Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, I. Semester. II. Band.gegen seinen Bruder, König und Herrn hat er zur Politik Olmütz geschwiegen, ans Nach welcher Seite hin die Entscheidung ausfallen würde, konnte nicht zweifel¬ Kann der Kaiser Napoleon, wie jetzt die Sachen stehn, auf irgend einen Vor¬ Er verspricht den Italienern die Erfüllung ihrer Wünsche, wenn sie sich deren Unter diesen Umständen glauben wir, daß er zwar geneigt sein wird, zu tem- gegen seinen Bruder, König und Herrn hat er zur Politik Olmütz geschwiegen, ans Nach welcher Seite hin die Entscheidung ausfallen würde, konnte nicht zweifel¬ Kann der Kaiser Napoleon, wie jetzt die Sachen stehn, auf irgend einen Vor¬ Er verspricht den Italienern die Erfüllung ihrer Wünsche, wenn sie sich deren Unter diesen Umständen glauben wir, daß er zwar geneigt sein wird, zu tem- <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0488" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/107535"/> <p xml:id="ID_1487" prev="#ID_1486"> gegen seinen Bruder, König und Herrn hat er zur Politik Olmütz geschwiegen, ans<lb/> Pflichtgefühl hat er ein Jahr lang mit den Reformen gezögert, die er dann, sobald<lb/> er gesetzlich befugt war, sehr energisch durchführte. Sein Pflichtgefühl bindet ihn an<lb/> die Verfassung, sein Pflichtgefühl macht es ihm unmöglich, irgend einen Bcsitztitcl<lb/> des Fidcicommisscs, den man Krone nennt, aufzugeben; sein Pflichtgefühl bindet<lb/> ihn an den deutschen Bund, den er zu lieben wahrlich keine Ursache hat. Dürften<lb/> wir den Nachrichten glauben, die ihren Weg bereits in die Zeitungen gefunden<lb/> haben, so wäre der Entschluß schon gefaßt; wie derselbe auch ausgefallen sein mag,<lb/> jedenfalls sind wir überzeugt, daß er maßgebend für ganz Deutschland sein muß.<lb/> Das Gewissen hat ihn eingegeben, nicht die Stimmung der Menge; unbeirrt wird<lb/> er, ohne nach rechts oder links zu blicken, seinen Weg vorwärts gehn. Wir hoffen.'<lb/> nur, daß bei dem Bewußtsein der Nothwendigkeit, das Recht aufrecht zu halten, das<lb/> Recht des deutschen Volks ebenso in Anschlag gekommen sein wird, als, das Recht<lb/> der einzelnen deutschen Bundesgenossen.</p><lb/> <p xml:id="ID_1488"> Nach welcher Seite hin die Entscheidung ausfallen würde, konnte nicht zweifel¬<lb/> haft sein. Von einem französischen Bündniß war nicht die Rede, der preußische<lb/> Staat ist keine todte Maschine, die man nach Belieben rechts oder links drehen darf,<lb/> ebenso wenig von einer absoluten Neutralität, da es fast unmöglich scheint, daß eine<lb/> der kriegführenden Parteien die andere zum Frieden zwingt, ohne hier das Gebiet<lb/> des deutschen Bundes zu verletzen, dort den deutschen Bund in Anspruch zu nehmen.<lb/> Es kam nur auf die Wahl des richtigen Zeitpunkts an: ob es der jetzige sei, darüber<lb/> zu urtheilen fehlt uns das Material. Daß eine bewaffnete Vermittlung, wenn sie<lb/> ihren Zweck erreichen soll, weiter führen muß, darüber wird sich der Prinz selbst<lb/> wol am klarsten sein.</p><lb/> <p xml:id="ID_1489"> Kann der Kaiser Napoleon, wie jetzt die Sachen stehn, auf irgend einen Vor¬<lb/> schlag eingehn, auf den auch Oestreich eingehn könnte? — wir zweifeln daran. —<lb/> Was er will, hat er nach seinem Einzug in Mailand, wenn wir uns nicht ganz<lb/> täuschen, mit vollkommner Offenheit ausgesprochen.</p><lb/> <p xml:id="ID_1490"> Er verspricht den Italienern die Erfüllung ihrer Wünsche, wenn sie sich deren<lb/> würdig zeigen, d. h. wenn sie Disciplin annehmen und in Reihe und Glied für ihre<lb/> Freiheit fechten. Das Verlangen ist billig, denn das Elend Italiens geht fast aus¬<lb/> schließlich ans dem Mangel an Disciplin hervor; es entspricht aber auch dem Inter¬<lb/> esse Frankreichs, denn es stellt eine italienische Armee in Aussicht, die allenfalls unter<lb/> französischen Generalen und mit französischen 'Hilfstruppen die Oestreicher in Schach<lb/> hält, während die französische Hauptmacht die Dinge erwartet, die am Rhein kommen<lb/> sollen. — In seinen Verheißungen halten wir ihn für aufrichtig, weil die ritterliche<lb/> Haltung des König Victor Emanuel, den nur felle Scribenten schmähen können,<lb/> und der nur den einen Fehler hat, sür einen König zu ritterlich zu sein, ihm offen¬<lb/> bar Interesse abgewinnt, hauptsächlich aber weil die Hauptveranlassung des Krieges,<lb/> das Attentat Orsinis und eine mögliche Wiederholung desselben, durch den Verrath<lb/> Italiens nicht abgewandt werden würde.</p><lb/> <p xml:id="ID_1491" next="#ID_1492"> Unter diesen Umständen glauben wir, daß er zwar geneigt sein wird, zu tem-<lb/> porisiren, um Zeit zu gewinnen, den italienischen Provinzen, die nach dem völligen<lb/> Rückzug der Oestreicher in seiner Hand sind, eine militärische Organisation zu geben,<lb/> aber nicht auf einen Frieden einzugehn, den Oestreich ihm bietet. Denn trotz seiner</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0488]
gegen seinen Bruder, König und Herrn hat er zur Politik Olmütz geschwiegen, ans
Pflichtgefühl hat er ein Jahr lang mit den Reformen gezögert, die er dann, sobald
er gesetzlich befugt war, sehr energisch durchführte. Sein Pflichtgefühl bindet ihn an
die Verfassung, sein Pflichtgefühl macht es ihm unmöglich, irgend einen Bcsitztitcl
des Fidcicommisscs, den man Krone nennt, aufzugeben; sein Pflichtgefühl bindet
ihn an den deutschen Bund, den er zu lieben wahrlich keine Ursache hat. Dürften
wir den Nachrichten glauben, die ihren Weg bereits in die Zeitungen gefunden
haben, so wäre der Entschluß schon gefaßt; wie derselbe auch ausgefallen sein mag,
jedenfalls sind wir überzeugt, daß er maßgebend für ganz Deutschland sein muß.
Das Gewissen hat ihn eingegeben, nicht die Stimmung der Menge; unbeirrt wird
er, ohne nach rechts oder links zu blicken, seinen Weg vorwärts gehn. Wir hoffen.'
nur, daß bei dem Bewußtsein der Nothwendigkeit, das Recht aufrecht zu halten, das
Recht des deutschen Volks ebenso in Anschlag gekommen sein wird, als, das Recht
der einzelnen deutschen Bundesgenossen.
Nach welcher Seite hin die Entscheidung ausfallen würde, konnte nicht zweifel¬
haft sein. Von einem französischen Bündniß war nicht die Rede, der preußische
Staat ist keine todte Maschine, die man nach Belieben rechts oder links drehen darf,
ebenso wenig von einer absoluten Neutralität, da es fast unmöglich scheint, daß eine
der kriegführenden Parteien die andere zum Frieden zwingt, ohne hier das Gebiet
des deutschen Bundes zu verletzen, dort den deutschen Bund in Anspruch zu nehmen.
Es kam nur auf die Wahl des richtigen Zeitpunkts an: ob es der jetzige sei, darüber
zu urtheilen fehlt uns das Material. Daß eine bewaffnete Vermittlung, wenn sie
ihren Zweck erreichen soll, weiter führen muß, darüber wird sich der Prinz selbst
wol am klarsten sein.
Kann der Kaiser Napoleon, wie jetzt die Sachen stehn, auf irgend einen Vor¬
schlag eingehn, auf den auch Oestreich eingehn könnte? — wir zweifeln daran. —
Was er will, hat er nach seinem Einzug in Mailand, wenn wir uns nicht ganz
täuschen, mit vollkommner Offenheit ausgesprochen.
Er verspricht den Italienern die Erfüllung ihrer Wünsche, wenn sie sich deren
würdig zeigen, d. h. wenn sie Disciplin annehmen und in Reihe und Glied für ihre
Freiheit fechten. Das Verlangen ist billig, denn das Elend Italiens geht fast aus¬
schließlich ans dem Mangel an Disciplin hervor; es entspricht aber auch dem Inter¬
esse Frankreichs, denn es stellt eine italienische Armee in Aussicht, die allenfalls unter
französischen Generalen und mit französischen 'Hilfstruppen die Oestreicher in Schach
hält, während die französische Hauptmacht die Dinge erwartet, die am Rhein kommen
sollen. — In seinen Verheißungen halten wir ihn für aufrichtig, weil die ritterliche
Haltung des König Victor Emanuel, den nur felle Scribenten schmähen können,
und der nur den einen Fehler hat, sür einen König zu ritterlich zu sein, ihm offen¬
bar Interesse abgewinnt, hauptsächlich aber weil die Hauptveranlassung des Krieges,
das Attentat Orsinis und eine mögliche Wiederholung desselben, durch den Verrath
Italiens nicht abgewandt werden würde.
Unter diesen Umständen glauben wir, daß er zwar geneigt sein wird, zu tem-
porisiren, um Zeit zu gewinnen, den italienischen Provinzen, die nach dem völligen
Rückzug der Oestreicher in seiner Hand sind, eine militärische Organisation zu geben,
aber nicht auf einen Frieden einzugehn, den Oestreich ihm bietet. Denn trotz seiner
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |