Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, I. Semester. II. Band.einen angenehmem als einen gründlichen den Gelehrten/' Inzwischen bemerkt Die ersten Fragmente der niederländischen Rebellion, die nach dem ur¬ Diese Motive reichten vollständig aus, in einer Zeit, wo bei uns die einen angenehmem als einen gründlichen den Gelehrten/' Inzwischen bemerkt Die ersten Fragmente der niederländischen Rebellion, die nach dem ur¬ Diese Motive reichten vollständig aus, in einer Zeit, wo bei uns die <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0456" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/107503"/> <p xml:id="ID_1387" prev="#ID_1386"> einen angenehmem als einen gründlichen den Gelehrten/' Inzwischen bemerkt<lb/> er doch ,(20. Aug.): „Mein unruhiger Geist ist der Darstellung nicht empfäng¬<lb/> lich, ich bin mir selbst zu gegenwärtig. Meine Geschichte hat viel Dichterkraft<lb/> in mir verdorben, und diese Journalarbeiten ziehen mich zu sehr auseinander.<lb/> Die Zeiten sind nicht mehr, wo ich auf ein einziges Object alle meine Kräfte<lb/> zusanmienhäuste."</p><lb/> <p xml:id="ID_1388"> Die ersten Fragmente der niederländischen Rebellion, die nach dem ur¬<lb/> sprünglichen Plan biographisch zerpflückt werden sollte, erschienen Januar 1788<lb/> im Merkur; das Ganze, so weit es fertig, in der Herbstmesse desselben Jahrs.<lb/> ,.Als ich vor einigen Jahren, sagt Schiller in der Vorrede, Watsons Ge¬<lb/> schichte der niederländischen Revolution las, fühlte ich mich dadurch in eine<lb/> Begeisterung versetzt, zu welcher Staatsactionen nur selten erheben. Bei ge¬<lb/> nauerer Prüfung glaubte ich zu finden, daß das, was mich in diese Begeiste¬<lb/> rung gesetzt hatte, nicht sowol aus dem Buche in mich übergegangen als viel¬<lb/> mehr eine schnelle Wirkung meiner eignen Vorstellungskraft gewesen war, die<lb/> dem empfangenen Stoff grade die Gestalt gegeben, worin er mich so vorzüg¬<lb/> lich reizte. Diese Wirkung wünschte ich bleibend zu machen, zu vervielfältigen,<lb/> zu verstärken; diese erhebenden Empfindungen wünschte ich weiter zu verbreiten<lb/> und auch andere Antheil daran nehmen zu lassen. Dies gab den ersten An¬<lb/> laß zu dieser Geschichte, und dies ist auch mein ganzer Beruf, sie zuschreiben."<lb/> Und zum Schluß: „daß es nicht in meiner Macht gestanden hat, diese reich¬<lb/> haltige Geschichte ganz, wie ich es wünschte, aus ihren ersten Quellen zu stu-<lb/> diren. sie unabhängig von der Form, in welcher sie mir von dem denkenden<lb/> Theil meiner Vorgänger überliefert war, neu zu erschaffen und mich dadurch<lb/> von der Gewalt frei zu machen, welche jeder geistvolle Schriftsteller mehr oder<lb/> weniger gegen seine Leser ausübt, beklage ich immer mehr, je mehr ich mich<lb/> von ihrem Inhalt überzeuge. So aber hätte aus einem Werk von etlichen<lb/> Jahren (?) das Werk eines Menschenalters werden müssen. Meine Absicht<lb/> bei diesem Versuch ist mehr als erreicht. - wenn er einen Theil des lesenden<lb/> Publicums von der Möglichkeit überführt, daß eine Geschichte historisch treu<lb/> geschrieben sein kann, ohne darum eine Geduldprobe für den Leser zu sein, und<lb/> wenn er einem andern das Geständnis; abgewinnt, daß die Geschichte von<lb/> einer verwandten Kunst etwas borgen kann, ohne deswegen nothwendig zum<lb/> Roman zu werden."</p><lb/> <p xml:id="ID_1389" next="#ID_1390"> Diese Motive reichten vollständig aus, in einer Zeit, wo bei uns die<lb/> historische Kunst noch so sehr im Argen lag, das Buch zu rechtfertigen. Leider<lb/> ist dazwischen eine kleine Charlatanerie eingeschoben: Schiller zählt die Quellen¬<lb/> schriststeller auf, die er gelesen haben will, und versäumt auch nicht, dieselben<lb/> auf jeder Seite zu citiren. Und doch ist es augenscheinlich, daß er die mei¬<lb/> sten derselben gar nicht gelesen, daß er keinen von ihnen studirt, und daß</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0456]
einen angenehmem als einen gründlichen den Gelehrten/' Inzwischen bemerkt
er doch ,(20. Aug.): „Mein unruhiger Geist ist der Darstellung nicht empfäng¬
lich, ich bin mir selbst zu gegenwärtig. Meine Geschichte hat viel Dichterkraft
in mir verdorben, und diese Journalarbeiten ziehen mich zu sehr auseinander.
Die Zeiten sind nicht mehr, wo ich auf ein einziges Object alle meine Kräfte
zusanmienhäuste."
Die ersten Fragmente der niederländischen Rebellion, die nach dem ur¬
sprünglichen Plan biographisch zerpflückt werden sollte, erschienen Januar 1788
im Merkur; das Ganze, so weit es fertig, in der Herbstmesse desselben Jahrs.
,.Als ich vor einigen Jahren, sagt Schiller in der Vorrede, Watsons Ge¬
schichte der niederländischen Revolution las, fühlte ich mich dadurch in eine
Begeisterung versetzt, zu welcher Staatsactionen nur selten erheben. Bei ge¬
nauerer Prüfung glaubte ich zu finden, daß das, was mich in diese Begeiste¬
rung gesetzt hatte, nicht sowol aus dem Buche in mich übergegangen als viel¬
mehr eine schnelle Wirkung meiner eignen Vorstellungskraft gewesen war, die
dem empfangenen Stoff grade die Gestalt gegeben, worin er mich so vorzüg¬
lich reizte. Diese Wirkung wünschte ich bleibend zu machen, zu vervielfältigen,
zu verstärken; diese erhebenden Empfindungen wünschte ich weiter zu verbreiten
und auch andere Antheil daran nehmen zu lassen. Dies gab den ersten An¬
laß zu dieser Geschichte, und dies ist auch mein ganzer Beruf, sie zuschreiben."
Und zum Schluß: „daß es nicht in meiner Macht gestanden hat, diese reich¬
haltige Geschichte ganz, wie ich es wünschte, aus ihren ersten Quellen zu stu-
diren. sie unabhängig von der Form, in welcher sie mir von dem denkenden
Theil meiner Vorgänger überliefert war, neu zu erschaffen und mich dadurch
von der Gewalt frei zu machen, welche jeder geistvolle Schriftsteller mehr oder
weniger gegen seine Leser ausübt, beklage ich immer mehr, je mehr ich mich
von ihrem Inhalt überzeuge. So aber hätte aus einem Werk von etlichen
Jahren (?) das Werk eines Menschenalters werden müssen. Meine Absicht
bei diesem Versuch ist mehr als erreicht. - wenn er einen Theil des lesenden
Publicums von der Möglichkeit überführt, daß eine Geschichte historisch treu
geschrieben sein kann, ohne darum eine Geduldprobe für den Leser zu sein, und
wenn er einem andern das Geständnis; abgewinnt, daß die Geschichte von
einer verwandten Kunst etwas borgen kann, ohne deswegen nothwendig zum
Roman zu werden."
Diese Motive reichten vollständig aus, in einer Zeit, wo bei uns die
historische Kunst noch so sehr im Argen lag, das Buch zu rechtfertigen. Leider
ist dazwischen eine kleine Charlatanerie eingeschoben: Schiller zählt die Quellen¬
schriststeller auf, die er gelesen haben will, und versäumt auch nicht, dieselben
auf jeder Seite zu citiren. Und doch ist es augenscheinlich, daß er die mei¬
sten derselben gar nicht gelesen, daß er keinen von ihnen studirt, und daß
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