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Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, I. Semester. II. Band.

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zu folgen, erlauben Sie wohl, daß ich mein Andenken noch einmal bei Ihnen
erneuere und Ihnen meine kleinen Dienstleistungen erneuert anbiete. Fast fünf
Monathe habe ich hier in arbeitsamer Einsamkeit verlebt, da ich oft in einer
Woche zwei Mal im Begriffe war, nach Italien abzugehen. Die politische
Wendung der Dinge ist aber so geworden, daß für jeßt die Alpen nicht zu
Passiren sind. Ich denke jetzt einige Sommermonathe in ?s,ris zuzubringen,
um (da der leidige, aber stöhrende Seekrieg meine Westindische Reise aufzu¬
schieben gebietet) den Winter im Orient zuzubringen. Alle Anstalten zu dieser
levantischen Reise sind gemacht -- aber schon höre ich von allen Seiten von
einer Landung in Aegypten, die meine Zwekke entweder sehr befördern oder
ganz vereiteln wird. Ich will mir gern überreden, daß alles was jetzt ge¬
schieht einst den Flor der Wissenschaften befördern wird. Ich selbst aber
fühle mich in allem Thun so gehindert, daß ich täglich ein 40 Jahr früher
oder später gelebt zu haben wünschte. Eine traurige der Menschenbildung
nachtheilige Einförmigkeit wird über den ganzen Erdboden verbreitet. Völker
deren physische und moralische Lage gewiß ein Bedürfniß nach sehr verschie¬
denartigen Regierungsformen erregen sollte, müssen von einem Direktorium
und zwei Räthen beherrscht werden und die republikanischen Dragonaden sind
ebenso empörend, als die religiösen. Nur eine Wohlthat, die Ausrottung
des Feudalsystems und aller aristokratischen Vorurtheile, unter denen die är¬
meren und edleren Menschenklassen so lange geschmachtet, wird schon gegen¬
wärtig genossen -- und dieser Genuß wird bleiben, wenn auch monarchische
Verfassungen wieder ebenso allgemein werden, als es die republikanischen zu
werden scheinen. Unter den mannichfaltigen meist wehmüthigen Empfindungen,
welche die Begebenheiten des sinkenden Jahrhunderts in mir erregen, glaube
ich meinen Zwekken getreu geblieben zu sein. Ich war anhaltend nie so flei¬
ßig und glücklich im Experimentiren, als hier. Ich habe 5 Monathe lang
täglich den Luftkreis untersucht und hoffe die Resultate dieser mühseligen Ar¬
beit in ?ÄriL, also ehe ich mich einschiffe, auszuarbeiten. Auch mit dem
Sextanten, für den Sie Sich in Ihrem blühenden Garten einst interessirten,
habe ich viele Punkte astronomisch bestimmt, wie Sie vielleicht aus Zachs
Journal gesehen haben. Jetzt vertausche ich den Sextanten gegen einen gro¬
ßen Ramsäenschen Theodolith, oder Geodolith oder Däodoleth, denn kein
Mensch weiß mir zu sagen, wie ich ein Instrument richtig nenne, dessen Ge¬
brauch mir sehr bekannt ist. Vielleicht Seoäolieli?

Die anliegende Nachricht haben Sie wohl die Gewogenheit dem In-
telligenzblatt einzuverleiben. Ich hoffe dadurch vieler lästigen Korrespondenz
ein Ende-zu machen. Ich kann doch nicht in ganz Deutschland umher reisen
und jedem, der ungeschickte Hände hat, die Experimente vormachen.

Haben Sie die Gewogenheit mich Ihrer vortrefflichen Gattin, und dem


zu folgen, erlauben Sie wohl, daß ich mein Andenken noch einmal bei Ihnen
erneuere und Ihnen meine kleinen Dienstleistungen erneuert anbiete. Fast fünf
Monathe habe ich hier in arbeitsamer Einsamkeit verlebt, da ich oft in einer
Woche zwei Mal im Begriffe war, nach Italien abzugehen. Die politische
Wendung der Dinge ist aber so geworden, daß für jeßt die Alpen nicht zu
Passiren sind. Ich denke jetzt einige Sommermonathe in ?s,ris zuzubringen,
um (da der leidige, aber stöhrende Seekrieg meine Westindische Reise aufzu¬
schieben gebietet) den Winter im Orient zuzubringen. Alle Anstalten zu dieser
levantischen Reise sind gemacht — aber schon höre ich von allen Seiten von
einer Landung in Aegypten, die meine Zwekke entweder sehr befördern oder
ganz vereiteln wird. Ich will mir gern überreden, daß alles was jetzt ge¬
schieht einst den Flor der Wissenschaften befördern wird. Ich selbst aber
fühle mich in allem Thun so gehindert, daß ich täglich ein 40 Jahr früher
oder später gelebt zu haben wünschte. Eine traurige der Menschenbildung
nachtheilige Einförmigkeit wird über den ganzen Erdboden verbreitet. Völker
deren physische und moralische Lage gewiß ein Bedürfniß nach sehr verschie¬
denartigen Regierungsformen erregen sollte, müssen von einem Direktorium
und zwei Räthen beherrscht werden und die republikanischen Dragonaden sind
ebenso empörend, als die religiösen. Nur eine Wohlthat, die Ausrottung
des Feudalsystems und aller aristokratischen Vorurtheile, unter denen die är¬
meren und edleren Menschenklassen so lange geschmachtet, wird schon gegen¬
wärtig genossen — und dieser Genuß wird bleiben, wenn auch monarchische
Verfassungen wieder ebenso allgemein werden, als es die republikanischen zu
werden scheinen. Unter den mannichfaltigen meist wehmüthigen Empfindungen,
welche die Begebenheiten des sinkenden Jahrhunderts in mir erregen, glaube
ich meinen Zwekken getreu geblieben zu sein. Ich war anhaltend nie so flei¬
ßig und glücklich im Experimentiren, als hier. Ich habe 5 Monathe lang
täglich den Luftkreis untersucht und hoffe die Resultate dieser mühseligen Ar¬
beit in ?ÄriL, also ehe ich mich einschiffe, auszuarbeiten. Auch mit dem
Sextanten, für den Sie Sich in Ihrem blühenden Garten einst interessirten,
habe ich viele Punkte astronomisch bestimmt, wie Sie vielleicht aus Zachs
Journal gesehen haben. Jetzt vertausche ich den Sextanten gegen einen gro¬
ßen Ramsäenschen Theodolith, oder Geodolith oder Däodoleth, denn kein
Mensch weiß mir zu sagen, wie ich ein Instrument richtig nenne, dessen Ge¬
brauch mir sehr bekannt ist. Vielleicht Seoäolieli?

Die anliegende Nachricht haben Sie wohl die Gewogenheit dem In-
telligenzblatt einzuverleiben. Ich hoffe dadurch vieler lästigen Korrespondenz
ein Ende-zu machen. Ich kann doch nicht in ganz Deutschland umher reisen
und jedem, der ungeschickte Hände hat, die Experimente vormachen.

Haben Sie die Gewogenheit mich Ihrer vortrefflichen Gattin, und dem


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[0052] zu folgen, erlauben Sie wohl, daß ich mein Andenken noch einmal bei Ihnen erneuere und Ihnen meine kleinen Dienstleistungen erneuert anbiete. Fast fünf Monathe habe ich hier in arbeitsamer Einsamkeit verlebt, da ich oft in einer Woche zwei Mal im Begriffe war, nach Italien abzugehen. Die politische Wendung der Dinge ist aber so geworden, daß für jeßt die Alpen nicht zu Passiren sind. Ich denke jetzt einige Sommermonathe in ?s,ris zuzubringen, um (da der leidige, aber stöhrende Seekrieg meine Westindische Reise aufzu¬ schieben gebietet) den Winter im Orient zuzubringen. Alle Anstalten zu dieser levantischen Reise sind gemacht — aber schon höre ich von allen Seiten von einer Landung in Aegypten, die meine Zwekke entweder sehr befördern oder ganz vereiteln wird. Ich will mir gern überreden, daß alles was jetzt ge¬ schieht einst den Flor der Wissenschaften befördern wird. Ich selbst aber fühle mich in allem Thun so gehindert, daß ich täglich ein 40 Jahr früher oder später gelebt zu haben wünschte. Eine traurige der Menschenbildung nachtheilige Einförmigkeit wird über den ganzen Erdboden verbreitet. Völker deren physische und moralische Lage gewiß ein Bedürfniß nach sehr verschie¬ denartigen Regierungsformen erregen sollte, müssen von einem Direktorium und zwei Räthen beherrscht werden und die republikanischen Dragonaden sind ebenso empörend, als die religiösen. Nur eine Wohlthat, die Ausrottung des Feudalsystems und aller aristokratischen Vorurtheile, unter denen die är¬ meren und edleren Menschenklassen so lange geschmachtet, wird schon gegen¬ wärtig genossen — und dieser Genuß wird bleiben, wenn auch monarchische Verfassungen wieder ebenso allgemein werden, als es die republikanischen zu werden scheinen. Unter den mannichfaltigen meist wehmüthigen Empfindungen, welche die Begebenheiten des sinkenden Jahrhunderts in mir erregen, glaube ich meinen Zwekken getreu geblieben zu sein. Ich war anhaltend nie so flei¬ ßig und glücklich im Experimentiren, als hier. Ich habe 5 Monathe lang täglich den Luftkreis untersucht und hoffe die Resultate dieser mühseligen Ar¬ beit in ?ÄriL, also ehe ich mich einschiffe, auszuarbeiten. Auch mit dem Sextanten, für den Sie Sich in Ihrem blühenden Garten einst interessirten, habe ich viele Punkte astronomisch bestimmt, wie Sie vielleicht aus Zachs Journal gesehen haben. Jetzt vertausche ich den Sextanten gegen einen gro¬ ßen Ramsäenschen Theodolith, oder Geodolith oder Däodoleth, denn kein Mensch weiß mir zu sagen, wie ich ein Instrument richtig nenne, dessen Ge¬ brauch mir sehr bekannt ist. Vielleicht Seoäolieli? Die anliegende Nachricht haben Sie wohl die Gewogenheit dem In- telligenzblatt einzuverleiben. Ich hoffe dadurch vieler lästigen Korrespondenz ein Ende-zu machen. Ich kann doch nicht in ganz Deutschland umher reisen und jedem, der ungeschickte Hände hat, die Experimente vormachen. Haben Sie die Gewogenheit mich Ihrer vortrefflichen Gattin, und dem

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_107046/52>, abgerufen am 22.12.2024.