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Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, II. Semester. III. Band.

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haben, bezahle es der Küster oder der Pfaff; denn ein Landsknecht hat weder
Haus noch Hos, weder Kühe noch Kälber, und keinem trägt man die Kost zu.
Darum muß er sichs holen, wo es ist, und ohne Geld kaufen, ob die Bauern
süß oder sauer sehen. Denn bald müssen die Brüder Hunger leiden und böse
Tage haben, ein anderes Mal haben sie Ueberfluß und vollauf, daß man die
Schuhe an der Erde mit Wein und Bier putzt. Dann fressen ihre Hunde
Gebratenes, die Dirnen und Jungen bekommen gute Aemter, sie werden Haus¬
hälter und Kellermeister über anderer Leute Gut. Wo der Wirth mit Weib
und Kind verjagt ist, da haben Hühner, Gänse, fette Kühe, Ochsen, Schweine
und Schafe böse Zeit. Dann theilt man das Geld mit Hüten, mißt Sammt,
Seidenzeug und Tuch mit langen Spießen aus, schlachtet eine Kuh um der
Haut willen, schlägt Kisten und Kasten auf, und wenn alles geplündert und
nichts mehr da ist, steckt man das Haus in Brand. Das ist das rechte Lands-
knechtsseuer, wenn fünfzig Dörfer und Flecken in Flammen stehn. Dann zieht
man in ein ander Quartier und fängts ebenso wieder an. Das macht Kriegs¬
leute lustig und ist ein gutes, erwünschtes Leben, außer für den, ders zahlen
muß. Das lockt zum Felde manches Mutterkind, das nicht wieder nach Hause
kommt und seine Freunde auf die Füße tritt. Denn das Sprichwort sagt,
zur Arbeit haben Landsknechte krumme Finger, lahme Hände, aber zu Mau¬
serei und Beuteholen sind alle lahmen Hände gerade geworden. Das ist
vor uns so gewesen und bleibt auch wol so nach uns. Und die Lands¬
knechte lernen dies Handwerk je länger je besser, und werden sorgfältig,
wie die drei Jungfrauen, die sich vier Wiegen machen ließen, eine zur"
Vorrath, wenn eine zwei Kinder bekäme. Wo die Kriegsleute hingeführt
werden, nehmen sie die Schlüssel zu allen Gemächern mit, ihre Aexte und
Beile; und wenn nicht genug Pferdeställe an einem Ort sind, es liegt nichts
daran, sie statten die Pferde in Kirchen, Klausen, Kapellen und herrliche Ge¬
mächer. Hat man kein dürres Holz zum Feuer, es schadet auch nichts, man
verbrennt Stühle, Bänke, Pflüge und alles was im Hause ist; nach grünew
Holz darf keiner weit fahren, man haut nur die Obstbäume ab, die zunächst
dem Baumgarten stehen, denn es heißt: Wie wir leben, so halten wir Haus,
morgen ziehn wir wieder zum Land hinaus: drum, Herr Wirth, seid getrost,
ihr habt ein wenig Gäste, ihr wärt sie gerne los, drum tragt frei auf und
schreibets an. Verbrennt das Haus, verbrennt die Kreide auch. Das ist des
Landsknechts Brauch: Rechnen und reiten, und zahlen, wenn wir wieder'
? kehren."




haben, bezahle es der Küster oder der Pfaff; denn ein Landsknecht hat weder
Haus noch Hos, weder Kühe noch Kälber, und keinem trägt man die Kost zu.
Darum muß er sichs holen, wo es ist, und ohne Geld kaufen, ob die Bauern
süß oder sauer sehen. Denn bald müssen die Brüder Hunger leiden und böse
Tage haben, ein anderes Mal haben sie Ueberfluß und vollauf, daß man die
Schuhe an der Erde mit Wein und Bier putzt. Dann fressen ihre Hunde
Gebratenes, die Dirnen und Jungen bekommen gute Aemter, sie werden Haus¬
hälter und Kellermeister über anderer Leute Gut. Wo der Wirth mit Weib
und Kind verjagt ist, da haben Hühner, Gänse, fette Kühe, Ochsen, Schweine
und Schafe böse Zeit. Dann theilt man das Geld mit Hüten, mißt Sammt,
Seidenzeug und Tuch mit langen Spießen aus, schlachtet eine Kuh um der
Haut willen, schlägt Kisten und Kasten auf, und wenn alles geplündert und
nichts mehr da ist, steckt man das Haus in Brand. Das ist das rechte Lands-
knechtsseuer, wenn fünfzig Dörfer und Flecken in Flammen stehn. Dann zieht
man in ein ander Quartier und fängts ebenso wieder an. Das macht Kriegs¬
leute lustig und ist ein gutes, erwünschtes Leben, außer für den, ders zahlen
muß. Das lockt zum Felde manches Mutterkind, das nicht wieder nach Hause
kommt und seine Freunde auf die Füße tritt. Denn das Sprichwort sagt,
zur Arbeit haben Landsknechte krumme Finger, lahme Hände, aber zu Mau¬
serei und Beuteholen sind alle lahmen Hände gerade geworden. Das ist
vor uns so gewesen und bleibt auch wol so nach uns. Und die Lands¬
knechte lernen dies Handwerk je länger je besser, und werden sorgfältig,
wie die drei Jungfrauen, die sich vier Wiegen machen ließen, eine zur»
Vorrath, wenn eine zwei Kinder bekäme. Wo die Kriegsleute hingeführt
werden, nehmen sie die Schlüssel zu allen Gemächern mit, ihre Aexte und
Beile; und wenn nicht genug Pferdeställe an einem Ort sind, es liegt nichts
daran, sie statten die Pferde in Kirchen, Klausen, Kapellen und herrliche Ge¬
mächer. Hat man kein dürres Holz zum Feuer, es schadet auch nichts, man
verbrennt Stühle, Bänke, Pflüge und alles was im Hause ist; nach grünew
Holz darf keiner weit fahren, man haut nur die Obstbäume ab, die zunächst
dem Baumgarten stehen, denn es heißt: Wie wir leben, so halten wir Haus,
morgen ziehn wir wieder zum Land hinaus: drum, Herr Wirth, seid getrost,
ihr habt ein wenig Gäste, ihr wärt sie gerne los, drum tragt frei auf und
schreibets an. Verbrennt das Haus, verbrennt die Kreide auch. Das ist des
Landsknechts Brauch: Rechnen und reiten, und zahlen, wenn wir wieder'
? kehren."




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[0156] haben, bezahle es der Küster oder der Pfaff; denn ein Landsknecht hat weder Haus noch Hos, weder Kühe noch Kälber, und keinem trägt man die Kost zu. Darum muß er sichs holen, wo es ist, und ohne Geld kaufen, ob die Bauern süß oder sauer sehen. Denn bald müssen die Brüder Hunger leiden und böse Tage haben, ein anderes Mal haben sie Ueberfluß und vollauf, daß man die Schuhe an der Erde mit Wein und Bier putzt. Dann fressen ihre Hunde Gebratenes, die Dirnen und Jungen bekommen gute Aemter, sie werden Haus¬ hälter und Kellermeister über anderer Leute Gut. Wo der Wirth mit Weib und Kind verjagt ist, da haben Hühner, Gänse, fette Kühe, Ochsen, Schweine und Schafe böse Zeit. Dann theilt man das Geld mit Hüten, mißt Sammt, Seidenzeug und Tuch mit langen Spießen aus, schlachtet eine Kuh um der Haut willen, schlägt Kisten und Kasten auf, und wenn alles geplündert und nichts mehr da ist, steckt man das Haus in Brand. Das ist das rechte Lands- knechtsseuer, wenn fünfzig Dörfer und Flecken in Flammen stehn. Dann zieht man in ein ander Quartier und fängts ebenso wieder an. Das macht Kriegs¬ leute lustig und ist ein gutes, erwünschtes Leben, außer für den, ders zahlen muß. Das lockt zum Felde manches Mutterkind, das nicht wieder nach Hause kommt und seine Freunde auf die Füße tritt. Denn das Sprichwort sagt, zur Arbeit haben Landsknechte krumme Finger, lahme Hände, aber zu Mau¬ serei und Beuteholen sind alle lahmen Hände gerade geworden. Das ist vor uns so gewesen und bleibt auch wol so nach uns. Und die Lands¬ knechte lernen dies Handwerk je länger je besser, und werden sorgfältig, wie die drei Jungfrauen, die sich vier Wiegen machen ließen, eine zur» Vorrath, wenn eine zwei Kinder bekäme. Wo die Kriegsleute hingeführt werden, nehmen sie die Schlüssel zu allen Gemächern mit, ihre Aexte und Beile; und wenn nicht genug Pferdeställe an einem Ort sind, es liegt nichts daran, sie statten die Pferde in Kirchen, Klausen, Kapellen und herrliche Ge¬ mächer. Hat man kein dürres Holz zum Feuer, es schadet auch nichts, man verbrennt Stühle, Bänke, Pflüge und alles was im Hause ist; nach grünew Holz darf keiner weit fahren, man haut nur die Obstbäume ab, die zunächst dem Baumgarten stehen, denn es heißt: Wie wir leben, so halten wir Haus, morgen ziehn wir wieder zum Land hinaus: drum, Herr Wirth, seid getrost, ihr habt ein wenig Gäste, ihr wärt sie gerne los, drum tragt frei auf und schreibets an. Verbrennt das Haus, verbrennt die Kreide auch. Das ist des Landsknechts Brauch: Rechnen und reiten, und zahlen, wenn wir wieder' ? kehren."

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_107585/156>, abgerufen am 28.12.2024.