Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, I. Semester. II. Band.geblieben." -- (28. Juli): "Ich weiß nicht, wie ich zu der Sicherheit meines geblieben." — (28. Juli): „Ich weiß nicht, wie ich zu der Sicherheit meines <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0334" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/107381"/> <p xml:id="ID_994" prev="#ID_993" next="#ID_995"> geblieben." — (28. Juli): „Ich weiß nicht, wie ich zu der Sicherheit meines<lb/> Wesens, zu dem Anstand kam, den ich hier (bei der Herzogin Mutter) be¬<lb/> hauptete. Charlotte versicherte mir, daß ich es hier überall mit meinen<lb/> Manieren wagen dürfe. Ihre Idee von mir hat mir Zuversicht gegeben."<lb/> „Unser Verhältniß fängt an, hier ziemlich laut zu werden, und wird mit sehr<lb/> viel Achtung für uns beide behandelt. Selbst die Herzogin hat die Galan¬<lb/> terie, uns heute zusammen zu bitten, und daß es darum geschah, habe ich<lb/> von Wieland erfahren. Man ist in diesen Kleinigkeiten hier sehr fein, und<lb/> die Herzoginnen selbst lassen es an solchen kleinen Attentionen nicht fehlen."<lb/> Inzwischen 29. Juli: „Charlotte will behaupten, daß ich mich diesen Abend<lb/> (bei der Herzogin Mutter) zu frei betragen habe; sie zog mich auch auf die<lb/> Seite und gab mir einen Wink. Ich habe, sagte sie, auf einige Fragen,<lb/> die die Herzogin an mich gethan, nicht dieser, sondern ihr geantwortet und<lb/> die Herzogin stehn lassen. Es kann mir begegnet sein, denn ich besann mich<lb/> niemals, daß ich Rücksichten zu beobachten Hütte." „Die Wirkung, die der<lb/> Carlos auf Charlotte gemacht hatte, war mir angenehm, doch fehlte es ihr<lb/> (weil sie krank und schwach war) oft an Sammlung des Geistes, selbst an<lb/> Sinn. Die Stellen, die ich auf sie gleichsam berechnet habe, erreichten ihre<lb/> Wirkung ganz. Des Marquis Scene mit dem König that viel auf sie, aber<lb/> alles faßte sie nicht beim ersten Lesen. Auf sie wirkte die Schönburgsche Scene<lb/> (des Marquis mit der Königin) recht sehr, aber auch sie verstand nicht gleich,<lb/> was ich mit dem Ausgang derselben wollte." — 8. August: „Kannst du mir<lb/> glauben, daß es mir schwer, beinahe unmöglich füllt, euch über Charlotte<lb/> zu schreiben? Und ich kann dir nicht einmal sagen, warum. Unser Verhältniß<lb/> ist — wenn du diesen Ausdruck verstehn kannst, wie die geoffenbarte Reli¬<lb/> gion auf den Glauben gestützt. Die Resultate langer Prüfungen, langsamer<lb/> Fortschritte des menschlichen Geistes sind bei dieser aus eine mystische Weise<lb/> avancirt, weil die Vernunft zu langsam dahin gelangt sein würde. Derselbe<lb/> Fall ist mit Charlotten und mir. Wir haben mit der Ahnung des Resul¬<lb/> tates angefangen und müssen jetzt unsere Religion durch den Verstand unter¬<lb/> suchen und befestigen. Hier wie dort zeigen sich also nothwendig alle Epochen<lb/> des Fanatismus, Skepticismus, des Aberglaubens und Unglaubens, und<lb/> dann wahrscheinlich am Ende ein reiner und billiger Vernunftglaube, der<lb/> der alleinseligmachende ist. Es ist mir wahrscheinlich, daß der Keim einer<lb/> unerschütterlichen Freundschaft in uns beiden vorhanden ist, aber er wartet<lb/> noch auf seine Entwicklung. In Charlottens Gemüth ist übrigens mehr Ein¬<lb/> heit als in dem meinigen, wenn sie schon wandelbarer in ihren Launen und<lb/> Stimmungen ist. Lange Einsamkeit und ein eigensinniger Hang ihres Wesens<lb/> haben mein Bild in ihrer Seele tiefer und fester gegründet, als bei mir der<lb/> Fall sein konnte mit dem ihrigen. Ich habe dir nicht geschrieben, welche</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0334]
geblieben." — (28. Juli): „Ich weiß nicht, wie ich zu der Sicherheit meines
Wesens, zu dem Anstand kam, den ich hier (bei der Herzogin Mutter) be¬
hauptete. Charlotte versicherte mir, daß ich es hier überall mit meinen
Manieren wagen dürfe. Ihre Idee von mir hat mir Zuversicht gegeben."
„Unser Verhältniß fängt an, hier ziemlich laut zu werden, und wird mit sehr
viel Achtung für uns beide behandelt. Selbst die Herzogin hat die Galan¬
terie, uns heute zusammen zu bitten, und daß es darum geschah, habe ich
von Wieland erfahren. Man ist in diesen Kleinigkeiten hier sehr fein, und
die Herzoginnen selbst lassen es an solchen kleinen Attentionen nicht fehlen."
Inzwischen 29. Juli: „Charlotte will behaupten, daß ich mich diesen Abend
(bei der Herzogin Mutter) zu frei betragen habe; sie zog mich auch auf die
Seite und gab mir einen Wink. Ich habe, sagte sie, auf einige Fragen,
die die Herzogin an mich gethan, nicht dieser, sondern ihr geantwortet und
die Herzogin stehn lassen. Es kann mir begegnet sein, denn ich besann mich
niemals, daß ich Rücksichten zu beobachten Hütte." „Die Wirkung, die der
Carlos auf Charlotte gemacht hatte, war mir angenehm, doch fehlte es ihr
(weil sie krank und schwach war) oft an Sammlung des Geistes, selbst an
Sinn. Die Stellen, die ich auf sie gleichsam berechnet habe, erreichten ihre
Wirkung ganz. Des Marquis Scene mit dem König that viel auf sie, aber
alles faßte sie nicht beim ersten Lesen. Auf sie wirkte die Schönburgsche Scene
(des Marquis mit der Königin) recht sehr, aber auch sie verstand nicht gleich,
was ich mit dem Ausgang derselben wollte." — 8. August: „Kannst du mir
glauben, daß es mir schwer, beinahe unmöglich füllt, euch über Charlotte
zu schreiben? Und ich kann dir nicht einmal sagen, warum. Unser Verhältniß
ist — wenn du diesen Ausdruck verstehn kannst, wie die geoffenbarte Reli¬
gion auf den Glauben gestützt. Die Resultate langer Prüfungen, langsamer
Fortschritte des menschlichen Geistes sind bei dieser aus eine mystische Weise
avancirt, weil die Vernunft zu langsam dahin gelangt sein würde. Derselbe
Fall ist mit Charlotten und mir. Wir haben mit der Ahnung des Resul¬
tates angefangen und müssen jetzt unsere Religion durch den Verstand unter¬
suchen und befestigen. Hier wie dort zeigen sich also nothwendig alle Epochen
des Fanatismus, Skepticismus, des Aberglaubens und Unglaubens, und
dann wahrscheinlich am Ende ein reiner und billiger Vernunftglaube, der
der alleinseligmachende ist. Es ist mir wahrscheinlich, daß der Keim einer
unerschütterlichen Freundschaft in uns beiden vorhanden ist, aber er wartet
noch auf seine Entwicklung. In Charlottens Gemüth ist übrigens mehr Ein¬
heit als in dem meinigen, wenn sie schon wandelbarer in ihren Launen und
Stimmungen ist. Lange Einsamkeit und ein eigensinniger Hang ihres Wesens
haben mein Bild in ihrer Seele tiefer und fester gegründet, als bei mir der
Fall sein konnte mit dem ihrigen. Ich habe dir nicht geschrieben, welche
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