Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, I. Semester. II. Band.Berlepsch-- die ihn ganz ausfüllte, und erst als er im Herbst 1798 wieder Berlepsch— die ihn ganz ausfüllte, und erst als er im Herbst 1798 wieder <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0346" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/107393"/> <p xml:id="ID_1020" prev="#ID_1019" next="#ID_1021"> Berlepsch— die ihn ganz ausfüllte, und erst als er im Herbst 1798 wieder<lb/> nach Weimar kam, wird das alte Verhältniß erneut. — Er schreibt 2. Sept.<lb/> an Otto: — „Die halbblinde Kalb ist leider nicht hier, mit hoher, heiterer<lb/> Seele erduldet sie ihre lange Nacht, aber oft auf einmal bricht, nach Herders<lb/> Versicherung, aus dieser bedeckten Seele ein breiter, glühender Strom."<lb/> 9. Oct.: „Die Berlepsch ist hier, sie hat ihre Briefe abgefordert. Ihr und<lb/> mein Betragen ist abgemessen. Gott gebe, daß es so rastüdtisch bleibe." —<lb/> 28. Dec. „Zu einer wichtigen Nachricht. Durch meinen bisherigen Nach¬<lb/> sommer wehen jetzt die Leidenschaften. — Die Titanide ist seit einigen Wochen<lb/> vom Lande zurück und will mich heirathen." — 29. Dec. „Kurz nach einem<lb/> Souper bei Herder — er achtet sie tief, und höher als die Berlepsch, und<lb/> küßte sie sogar im Feuer neben seiner Frau — und als derMiederschein dieser<lb/> Altarsflammen aus mich siel, sagte sie mir es gradezu. — Im Lenz, im<lb/> Lenz!--—Mit drei Worten! O! ich sagte der hohen heißen Seele einige<lb/> Tage darauf Nein! Und da ich eine Größe, Glut. Beredsamkeit hörte wie<lb/> nie, so bestand ich darauf, daß sie keinen Schritt für, wie ich keinen gegen<lb/> die Sache thun wolle. Denn sie glaubt, ihre Verwandte würden alles thun.<lb/> Ach! im März wäre alles vorbei, nämlich die Hochzeit. — Ich habe endlich<lb/> Festigkeit des Herzens gelernt — ich bin ganz schuldlos — ich sehe die hohe<lb/> geniale Liebe, die ich dir nicht mit diesem schwarzen Wasser malen kann —<lb/> aber es paßt nicht zu meinen Träumen. — Sonderbar setzt sich das Schicksal<lb/> an meinen Schreibtisch und tunkt ein. Ich kann dir nicht sagen, mit welcher<lb/> ernsten Berechnung auf meinen Titan das Geschick mich durch alle diese Feuer¬<lb/> proben in und außer mir, durch Weimar und durch gewisse Weiber führt.<lb/> Ach ich suche auch nichts weiter zu sein als ein Instrument in der Hand des<lb/> Verhängnisses. — Soll ich immer so spielen und hoffen und ausschlagen und<lb/> verfehlen? — Solche Weiber verblenden gegen jede stillere weibliche Luna."<lb/> — ö0. Dec. „Ihre Verwandten begegnen mir mit schöner Liebe, und ich<lb/> kann ruhig vor ihnen stehn, weil mein obiges Nein eisern steht. Ich habe zu<lb/> viele Ursachen dazu. Diese Titanide ist viel leichter zu wenden als die Berlepsch."<lb/> — «. Jan. 1799. „Jetzt habe ich mit der Titanide ein Elvsium — alles<lb/> ist leicht und recht, und gelöset. Ich schickte ihr den Tag nach der letzten<lb/> Stunde einen Brief. Ich sah sie darauf in ziemlichen Zwischenräumen immer<lb/> nur vor Zeugen. Ich hatte ihr einige Briefe von Emanuel gegeben ... Un¬<lb/> begreiflich wandte die schöne Seele, die aus diesen Briefen spricht, die ihrige<lb/> um, und da ich kam, fand ich die Liebe ohne Gleichen, ohne Ansprüche,<lb/> die Treue gegen die Kinder und etwas Höheres als alle Verhältnisse geben<lb/> . . . Es gibt nichts Heiligeres und Erhabeneres als ihre Liebe. Sie ist we¬<lb/> niger sinnlich als irgend ein Mädchen, man halte nur ihre ästhetische Philo¬<lb/> sophie über die Unschuld der Sinnlichkeit nicht für die Neigung zur letztern.</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0346]
Berlepsch— die ihn ganz ausfüllte, und erst als er im Herbst 1798 wieder
nach Weimar kam, wird das alte Verhältniß erneut. — Er schreibt 2. Sept.
an Otto: — „Die halbblinde Kalb ist leider nicht hier, mit hoher, heiterer
Seele erduldet sie ihre lange Nacht, aber oft auf einmal bricht, nach Herders
Versicherung, aus dieser bedeckten Seele ein breiter, glühender Strom."
9. Oct.: „Die Berlepsch ist hier, sie hat ihre Briefe abgefordert. Ihr und
mein Betragen ist abgemessen. Gott gebe, daß es so rastüdtisch bleibe." —
28. Dec. „Zu einer wichtigen Nachricht. Durch meinen bisherigen Nach¬
sommer wehen jetzt die Leidenschaften. — Die Titanide ist seit einigen Wochen
vom Lande zurück und will mich heirathen." — 29. Dec. „Kurz nach einem
Souper bei Herder — er achtet sie tief, und höher als die Berlepsch, und
küßte sie sogar im Feuer neben seiner Frau — und als derMiederschein dieser
Altarsflammen aus mich siel, sagte sie mir es gradezu. — Im Lenz, im
Lenz!--—Mit drei Worten! O! ich sagte der hohen heißen Seele einige
Tage darauf Nein! Und da ich eine Größe, Glut. Beredsamkeit hörte wie
nie, so bestand ich darauf, daß sie keinen Schritt für, wie ich keinen gegen
die Sache thun wolle. Denn sie glaubt, ihre Verwandte würden alles thun.
Ach! im März wäre alles vorbei, nämlich die Hochzeit. — Ich habe endlich
Festigkeit des Herzens gelernt — ich bin ganz schuldlos — ich sehe die hohe
geniale Liebe, die ich dir nicht mit diesem schwarzen Wasser malen kann —
aber es paßt nicht zu meinen Träumen. — Sonderbar setzt sich das Schicksal
an meinen Schreibtisch und tunkt ein. Ich kann dir nicht sagen, mit welcher
ernsten Berechnung auf meinen Titan das Geschick mich durch alle diese Feuer¬
proben in und außer mir, durch Weimar und durch gewisse Weiber führt.
Ach ich suche auch nichts weiter zu sein als ein Instrument in der Hand des
Verhängnisses. — Soll ich immer so spielen und hoffen und ausschlagen und
verfehlen? — Solche Weiber verblenden gegen jede stillere weibliche Luna."
— ö0. Dec. „Ihre Verwandten begegnen mir mit schöner Liebe, und ich
kann ruhig vor ihnen stehn, weil mein obiges Nein eisern steht. Ich habe zu
viele Ursachen dazu. Diese Titanide ist viel leichter zu wenden als die Berlepsch."
— «. Jan. 1799. „Jetzt habe ich mit der Titanide ein Elvsium — alles
ist leicht und recht, und gelöset. Ich schickte ihr den Tag nach der letzten
Stunde einen Brief. Ich sah sie darauf in ziemlichen Zwischenräumen immer
nur vor Zeugen. Ich hatte ihr einige Briefe von Emanuel gegeben ... Un¬
begreiflich wandte die schöne Seele, die aus diesen Briefen spricht, die ihrige
um, und da ich kam, fand ich die Liebe ohne Gleichen, ohne Ansprüche,
die Treue gegen die Kinder und etwas Höheres als alle Verhältnisse geben
. . . Es gibt nichts Heiligeres und Erhabeneres als ihre Liebe. Sie ist we¬
niger sinnlich als irgend ein Mädchen, man halte nur ihre ästhetische Philo¬
sophie über die Unschuld der Sinnlichkeit nicht für die Neigung zur letztern.
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