Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, I. Semester. II. Band.1786) einem ungeliebten Mann von Adel die Hand und starb im ersten Im Mai 1784 reisten sie über Mannheim nach Landau, wo das Re¬ Frau von Kalb schloß sich jetzt dem Kreis der Sophie Laroche an 1786) einem ungeliebten Mann von Adel die Hand und starb im ersten Im Mai 1784 reisten sie über Mannheim nach Landau, wo das Re¬ Frau von Kalb schloß sich jetzt dem Kreis der Sophie Laroche an <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0332" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/107379"/> <p xml:id="ID_989" prev="#ID_988"> 1786) einem ungeliebten Mann von Adel die Hand und starb im ersten<lb/> Kindbett; gleichzeitig siel der Bruder im Duell. Eine zweite Schwester,<lb/> Leonore, wurde, 17 Jahr alt. Ende 1782, ohne Neigung ja mit unverhohlenem<lb/> Abscheu, mit dem Präsidenten Kalb vermählt, der nun die in einen bedenk¬<lb/> lichen Proceß verwickelten Ostheimschcn Güter verwaltete. Um darin ganz<lb/> freie Hand zu haben, führte er Sept. 1783 seinen Bruder, den Major Hein¬<lb/> rich von Kalb, der sich in Amerika in französischen Diensten ausgezeichnet,<lb/> bei seiner Schwägerin Charlotte ein; die beiden heiratheten sich Nov. 1783<lb/> und brachten die erste Zeit ihrer Ehe in Vnireuth zu: er ein edler, Frauen<lb/> sehr gefährlicher Mann, sie eine schone Seele, aber es scheinen von Anfang an<lb/> wenig Berührungspunkte stattgefunden zu haben, und über die Pflichten dachte<lb/> man damals in der guten Gesellschaft sehr französisch.</p><lb/> <p xml:id="ID_990"> Im Mai 1784 reisten sie über Mannheim nach Landau, wo das Re¬<lb/> giment des Herrn v. Kalb in Garnison stand. Schiller, damals Theaterdichter<lb/> in Mannheim, war ihnen durch seinen Schwager empfohlen; er schreibt 7. Juli<lb/> an Fran o. W olzogen. „Vor einem Monat waren Herr und Frau von Kalb<lb/> hier und machten nur durch ihre Gesellschaft einige sehr angenehme Tage.<lb/> Die Frau besonders zeigt sehr viel Geist und gehört nicht zu den gewöhn¬<lb/> lichen Frauenzimmcrseelcn. Sie ließen mich wenig von ihrer Seite und ich<lb/> hatte das Vergnügen, ihnen einiges Merkwürdige in Mannheim zu zeigen."<lb/> Ende Juli kam Charlotte allein nach Mannheim; die Anwesenheit einer Dame<lb/> in einer Garnisonstadt schien unschicklich; ihr Gemahl besuchte sie von Lan¬<lb/> dau aus wöchentlich zweimal. Schiller wurde ihr sast täglicher Umgang, an<lb/> sie dachte er bei seinen Dichtungen, sie versinnlichte ihm zum ersten Mal eine<lb/> ideale Welt. Nebenbei hatte er eine „miserable Leidenschaft" hinter den<lb/> Coulissen (Katharine Baumann), und eine mehr gesetzte (Margarethe Schwan),<lb/> sein Herz war damals sehr empfänglich. Leider haben wir über diese Zeit<lb/> kein anderes Zeugniß als die Memoiren der Frau von Kalb, die ein halbes<lb/> Jahrhundert später geschrieben und phantastisch gefärbt sind. Wenn die<lb/> „Freigeisterei der Leidenschaft", die in der Thalia Anfang 1786 erschien, ans<lb/> den Eindrücken dieser Zeit hervorging, so wirkte das Verhältniß wenigstens<lb/> auf die Phantasie nicht grade beruhigend. Als die Mannheimer Zustände<lb/> ihm unerträglich wurden und er April 1785 dem Ruf seiner Freunde nach<lb/> Leipzig folgte, kostete es ihn einen schweren Kampf, sich von Cha^ete los¬<lb/> zureißen; in diesem Punkt ist ihr Zeugniß vollgiltig. Beim Abschied sagten<lb/> sie sich das erste Du!</p><lb/> <p xml:id="ID_991" next="#ID_992"> Frau von Kalb schloß sich jetzt dem Kreis der Sophie Laroche an<lb/> Bonstetten. Matthisson — Ostern 1786 verließ sie Mannheim und ging auf<lb/> das Gut ihres Schwiegervaters Kalbsrieth, wo sie bereits merkte, daß<lb/> ihre Augen krank und schwach wurden; von da April 1787 nach Gotha, im</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0332]
1786) einem ungeliebten Mann von Adel die Hand und starb im ersten
Kindbett; gleichzeitig siel der Bruder im Duell. Eine zweite Schwester,
Leonore, wurde, 17 Jahr alt. Ende 1782, ohne Neigung ja mit unverhohlenem
Abscheu, mit dem Präsidenten Kalb vermählt, der nun die in einen bedenk¬
lichen Proceß verwickelten Ostheimschcn Güter verwaltete. Um darin ganz
freie Hand zu haben, führte er Sept. 1783 seinen Bruder, den Major Hein¬
rich von Kalb, der sich in Amerika in französischen Diensten ausgezeichnet,
bei seiner Schwägerin Charlotte ein; die beiden heiratheten sich Nov. 1783
und brachten die erste Zeit ihrer Ehe in Vnireuth zu: er ein edler, Frauen
sehr gefährlicher Mann, sie eine schone Seele, aber es scheinen von Anfang an
wenig Berührungspunkte stattgefunden zu haben, und über die Pflichten dachte
man damals in der guten Gesellschaft sehr französisch.
Im Mai 1784 reisten sie über Mannheim nach Landau, wo das Re¬
giment des Herrn v. Kalb in Garnison stand. Schiller, damals Theaterdichter
in Mannheim, war ihnen durch seinen Schwager empfohlen; er schreibt 7. Juli
an Fran o. W olzogen. „Vor einem Monat waren Herr und Frau von Kalb
hier und machten nur durch ihre Gesellschaft einige sehr angenehme Tage.
Die Frau besonders zeigt sehr viel Geist und gehört nicht zu den gewöhn¬
lichen Frauenzimmcrseelcn. Sie ließen mich wenig von ihrer Seite und ich
hatte das Vergnügen, ihnen einiges Merkwürdige in Mannheim zu zeigen."
Ende Juli kam Charlotte allein nach Mannheim; die Anwesenheit einer Dame
in einer Garnisonstadt schien unschicklich; ihr Gemahl besuchte sie von Lan¬
dau aus wöchentlich zweimal. Schiller wurde ihr sast täglicher Umgang, an
sie dachte er bei seinen Dichtungen, sie versinnlichte ihm zum ersten Mal eine
ideale Welt. Nebenbei hatte er eine „miserable Leidenschaft" hinter den
Coulissen (Katharine Baumann), und eine mehr gesetzte (Margarethe Schwan),
sein Herz war damals sehr empfänglich. Leider haben wir über diese Zeit
kein anderes Zeugniß als die Memoiren der Frau von Kalb, die ein halbes
Jahrhundert später geschrieben und phantastisch gefärbt sind. Wenn die
„Freigeisterei der Leidenschaft", die in der Thalia Anfang 1786 erschien, ans
den Eindrücken dieser Zeit hervorging, so wirkte das Verhältniß wenigstens
auf die Phantasie nicht grade beruhigend. Als die Mannheimer Zustände
ihm unerträglich wurden und er April 1785 dem Ruf seiner Freunde nach
Leipzig folgte, kostete es ihn einen schweren Kampf, sich von Cha^ete los¬
zureißen; in diesem Punkt ist ihr Zeugniß vollgiltig. Beim Abschied sagten
sie sich das erste Du!
Frau von Kalb schloß sich jetzt dem Kreis der Sophie Laroche an
Bonstetten. Matthisson — Ostern 1786 verließ sie Mannheim und ging auf
das Gut ihres Schwiegervaters Kalbsrieth, wo sie bereits merkte, daß
ihre Augen krank und schwach wurden; von da April 1787 nach Gotha, im
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |