Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, I. Semester. II. Band.

Bild:
<< vorherige Seite
nächste Seite >>

Die Armee, welche der Neffe am Ost- und Südfuß der Alpen und an
den Apenninen concentrirt hat, zahlt 100,000 bis 120,000 Mann. Sie ist
nicht in vier Divisionen, aber in vier Armeecorps eingetheilt; die Namen
der Corpschefs sind: Paraguay d'Hilliers, Mac Mahon, Canrobert. Niet. --
Scrrurier führte die Belagerungen des Onkels; Niet ist Geniegeneral, er war
die Seele der Belagerung von Sevastopol; er soll natürlich alle Belagerungen
des Neffen führen. -- Der Name des Chefs der zweiten Division des Onkels
fängt mit einem M. an; der Name des Befehlshabers des zweiten Corps des
Neffen ebenso. In gleicher Weise kann man la Harpe und Baraguay d'Hil¬
liers zusammenstellen. Bei Augereau und Canrobert fehlt es. Irgend eine
geheime Beziehung wird auch wol da sein.

Napoleon der Dritte hat es nicht nöthig gehabt, sich mühsam aus der Ri-
viera über die Apenninen herauszuwinken; die Oestreicher haben 1859 von
vornherein dieselbe Stellung eingenommen, welche Beaulieu 1796 erst nach
den Treffen von Montenotte, Millesimo und Dego wählte.

Napoleon der Dritte hat Piemont zum Verbündeten, er ist sogar Piemonts
Befreier. Der Dampf und alle ihm verwandten Kräfte, alle ihm dienstbar
gemachten Mittel sind die gehorsamen Diener des dermaligen Kaisers der
Franzosen. Während er von Toulon aus vermöge seiner Dampfer zwei
Armeecorps im Nu in Genua ausschüttet, der alten Stadt, welche heute nur
eine Provinzialstadt und eine Festung Sardiniens ist. während er nichts An¬
deres in der alten Dogenstadt zu thun hat, als was er 1854 in Konstantino¬
pel that, einen Platzcommandanten einzusetzen, welcher die Polizei nach pariser
Muster organisirt und die Straßen und Brücken und Paläste nach französischen
Erinnerungen benennt, welcher requirirt und commandirt, wie es die Fran¬
zosen nun einmal prächtiger und vernünftiger, weit rücksichtsloser, als irgend
eine andre Nation verstehen, läßt Louis Napoleon zwei andre Armeecorps
auf der Eisenbahn durch das 1815 neutralisirte, durch die Eisenbcchngescll-
schaften deneutralisirte Savoyen an den Fuß des Mont Cenis befördern, und
auf der ganzen Straße über den Schneepaß, aus weichem Hannibal mit Fein¬
den, Wetter und Felsenschluchten zu kämpfen hatte, auf welchem heute Post¬
kutschen fahren und unter welchem in wenigen Jahren Locomotiven hinweg¬
brausen werden, stehn viertausend Landsleute der Murmelthiere bereit und
schaufeln und schaufeln, um den getreuen Bundesgenossen und Befreiern Ita¬
liens die Bahn so eben und breit als möglich zu machen, nach Susa hinab
und noch weiter hinab nach Turin, welches die Linie der Dom baltea deckt,
an der die piemontesischen Sappeurs alle Kunstmittel entfalten, mit deren
Erkenntniß die Schulknaben auf den Genieschulen des civilisirten Europas
nach der Schwierigkeit geplagt werden, damit sie wichtigere Dinge desto leich¬
ter und gründlicher vergessen lernen.


Die Armee, welche der Neffe am Ost- und Südfuß der Alpen und an
den Apenninen concentrirt hat, zahlt 100,000 bis 120,000 Mann. Sie ist
nicht in vier Divisionen, aber in vier Armeecorps eingetheilt; die Namen
der Corpschefs sind: Paraguay d'Hilliers, Mac Mahon, Canrobert. Niet. —
Scrrurier führte die Belagerungen des Onkels; Niet ist Geniegeneral, er war
die Seele der Belagerung von Sevastopol; er soll natürlich alle Belagerungen
des Neffen führen. — Der Name des Chefs der zweiten Division des Onkels
fängt mit einem M. an; der Name des Befehlshabers des zweiten Corps des
Neffen ebenso. In gleicher Weise kann man la Harpe und Baraguay d'Hil¬
liers zusammenstellen. Bei Augereau und Canrobert fehlt es. Irgend eine
geheime Beziehung wird auch wol da sein.

Napoleon der Dritte hat es nicht nöthig gehabt, sich mühsam aus der Ri-
viera über die Apenninen herauszuwinken; die Oestreicher haben 1859 von
vornherein dieselbe Stellung eingenommen, welche Beaulieu 1796 erst nach
den Treffen von Montenotte, Millesimo und Dego wählte.

Napoleon der Dritte hat Piemont zum Verbündeten, er ist sogar Piemonts
Befreier. Der Dampf und alle ihm verwandten Kräfte, alle ihm dienstbar
gemachten Mittel sind die gehorsamen Diener des dermaligen Kaisers der
Franzosen. Während er von Toulon aus vermöge seiner Dampfer zwei
Armeecorps im Nu in Genua ausschüttet, der alten Stadt, welche heute nur
eine Provinzialstadt und eine Festung Sardiniens ist. während er nichts An¬
deres in der alten Dogenstadt zu thun hat, als was er 1854 in Konstantino¬
pel that, einen Platzcommandanten einzusetzen, welcher die Polizei nach pariser
Muster organisirt und die Straßen und Brücken und Paläste nach französischen
Erinnerungen benennt, welcher requirirt und commandirt, wie es die Fran¬
zosen nun einmal prächtiger und vernünftiger, weit rücksichtsloser, als irgend
eine andre Nation verstehen, läßt Louis Napoleon zwei andre Armeecorps
auf der Eisenbahn durch das 1815 neutralisirte, durch die Eisenbcchngescll-
schaften deneutralisirte Savoyen an den Fuß des Mont Cenis befördern, und
auf der ganzen Straße über den Schneepaß, aus weichem Hannibal mit Fein¬
den, Wetter und Felsenschluchten zu kämpfen hatte, auf welchem heute Post¬
kutschen fahren und unter welchem in wenigen Jahren Locomotiven hinweg¬
brausen werden, stehn viertausend Landsleute der Murmelthiere bereit und
schaufeln und schaufeln, um den getreuen Bundesgenossen und Befreiern Ita¬
liens die Bahn so eben und breit als möglich zu machen, nach Susa hinab
und noch weiter hinab nach Turin, welches die Linie der Dom baltea deckt,
an der die piemontesischen Sappeurs alle Kunstmittel entfalten, mit deren
Erkenntniß die Schulknaben auf den Genieschulen des civilisirten Europas
nach der Schwierigkeit geplagt werden, damit sie wichtigere Dinge desto leich¬
ter und gründlicher vergessen lernen.


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0399" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/107446"/>
            <p xml:id="ID_1181"> Die Armee, welche der Neffe am Ost- und Südfuß der Alpen und an<lb/>
den Apenninen concentrirt hat, zahlt 100,000 bis 120,000 Mann. Sie ist<lb/>
nicht in vier Divisionen, aber in vier Armeecorps eingetheilt; die Namen<lb/>
der Corpschefs sind: Paraguay d'Hilliers, Mac Mahon, Canrobert. Niet. &#x2014;<lb/>
Scrrurier führte die Belagerungen des Onkels; Niet ist Geniegeneral, er war<lb/>
die Seele der Belagerung von Sevastopol; er soll natürlich alle Belagerungen<lb/>
des Neffen führen. &#x2014; Der Name des Chefs der zweiten Division des Onkels<lb/>
fängt mit einem M. an; der Name des Befehlshabers des zweiten Corps des<lb/>
Neffen ebenso. In gleicher Weise kann man la Harpe und Baraguay d'Hil¬<lb/>
liers zusammenstellen. Bei Augereau und Canrobert fehlt es. Irgend eine<lb/>
geheime Beziehung wird auch wol da sein.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_1182"> Napoleon der Dritte hat es nicht nöthig gehabt, sich mühsam aus der Ri-<lb/>
viera über die Apenninen herauszuwinken; die Oestreicher haben 1859 von<lb/>
vornherein dieselbe Stellung eingenommen, welche Beaulieu 1796 erst nach<lb/>
den Treffen von Montenotte, Millesimo und Dego wählte.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_1183"> Napoleon der Dritte hat Piemont zum Verbündeten, er ist sogar Piemonts<lb/>
Befreier. Der Dampf und alle ihm verwandten Kräfte, alle ihm dienstbar<lb/>
gemachten Mittel sind die gehorsamen Diener des dermaligen Kaisers der<lb/>
Franzosen. Während er von Toulon aus vermöge seiner Dampfer zwei<lb/>
Armeecorps im Nu in Genua ausschüttet, der alten Stadt, welche heute nur<lb/>
eine Provinzialstadt und eine Festung Sardiniens ist. während er nichts An¬<lb/>
deres in der alten Dogenstadt zu thun hat, als was er 1854 in Konstantino¬<lb/>
pel that, einen Platzcommandanten einzusetzen, welcher die Polizei nach pariser<lb/>
Muster organisirt und die Straßen und Brücken und Paläste nach französischen<lb/>
Erinnerungen benennt, welcher requirirt und commandirt, wie es die Fran¬<lb/>
zosen nun einmal prächtiger und vernünftiger, weit rücksichtsloser, als irgend<lb/>
eine andre Nation verstehen, läßt Louis Napoleon zwei andre Armeecorps<lb/>
auf der Eisenbahn durch das 1815 neutralisirte, durch die Eisenbcchngescll-<lb/>
schaften deneutralisirte Savoyen an den Fuß des Mont Cenis befördern, und<lb/>
auf der ganzen Straße über den Schneepaß, aus weichem Hannibal mit Fein¬<lb/>
den, Wetter und Felsenschluchten zu kämpfen hatte, auf welchem heute Post¬<lb/>
kutschen fahren und unter welchem in wenigen Jahren Locomotiven hinweg¬<lb/>
brausen werden, stehn viertausend Landsleute der Murmelthiere bereit und<lb/>
schaufeln und schaufeln, um den getreuen Bundesgenossen und Befreiern Ita¬<lb/>
liens die Bahn so eben und breit als möglich zu machen, nach Susa hinab<lb/>
und noch weiter hinab nach Turin, welches die Linie der Dom baltea deckt,<lb/>
an der die piemontesischen Sappeurs alle Kunstmittel entfalten, mit deren<lb/>
Erkenntniß die Schulknaben auf den Genieschulen des civilisirten Europas<lb/>
nach der Schwierigkeit geplagt werden, damit sie wichtigere Dinge desto leich¬<lb/>
ter und gründlicher vergessen lernen.</p><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0399] Die Armee, welche der Neffe am Ost- und Südfuß der Alpen und an den Apenninen concentrirt hat, zahlt 100,000 bis 120,000 Mann. Sie ist nicht in vier Divisionen, aber in vier Armeecorps eingetheilt; die Namen der Corpschefs sind: Paraguay d'Hilliers, Mac Mahon, Canrobert. Niet. — Scrrurier führte die Belagerungen des Onkels; Niet ist Geniegeneral, er war die Seele der Belagerung von Sevastopol; er soll natürlich alle Belagerungen des Neffen führen. — Der Name des Chefs der zweiten Division des Onkels fängt mit einem M. an; der Name des Befehlshabers des zweiten Corps des Neffen ebenso. In gleicher Weise kann man la Harpe und Baraguay d'Hil¬ liers zusammenstellen. Bei Augereau und Canrobert fehlt es. Irgend eine geheime Beziehung wird auch wol da sein. Napoleon der Dritte hat es nicht nöthig gehabt, sich mühsam aus der Ri- viera über die Apenninen herauszuwinken; die Oestreicher haben 1859 von vornherein dieselbe Stellung eingenommen, welche Beaulieu 1796 erst nach den Treffen von Montenotte, Millesimo und Dego wählte. Napoleon der Dritte hat Piemont zum Verbündeten, er ist sogar Piemonts Befreier. Der Dampf und alle ihm verwandten Kräfte, alle ihm dienstbar gemachten Mittel sind die gehorsamen Diener des dermaligen Kaisers der Franzosen. Während er von Toulon aus vermöge seiner Dampfer zwei Armeecorps im Nu in Genua ausschüttet, der alten Stadt, welche heute nur eine Provinzialstadt und eine Festung Sardiniens ist. während er nichts An¬ deres in der alten Dogenstadt zu thun hat, als was er 1854 in Konstantino¬ pel that, einen Platzcommandanten einzusetzen, welcher die Polizei nach pariser Muster organisirt und die Straßen und Brücken und Paläste nach französischen Erinnerungen benennt, welcher requirirt und commandirt, wie es die Fran¬ zosen nun einmal prächtiger und vernünftiger, weit rücksichtsloser, als irgend eine andre Nation verstehen, läßt Louis Napoleon zwei andre Armeecorps auf der Eisenbahn durch das 1815 neutralisirte, durch die Eisenbcchngescll- schaften deneutralisirte Savoyen an den Fuß des Mont Cenis befördern, und auf der ganzen Straße über den Schneepaß, aus weichem Hannibal mit Fein¬ den, Wetter und Felsenschluchten zu kämpfen hatte, auf welchem heute Post¬ kutschen fahren und unter welchem in wenigen Jahren Locomotiven hinweg¬ brausen werden, stehn viertausend Landsleute der Murmelthiere bereit und schaufeln und schaufeln, um den getreuen Bundesgenossen und Befreiern Ita¬ liens die Bahn so eben und breit als möglich zu machen, nach Susa hinab und noch weiter hinab nach Turin, welches die Linie der Dom baltea deckt, an der die piemontesischen Sappeurs alle Kunstmittel entfalten, mit deren Erkenntniß die Schulknaben auf den Genieschulen des civilisirten Europas nach der Schwierigkeit geplagt werden, damit sie wichtigere Dinge desto leich¬ ter und gründlicher vergessen lernen.

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_107046
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_107046/399
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_107046/399>, abgerufen am 22.12.2024.