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Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, II. Semester. III. Band.

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Kriegsherrn geworben hatte, auch wenn er sonst Generalrang hatte, nach
Hin wurde das Regiment benannt, unter ihm stand der Oberstlieutenant und
Oberstwachtmeister. Wichtiger für den Zweck dieser Blätter sind die Offiziere
Fabricius-, der Hauptmann oder Rittmeister mit seinem Lieutenant, der
Fähnrich und der Feldweibel oder Wachtmeister, verschiedene Unteroffiziere und
^freite, zuletzt der Profoß der Fahne und des Regiments.

War der Hauptmann bei der Musterung seinem Fähnlein im Ringe als
überhaupt und Vater vorgestellt, so bat er freundlich die lieben Kriegsleute,
^hin treu und gehorsam zu sein, zählte ihre Pflichten auf, und versprach in
jeder Noth zu ihnen zu halten, und Leib und Leben und alles, was er in
seinen Kleidern trüge, bei ihnen zu lassen, als redlicher Mann. Leider war
^s Hauptmanns erste Tugend Treue in Geldsachen, sowol gegen den Oberst
gegen seine Leute: dem Musterherrn tüchtige Leute zu werben, nicht
^ehr Söldner anzurechnen, als Recht war, den Kriegsleuten aber den Sold
^llig zu zahlen. Beides geschah häufig nicht, die Versuchung des Werbe-
Systems war groß, und Gewissenhaftigkeit war in dem unsicheren Kriegsleben
^Ac Tugend, welche leicht schwand; auch der Ehrlichste gerieth in gefährliche
Kippen, wenn der Sold lange ausblieb oder unvollständig gezahlt wurde,
^onst sollte er ein ernster, wohlerfahrener Mann sein, billig und gütig im
Gemüth, aber scharf in allen Rechtssachen. Die Woche hindurch sollte er
"ach Sprichwort sauer sehn, und die Kriegsleute nicht eher anlächelt,
am Sonntag, wenn man im Felde predigte, dann saßen die Leute aus der
^rde und standen auf, den Hut vor dem Hauptmann abzuziehn. Wer aber
e>Ne Sturmhaube trug, behielt sie auf. -- Aus dem Marsch ritt der Hauptmann,
vor dem Feinde aber trug er zu Fuß den langen Spieß oder die Muskete
seinem Fähnlein vor.

Die Fahne des Fußvolks, das Heiligthum der Compagnie, hatte eine etwas
^zere Stange als die unsere, aber der Seidenstoff reichte wie ein ungeheures
^egel fast bis zum Ende der Stange; es war schwerer Stoff, nach dana-
>gen Zeitgeschmack oft mit ausgemalten allegorischen Bildern und kurzen la-
^"löcher Sentenzen schön verziert. Die Standarten der Reiterei, zuweilen
Ausgezackt, waren kleiner und wurden an einer Stange geführt, wie unsere
Mhnen.

Im Ringe der gewordenen Kriegsleute wird das Fähnlein an die Stange
öebracht und aufgerichtet, der Oberst übergibt dem Fähnrich die Fahne und
Uidet sie ihm ein "als eine Braut und leibliche Tochter, aus der rechten
vaut in die linke Hand, wo euch beide Arme abgeschossen oder gehauen
^den. sollt ihrs in den Mund nehmen, ist keine Hilfe noch Rettung da, so
^wickelt euch drein, befehle euch Gott, um darin zu sterben und erstochen
SU werden, als ein ehrlicher Mann." So lange die Fahne fliegt und ein


Kriegsherrn geworben hatte, auch wenn er sonst Generalrang hatte, nach
Hin wurde das Regiment benannt, unter ihm stand der Oberstlieutenant und
Oberstwachtmeister. Wichtiger für den Zweck dieser Blätter sind die Offiziere
Fabricius-, der Hauptmann oder Rittmeister mit seinem Lieutenant, der
Fähnrich und der Feldweibel oder Wachtmeister, verschiedene Unteroffiziere und
^freite, zuletzt der Profoß der Fahne und des Regiments.

War der Hauptmann bei der Musterung seinem Fähnlein im Ringe als
überhaupt und Vater vorgestellt, so bat er freundlich die lieben Kriegsleute,
^hin treu und gehorsam zu sein, zählte ihre Pflichten auf, und versprach in
jeder Noth zu ihnen zu halten, und Leib und Leben und alles, was er in
seinen Kleidern trüge, bei ihnen zu lassen, als redlicher Mann. Leider war
^s Hauptmanns erste Tugend Treue in Geldsachen, sowol gegen den Oberst
gegen seine Leute: dem Musterherrn tüchtige Leute zu werben, nicht
^ehr Söldner anzurechnen, als Recht war, den Kriegsleuten aber den Sold
^llig zu zahlen. Beides geschah häufig nicht, die Versuchung des Werbe-
Systems war groß, und Gewissenhaftigkeit war in dem unsicheren Kriegsleben
^Ac Tugend, welche leicht schwand; auch der Ehrlichste gerieth in gefährliche
Kippen, wenn der Sold lange ausblieb oder unvollständig gezahlt wurde,
^onst sollte er ein ernster, wohlerfahrener Mann sein, billig und gütig im
Gemüth, aber scharf in allen Rechtssachen. Die Woche hindurch sollte er
"ach Sprichwort sauer sehn, und die Kriegsleute nicht eher anlächelt,
am Sonntag, wenn man im Felde predigte, dann saßen die Leute aus der
^rde und standen auf, den Hut vor dem Hauptmann abzuziehn. Wer aber
e>Ne Sturmhaube trug, behielt sie auf. — Aus dem Marsch ritt der Hauptmann,
vor dem Feinde aber trug er zu Fuß den langen Spieß oder die Muskete
seinem Fähnlein vor.

Die Fahne des Fußvolks, das Heiligthum der Compagnie, hatte eine etwas
^zere Stange als die unsere, aber der Seidenstoff reichte wie ein ungeheures
^egel fast bis zum Ende der Stange; es war schwerer Stoff, nach dana-
>gen Zeitgeschmack oft mit ausgemalten allegorischen Bildern und kurzen la-
^"löcher Sentenzen schön verziert. Die Standarten der Reiterei, zuweilen
Ausgezackt, waren kleiner und wurden an einer Stange geführt, wie unsere
Mhnen.

Im Ringe der gewordenen Kriegsleute wird das Fähnlein an die Stange
öebracht und aufgerichtet, der Oberst übergibt dem Fähnrich die Fahne und
Uidet sie ihm ein „als eine Braut und leibliche Tochter, aus der rechten
vaut in die linke Hand, wo euch beide Arme abgeschossen oder gehauen
^den. sollt ihrs in den Mund nehmen, ist keine Hilfe noch Rettung da, so
^wickelt euch drein, befehle euch Gott, um darin zu sterben und erstochen
SU werden, als ein ehrlicher Mann." So lange die Fahne fliegt und ein


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[0141] Kriegsherrn geworben hatte, auch wenn er sonst Generalrang hatte, nach Hin wurde das Regiment benannt, unter ihm stand der Oberstlieutenant und Oberstwachtmeister. Wichtiger für den Zweck dieser Blätter sind die Offiziere Fabricius-, der Hauptmann oder Rittmeister mit seinem Lieutenant, der Fähnrich und der Feldweibel oder Wachtmeister, verschiedene Unteroffiziere und ^freite, zuletzt der Profoß der Fahne und des Regiments. War der Hauptmann bei der Musterung seinem Fähnlein im Ringe als überhaupt und Vater vorgestellt, so bat er freundlich die lieben Kriegsleute, ^hin treu und gehorsam zu sein, zählte ihre Pflichten auf, und versprach in jeder Noth zu ihnen zu halten, und Leib und Leben und alles, was er in seinen Kleidern trüge, bei ihnen zu lassen, als redlicher Mann. Leider war ^s Hauptmanns erste Tugend Treue in Geldsachen, sowol gegen den Oberst gegen seine Leute: dem Musterherrn tüchtige Leute zu werben, nicht ^ehr Söldner anzurechnen, als Recht war, den Kriegsleuten aber den Sold ^llig zu zahlen. Beides geschah häufig nicht, die Versuchung des Werbe- Systems war groß, und Gewissenhaftigkeit war in dem unsicheren Kriegsleben ^Ac Tugend, welche leicht schwand; auch der Ehrlichste gerieth in gefährliche Kippen, wenn der Sold lange ausblieb oder unvollständig gezahlt wurde, ^onst sollte er ein ernster, wohlerfahrener Mann sein, billig und gütig im Gemüth, aber scharf in allen Rechtssachen. Die Woche hindurch sollte er "ach Sprichwort sauer sehn, und die Kriegsleute nicht eher anlächelt, am Sonntag, wenn man im Felde predigte, dann saßen die Leute aus der ^rde und standen auf, den Hut vor dem Hauptmann abzuziehn. Wer aber e>Ne Sturmhaube trug, behielt sie auf. — Aus dem Marsch ritt der Hauptmann, vor dem Feinde aber trug er zu Fuß den langen Spieß oder die Muskete seinem Fähnlein vor. Die Fahne des Fußvolks, das Heiligthum der Compagnie, hatte eine etwas ^zere Stange als die unsere, aber der Seidenstoff reichte wie ein ungeheures ^egel fast bis zum Ende der Stange; es war schwerer Stoff, nach dana- >gen Zeitgeschmack oft mit ausgemalten allegorischen Bildern und kurzen la- ^"löcher Sentenzen schön verziert. Die Standarten der Reiterei, zuweilen Ausgezackt, waren kleiner und wurden an einer Stange geführt, wie unsere Mhnen. Im Ringe der gewordenen Kriegsleute wird das Fähnlein an die Stange öebracht und aufgerichtet, der Oberst übergibt dem Fähnrich die Fahne und Uidet sie ihm ein „als eine Braut und leibliche Tochter, aus der rechten vaut in die linke Hand, wo euch beide Arme abgeschossen oder gehauen ^den. sollt ihrs in den Mund nehmen, ist keine Hilfe noch Rettung da, so ^wickelt euch drein, befehle euch Gott, um darin zu sterben und erstochen SU werden, als ein ehrlicher Mann." So lange die Fahne fliegt und ein

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_107585/141>, abgerufen am 28.12.2024.