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Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, II. Semester. III. Band.

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wie das Erzgebirg, dessen Bergstädte sämmtlich auf ungeheuren Katakomben
stehen. Die Länge der freibcrger Stollen und Minengünge beträgt fast 40
Meilen, man verbraucht in den Bergwerken jährlich 3000 Ctr. Sprengpulver,
und es wurden damit in jedem der letzten Jahre über 12,000 Lachter, (84,000
Fuß Gestein) abgebrochen. Gangbare Bcrggebäude zählte man vor drei Jah'
ren 416. Die meisten Gruben besitzt das Schwarzenberger Revier, nämlich
228, und zwar wird hier vorwiegend Eisenstein gewonnen, außerdem aber
Kobalt, Wismuth (besonders bei Schneeberg) und Uralt (bei Johanngeorgen-
stadt). Das freibcrger Revier, wo vorzüglich silberhaltige Bleierze und etwas
Zink- und Kupfererz brechen, hat 84, das marienberger 73, das altenbergtt
31 Gruben. In den beiden letztern gräbt man hauptsächlich Zinn-, Arsen-
und Wismuthcrze und nur wenig Silber.

Gleich den Schiffen auf der See haben die einzelnen Gruben, Gänge
und Stollen ihre Namen. So gibt es unter den Erzgängen einen "Kirsch'
dann Stehenden", einen "Scligtrost Stehenden", einen Gottlob Morgengang",
einen "Glückauf spät", Benennungen, deren letzter Theil die Richtung des
Ganges bezeichnet. Manche Grubennamen sind Zeugnisse sür den religiösen
Sinn, andere für den frischen Humor der Bergleute. Häusig wurden Hei'
lige, ebenso ost Fürsten, bisweilen Städte, Feste und Thiere, namentlich der
Hirsch, zu Pathen gewählt. Einige Bcrggebäude tragen Namen, welche Hoff'
mung oder Dankbarkeit ausdrücken, einige solche, welche Tadler oder Neider
verspotten, z. B. der "Narrenfresser", die "Fruchtbare Thorheit", das "Fleesch'
maul". Andere endlich, wie "die alte Mordgrube" klingen an schauerliche
Sagen an.

Das wichtigste Revier ist das freibcrger. Hier leben über siebzig Pri>'
cent der sächsischen Bergleute. Hier trifft man die bedeutendsten Bauten und
Maschinerien, so wie die großartigsten Pochwerke und Hütten. Hier trag)
das ganze Leben ein bergmännisches Gepräge. Wie Chemnitz Fabrik-, LcivM
Handelsstadt ist, so ist Freiberg vorwiegend Bergstadt. Der Bergbau ist der
Nerv deH städtischen Lebens. Ein Bergamt, ein Bergmagazin, eine Bergschule
und eine Bergakademie, die erste der Welt, bezeichnen Freiberg als das He>^
der sächsischen Bergverwaltung und Bergwisscnschaft. Mehre von den Privat'
Häusern verkünden durch die Sinnbilder an ihren Wänden, daß sie ans dew
Segen des Bergbaues entstanden sind. Man begegnet Handlungen mit Berg'
mcmnskleidern und Bergmannshandwerkzeug. Man trifft andere mit M'U'k'
scheideinstrumentcn. Man sieht in den Buchhandlungen vorzugsweise Buche'
und Bilder, die sich auf den Bergbau beziehen. Auf den Straßen ist sust
der dritte Mensch, der vorübergeht, ein Bergmann, Bergbeamter oder Berg"
Student. Man wird vorwaltend mit "Glück auf!" begrüßt. In den gesellige"
Kreisen hört man Titel, die dem Fremden zu rathen geben: hier sitzt rede"


wie das Erzgebirg, dessen Bergstädte sämmtlich auf ungeheuren Katakomben
stehen. Die Länge der freibcrger Stollen und Minengünge beträgt fast 40
Meilen, man verbraucht in den Bergwerken jährlich 3000 Ctr. Sprengpulver,
und es wurden damit in jedem der letzten Jahre über 12,000 Lachter, (84,000
Fuß Gestein) abgebrochen. Gangbare Bcrggebäude zählte man vor drei Jah'
ren 416. Die meisten Gruben besitzt das Schwarzenberger Revier, nämlich
228, und zwar wird hier vorwiegend Eisenstein gewonnen, außerdem aber
Kobalt, Wismuth (besonders bei Schneeberg) und Uralt (bei Johanngeorgen-
stadt). Das freibcrger Revier, wo vorzüglich silberhaltige Bleierze und etwas
Zink- und Kupfererz brechen, hat 84, das marienberger 73, das altenbergtt
31 Gruben. In den beiden letztern gräbt man hauptsächlich Zinn-, Arsen-
und Wismuthcrze und nur wenig Silber.

Gleich den Schiffen auf der See haben die einzelnen Gruben, Gänge
und Stollen ihre Namen. So gibt es unter den Erzgängen einen „Kirsch'
dann Stehenden", einen „Scligtrost Stehenden", einen Gottlob Morgengang",
einen „Glückauf spät", Benennungen, deren letzter Theil die Richtung des
Ganges bezeichnet. Manche Grubennamen sind Zeugnisse sür den religiösen
Sinn, andere für den frischen Humor der Bergleute. Häusig wurden Hei'
lige, ebenso ost Fürsten, bisweilen Städte, Feste und Thiere, namentlich der
Hirsch, zu Pathen gewählt. Einige Bcrggebäude tragen Namen, welche Hoff'
mung oder Dankbarkeit ausdrücken, einige solche, welche Tadler oder Neider
verspotten, z. B. der „Narrenfresser", die „Fruchtbare Thorheit", das „Fleesch'
maul". Andere endlich, wie „die alte Mordgrube" klingen an schauerliche
Sagen an.

Das wichtigste Revier ist das freibcrger. Hier leben über siebzig Pri>'
cent der sächsischen Bergleute. Hier trifft man die bedeutendsten Bauten und
Maschinerien, so wie die großartigsten Pochwerke und Hütten. Hier trag)
das ganze Leben ein bergmännisches Gepräge. Wie Chemnitz Fabrik-, LcivM
Handelsstadt ist, so ist Freiberg vorwiegend Bergstadt. Der Bergbau ist der
Nerv deH städtischen Lebens. Ein Bergamt, ein Bergmagazin, eine Bergschule
und eine Bergakademie, die erste der Welt, bezeichnen Freiberg als das He>^
der sächsischen Bergverwaltung und Bergwisscnschaft. Mehre von den Privat'
Häusern verkünden durch die Sinnbilder an ihren Wänden, daß sie ans dew
Segen des Bergbaues entstanden sind. Man begegnet Handlungen mit Berg'
mcmnskleidern und Bergmannshandwerkzeug. Man trifft andere mit M'U'k'
scheideinstrumentcn. Man sieht in den Buchhandlungen vorzugsweise Buche'
und Bilder, die sich auf den Bergbau beziehen. Auf den Straßen ist sust
der dritte Mensch, der vorübergeht, ein Bergmann, Bergbeamter oder Berg"
Student. Man wird vorwaltend mit „Glück auf!" begrüßt. In den gesellige"
Kreisen hört man Titel, die dem Fremden zu rathen geben: hier sitzt rede"


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_107585/158>, abgerufen am 28.12.2024.