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Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, I. Semester. II. Band.

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tappen und Fühlen, und die Oestreicher wurden überall des Feindes schnell
Meister, ohne daß sie sich sonderlich anzustrengen brauchten.

In dieser Zeit aber begann ein Mann die Blicke auf sich zu ziehen, wel¬
cher früherhin vielfach genannt, jetzt mit dem kleinen Corps, welches zu
seiner Verfügung gestellt war, wie es schien, gegen die gewaltigen Massen
völlig verschwinden mußte, die sich auf dem Kriegstheater Italiens gegen¬
wärtig herumtummelten.

Giuseppe Garibaldi, jetzt ein Mann von 52 Jahren, hatte in seiner
Jugend in der sardinischen Marine gedient. Ein glühender Freund der Frei¬
heit, Unabhängigkeit und Größe seines Vaterlandes konnte er unmöglich den
Konspirationen fremd bleiben, welche sich in den dreißiger Jahren gegen die
bestehenden Herrschaften in Italien richteten. Er war gezwungen, bei dem
unglücklichen Ausgang der Dinge flüchtig zu werden. Aus der Freistätte, die
er in Frankreich fand, ging er in die Dienste des Bei von Tunis, von dort
in den Seedienst der Republik Uruguay. Ausgezeichnet durch Thätigkeit, Um¬
sicht, körperliche und geistige Kraft und Zähigkeit erhielt er sogar das Kom¬
mando eines Geschwaders der Republik. Nachher kämpfte er zu Lande gegen
den Dictator Rosas. t848 kam er nach Europa zurück, an der Spitze einer
Freischar führte er den kleinen Krieg am Fuße der Alpen gegen die Oest¬
reicher mit. Als Karl Alberts Stern vor dem Radetzkis sank, schlug sich der
kühne Parteigänger in die Schweiz; er legte die Waffen nicht nieder und ca-
pitulirte nicht. In die sardinische Kammer gewählt, zeigte er sich stets als
eifriger Republikaner. 1849 ging er nach Rom, um dieses gegen Franzosen
und Neapolitaner vertheidigen zu helfen. Man weiß, welchen Widerstand
er hinter den schlechten Mauern der Weltstadt einem mit allem wohl aus¬
gerüsteten französischen Belagerungscorps leistete, obwol es in Rom auch an
dem Nöthigsten fehlte. Und noch wunderbarer ist sein Zug nach S. Marino
mitten durch die Oestreicher hindurch, die an allen Ecken lauerten, ihn nie¬
mals bekommen konnten, an der Spitze von wenig mehr als tausend Mann,
die dem geliebten Führer folgten, als die Römer nichts mehr thun wollten
und in Rom folglich nichts mehr zu thun war. In S. Marino lösete sich
der Nest der Schar auf; in kleinen Abtheilungen schlich sie sich nach allen
Weltgegenden durch. Garibaldi mit wenigen Genossen gewann die Meeres¬
küste und von dort Genua. Er rettete sich; nicht so sein treues Weib, das er
in Amerika heimgeführt, das ihn wie aus allen so auch auf diesem Zug be¬
gleitete. Sein Weib war, wenn wir uns nicht sehr irren, zu dieser Zeit
schwanger. Der Parteigänger hatte das Liebste verloren, was er auf der Erde
besaß und sein Freiheitsdrang ward geschärft durch das Gefühl persönlicher
Rache, die er an den Oestreichern zu nehmen habe. Doch verschloß er diese
Rache tief in sein Inneres, den rechten Augenblick mit Vertrauen zu erwarten.


tappen und Fühlen, und die Oestreicher wurden überall des Feindes schnell
Meister, ohne daß sie sich sonderlich anzustrengen brauchten.

In dieser Zeit aber begann ein Mann die Blicke auf sich zu ziehen, wel¬
cher früherhin vielfach genannt, jetzt mit dem kleinen Corps, welches zu
seiner Verfügung gestellt war, wie es schien, gegen die gewaltigen Massen
völlig verschwinden mußte, die sich auf dem Kriegstheater Italiens gegen¬
wärtig herumtummelten.

Giuseppe Garibaldi, jetzt ein Mann von 52 Jahren, hatte in seiner
Jugend in der sardinischen Marine gedient. Ein glühender Freund der Frei¬
heit, Unabhängigkeit und Größe seines Vaterlandes konnte er unmöglich den
Konspirationen fremd bleiben, welche sich in den dreißiger Jahren gegen die
bestehenden Herrschaften in Italien richteten. Er war gezwungen, bei dem
unglücklichen Ausgang der Dinge flüchtig zu werden. Aus der Freistätte, die
er in Frankreich fand, ging er in die Dienste des Bei von Tunis, von dort
in den Seedienst der Republik Uruguay. Ausgezeichnet durch Thätigkeit, Um¬
sicht, körperliche und geistige Kraft und Zähigkeit erhielt er sogar das Kom¬
mando eines Geschwaders der Republik. Nachher kämpfte er zu Lande gegen
den Dictator Rosas. t848 kam er nach Europa zurück, an der Spitze einer
Freischar führte er den kleinen Krieg am Fuße der Alpen gegen die Oest¬
reicher mit. Als Karl Alberts Stern vor dem Radetzkis sank, schlug sich der
kühne Parteigänger in die Schweiz; er legte die Waffen nicht nieder und ca-
pitulirte nicht. In die sardinische Kammer gewählt, zeigte er sich stets als
eifriger Republikaner. 1849 ging er nach Rom, um dieses gegen Franzosen
und Neapolitaner vertheidigen zu helfen. Man weiß, welchen Widerstand
er hinter den schlechten Mauern der Weltstadt einem mit allem wohl aus¬
gerüsteten französischen Belagerungscorps leistete, obwol es in Rom auch an
dem Nöthigsten fehlte. Und noch wunderbarer ist sein Zug nach S. Marino
mitten durch die Oestreicher hindurch, die an allen Ecken lauerten, ihn nie¬
mals bekommen konnten, an der Spitze von wenig mehr als tausend Mann,
die dem geliebten Führer folgten, als die Römer nichts mehr thun wollten
und in Rom folglich nichts mehr zu thun war. In S. Marino lösete sich
der Nest der Schar auf; in kleinen Abtheilungen schlich sie sich nach allen
Weltgegenden durch. Garibaldi mit wenigen Genossen gewann die Meeres¬
küste und von dort Genua. Er rettete sich; nicht so sein treues Weib, das er
in Amerika heimgeführt, das ihn wie aus allen so auch auf diesem Zug be¬
gleitete. Sein Weib war, wenn wir uns nicht sehr irren, zu dieser Zeit
schwanger. Der Parteigänger hatte das Liebste verloren, was er auf der Erde
besaß und sein Freiheitsdrang ward geschärft durch das Gefühl persönlicher
Rache, die er an den Oestreichern zu nehmen habe. Doch verschloß er diese
Rache tief in sein Inneres, den rechten Augenblick mit Vertrauen zu erwarten.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_107046/492>, abgerufen am 22.12.2024.