j,n Blute, und er wird es, gleichviel, ob Vater und Großvater ihr
^las in den Wellen gesunden haben. So dünkt es auch dem Bergmannskind
der Ordnung, daß es den väterlichen Beruf ergreife, und es denkt nicht
^an, daß derselbe schlecht lohnt, daß der Vater frühzeitig bergfertig wurde,
^ß der und jener Verwandte in der Grube verunglückte.

Ein andrer sehr wirksamer Reiz zum Bergmannsleben liegt für den Erz-
^birger in dem Bewußtsein, daß der heimische Bergbau in der ganzen Welt
^ehgeachtet ist, und daß der Bergmann Mitglied einer großen wohlorganisirten
/uosserischaft, der Knappschaft ist, bei der einer für alle und alle für einen
^'zustehen haben. "Unser Lohn," so hört man die Leute sagen, "ist freilich
gering, aber sicherer als der des Tagelöhners oder Fabrikarbeiters. Für
^ gibt es keine unfreiwilligen Arbeitsunterbrechungen. Unsre Einnahmen
^am zwar nicht mit dem Steigen der Ausbeute, welche die Grube liefert,
Mr sinken sie aber auch nicht, wenn sie Zubuße erfordert." Und im Stillen
^ sie dann wol hinzu: "Und im Grunde sind wir Bergleute denn doch
^'eh was Besseres, als jene Arbeiter auf dem Felde und in der Fabrik. Wir
Glieder einer uralten, weit und breit hochangesehenen, streng geregelten
^perschaft, die ihre eigne Sprache, Tracht und Gerichtsbarkeit hat. die bis
^ °Mem gewissen Grade sich selbst regiert, die jedem Befähigten das Empor¬
en gestattet, die für ihre Glieder nach Kräften Sorge trägt. Der Berg.
^ °"n ist auf seine Tracht stolz, wie der Soldat auf seine Montur. Es steckt
" 'hin noch der Geist der alten Zünfte und Kunstgenossenschaften.


Bergwerke eine harte, gefürchtete Strafe. Was ist es nun, wodurch hier die
Leute angelockt werden? der Verdienst kann es nicht sein. Der Lohn der
Zappen hat sich seit drei Jahrhunderten nicht gesteigert; er ist vielmehr, da
'"zwischen alle Lebensbedürfnisse theurer geworden sind, verringert. Ein Berg-
uiann verdient mit seiner Arbeit in der Grube jährlich im Durchschnitt neun-
Zlg Thaler. Das ist kaum so viel, als ein Dienstknecht erhält, wenn man
K°se, Wohnung und andere Vortheile hinzurechnet, und viele andere, minder
beschwerliche und gefährliche Arbeiten werfen hier mehr ab. Wer den immer
^gen Zudrang zu den Reihen der Knappschaft sich aus der Uebervölkerung des
^ebirgs erklären wollte, würde gleichfalls irren; denn beim Feldbau, so wie bei
Eisenbahnbauten trifft man hier sehr viele Arbeiter aus dem benachbarten
Böhmen und bei den Forstarbeiten mangelt es allenthalben an Händen.

Die wahren Ursachen der Erscheinung liegen vielmehr theils im Volks-
charakter, theils in der Organisation des Gewerbes.

Zu keiner Beschäftigung fühlt sich das Volk stärker hingezogen, als zu
e>ner solchen, die den natürlichen Bedingungen der von ihm bewohnten Oert-
l'edlen gemäß entstanden ist. An der Meeresküste versteht es sich von selbst,
daß der Sohn des Fischers Fischer, der des Matrosen Matrose wird. Es
^Ul j,n Blute, und er wird es, gleichviel, ob Vater und Großvater ihr
^las in den Wellen gesunden haben. So dünkt es auch dem Bergmannskind
der Ordnung, daß es den väterlichen Beruf ergreife, und es denkt nicht
^an, daß derselbe schlecht lohnt, daß der Vater frühzeitig bergfertig wurde,
^ß der und jener Verwandte in der Grube verunglückte.

Ein andrer sehr wirksamer Reiz zum Bergmannsleben liegt für den Erz-
^birger in dem Bewußtsein, daß der heimische Bergbau in der ganzen Welt
^ehgeachtet ist, und daß der Bergmann Mitglied einer großen wohlorganisirten
/uosserischaft, der Knappschaft ist, bei der einer für alle und alle für einen
^'zustehen haben. „Unser Lohn," so hört man die Leute sagen, „ist freilich
gering, aber sicherer als der des Tagelöhners oder Fabrikarbeiters. Für
^ gibt es keine unfreiwilligen Arbeitsunterbrechungen. Unsre Einnahmen
^am zwar nicht mit dem Steigen der Ausbeute, welche die Grube liefert,
Mr sinken sie aber auch nicht, wenn sie Zubuße erfordert." Und im Stillen
^ sie dann wol hinzu: „Und im Grunde sind wir Bergleute denn doch
^'eh was Besseres, als jene Arbeiter auf dem Felde und in der Fabrik. Wir
Glieder einer uralten, weit und breit hochangesehenen, streng geregelten
^perschaft, die ihre eigne Sprache, Tracht und Gerichtsbarkeit hat. die bis
^ °Mem gewissen Grade sich selbst regiert, die jedem Befähigten das Empor¬
en gestattet, die für ihre Glieder nach Kräften Sorge trägt. Der Berg.
^ °"n ist auf seine Tracht stolz, wie der Soldat auf seine Montur. Es steckt
" 'hin noch der Geist der alten Zünfte und Kunstgenossenschaften.


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[0165] Bergwerke eine harte, gefürchtete Strafe. Was ist es nun, wodurch hier die Leute angelockt werden? der Verdienst kann es nicht sein. Der Lohn der Zappen hat sich seit drei Jahrhunderten nicht gesteigert; er ist vielmehr, da '"zwischen alle Lebensbedürfnisse theurer geworden sind, verringert. Ein Berg- uiann verdient mit seiner Arbeit in der Grube jährlich im Durchschnitt neun- Zlg Thaler. Das ist kaum so viel, als ein Dienstknecht erhält, wenn man K°se, Wohnung und andere Vortheile hinzurechnet, und viele andere, minder beschwerliche und gefährliche Arbeiten werfen hier mehr ab. Wer den immer ^gen Zudrang zu den Reihen der Knappschaft sich aus der Uebervölkerung des ^ebirgs erklären wollte, würde gleichfalls irren; denn beim Feldbau, so wie bei Eisenbahnbauten trifft man hier sehr viele Arbeiter aus dem benachbarten Böhmen und bei den Forstarbeiten mangelt es allenthalben an Händen. Die wahren Ursachen der Erscheinung liegen vielmehr theils im Volks- charakter, theils in der Organisation des Gewerbes. Zu keiner Beschäftigung fühlt sich das Volk stärker hingezogen, als zu e>ner solchen, die den natürlichen Bedingungen der von ihm bewohnten Oert- l'edlen gemäß entstanden ist. An der Meeresküste versteht es sich von selbst, daß der Sohn des Fischers Fischer, der des Matrosen Matrose wird. Es ^Ul j,n Blute, und er wird es, gleichviel, ob Vater und Großvater ihr ^las in den Wellen gesunden haben. So dünkt es auch dem Bergmannskind der Ordnung, daß es den väterlichen Beruf ergreife, und es denkt nicht ^an, daß derselbe schlecht lohnt, daß der Vater frühzeitig bergfertig wurde, ^ß der und jener Verwandte in der Grube verunglückte. Ein andrer sehr wirksamer Reiz zum Bergmannsleben liegt für den Erz- ^birger in dem Bewußtsein, daß der heimische Bergbau in der ganzen Welt ^ehgeachtet ist, und daß der Bergmann Mitglied einer großen wohlorganisirten /uosserischaft, der Knappschaft ist, bei der einer für alle und alle für einen ^'zustehen haben. „Unser Lohn," so hört man die Leute sagen, „ist freilich gering, aber sicherer als der des Tagelöhners oder Fabrikarbeiters. Für ^ gibt es keine unfreiwilligen Arbeitsunterbrechungen. Unsre Einnahmen ^am zwar nicht mit dem Steigen der Ausbeute, welche die Grube liefert, Mr sinken sie aber auch nicht, wenn sie Zubuße erfordert." Und im Stillen ^ sie dann wol hinzu: „Und im Grunde sind wir Bergleute denn doch ^'eh was Besseres, als jene Arbeiter auf dem Felde und in der Fabrik. Wir Glieder einer uralten, weit und breit hochangesehenen, streng geregelten ^perschaft, die ihre eigne Sprache, Tracht und Gerichtsbarkeit hat. die bis ^ °Mem gewissen Grade sich selbst regiert, die jedem Befähigten das Empor¬ en gestattet, die für ihre Glieder nach Kräften Sorge trägt. Der Berg. ^ °"n ist auf seine Tracht stolz, wie der Soldat auf seine Montur. Es steckt " 'hin noch der Geist der alten Zünfte und Kunstgenossenschaften.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_107585/165>, abgerufen am 28.12.2024.