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Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, I. Semester. II. Band.

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dem Großherzogthum Hessen, woselbst nach dem Gesetz vom 26. Juli 1848
nur diejenigen Eigenthümer, welche nachweisen konnten, daß sie die in Rede
stehenden Berechtigungen innerhalb der letzten dreißig Jahre erworben hatten,
entschädigt werden sollten.

In wie fern die damaligen Regierungen durch die Zeitverhältnisse ge¬
nöthigt oder berechtigt waren, solche Gesetze zu erlassen, ist eine Frage, bei
deren Beantwortung weniger der Maßstab des strengen Rechtes, als der Klug¬
heit und Vorsicht angelegt werden muß. Wir lebten damals inmitten einer
Revolution, und keine Regierung hatte die Macht, diese Bestrebungen mit
Gewalt niederzuhalten; -- es war deshalb klug, um größeren Uebelständen
zu begegnen Concessionen zu machen, welche geeignet waren möglichst zu ver¬
hüten, daß die noch ruhige Masse der besitzenden ländlichen Bevölkerung von
der Revolution ergriffen werde.

Zu diesen Concessionen gehörten vorzugsweise die Gesetze über Aufhebung
der Jagdberechtigungen auf fremden Grund und Boden oder nicht sowol
Aufhebung als Uebertragung dieser Rechte an andere Personen oder Kor¬
porationen, als diejenigen, welche bis dahin im Besitz dieser wohlerworbenen
Rechte waren. Ein solches rücksichtsloses Vorgehen war aber ganz unver¬
meidlich, da die Beseitigung dieses Rechtes, wie es bis dahin bestanden hatte,
ganz allgemein und zwar in der damals beliebten dictatorischen, selbst vielfach
drohenden Weise verlangt wurde.

Preußen hatte anfänglich sogar die Jagden allen Grundeigenthümern
ganz frei gegeben, -- als dieses jedoch zu exorbitanten Excessen führte, unter¬
warf die Regierung durch ein weiteres Gesetz dieses Recht mannigfachen Be¬
schränkungen.

Andere Staaten zögerten mit der Aufhebung, bis die deutschen Grund¬
rechte durch die Nationalversammlung verkündet wurden, in welchen aus¬
gesprochen ist, daß im Grundeigenthum die Berechtigung zur Jagd auf eig¬
nem Grund und Boden liege, und daß die Jagdberechtigung auf fremdem
Grund und Boden, Jagddienstfrohnden und andere Leistungen sür Jagdzwecke
ohne Entschädigung aufgehoben seien. Dieses war besonders in den kleineren
Staaten der Fall, so im Jahr 1849 in Sachsen-Weimar, 18S0 in Anhalt-
Bernburg, 1852 in Oldenburg. Coburg-Gotha, Waldeck, Reuß jüngere Linie.

War nun die erfolgte Aufhebung der fraglichen Berechtigungen allerdings
durch die Staatsklugheit geboten, so tritt, wie oben erwähnt, die Frage der
Rechtsbeständigkeit der betreffenden Gesetze mehr in den Hintergrund, obgleich
es nicht zu bezweifeln sein dürste, daß wenigstens in den meisten Fällen deren
formelle Giltigkeit leicht nachzuweisen ist, indem sie mit Zustimmung aller
Factoren der Gesetzgebung zu Stande gekommen, auf verfassungsmäßigen
Wege verkündet worden sind, ohne Widerspruch oder geeignete Vorbehalte von


dem Großherzogthum Hessen, woselbst nach dem Gesetz vom 26. Juli 1848
nur diejenigen Eigenthümer, welche nachweisen konnten, daß sie die in Rede
stehenden Berechtigungen innerhalb der letzten dreißig Jahre erworben hatten,
entschädigt werden sollten.

In wie fern die damaligen Regierungen durch die Zeitverhältnisse ge¬
nöthigt oder berechtigt waren, solche Gesetze zu erlassen, ist eine Frage, bei
deren Beantwortung weniger der Maßstab des strengen Rechtes, als der Klug¬
heit und Vorsicht angelegt werden muß. Wir lebten damals inmitten einer
Revolution, und keine Regierung hatte die Macht, diese Bestrebungen mit
Gewalt niederzuhalten; — es war deshalb klug, um größeren Uebelständen
zu begegnen Concessionen zu machen, welche geeignet waren möglichst zu ver¬
hüten, daß die noch ruhige Masse der besitzenden ländlichen Bevölkerung von
der Revolution ergriffen werde.

Zu diesen Concessionen gehörten vorzugsweise die Gesetze über Aufhebung
der Jagdberechtigungen auf fremden Grund und Boden oder nicht sowol
Aufhebung als Uebertragung dieser Rechte an andere Personen oder Kor¬
porationen, als diejenigen, welche bis dahin im Besitz dieser wohlerworbenen
Rechte waren. Ein solches rücksichtsloses Vorgehen war aber ganz unver¬
meidlich, da die Beseitigung dieses Rechtes, wie es bis dahin bestanden hatte,
ganz allgemein und zwar in der damals beliebten dictatorischen, selbst vielfach
drohenden Weise verlangt wurde.

Preußen hatte anfänglich sogar die Jagden allen Grundeigenthümern
ganz frei gegeben, — als dieses jedoch zu exorbitanten Excessen führte, unter¬
warf die Regierung durch ein weiteres Gesetz dieses Recht mannigfachen Be¬
schränkungen.

Andere Staaten zögerten mit der Aufhebung, bis die deutschen Grund¬
rechte durch die Nationalversammlung verkündet wurden, in welchen aus¬
gesprochen ist, daß im Grundeigenthum die Berechtigung zur Jagd auf eig¬
nem Grund und Boden liege, und daß die Jagdberechtigung auf fremdem
Grund und Boden, Jagddienstfrohnden und andere Leistungen sür Jagdzwecke
ohne Entschädigung aufgehoben seien. Dieses war besonders in den kleineren
Staaten der Fall, so im Jahr 1849 in Sachsen-Weimar, 18S0 in Anhalt-
Bernburg, 1852 in Oldenburg. Coburg-Gotha, Waldeck, Reuß jüngere Linie.

War nun die erfolgte Aufhebung der fraglichen Berechtigungen allerdings
durch die Staatsklugheit geboten, so tritt, wie oben erwähnt, die Frage der
Rechtsbeständigkeit der betreffenden Gesetze mehr in den Hintergrund, obgleich
es nicht zu bezweifeln sein dürste, daß wenigstens in den meisten Fällen deren
formelle Giltigkeit leicht nachzuweisen ist, indem sie mit Zustimmung aller
Factoren der Gesetzgebung zu Stande gekommen, auf verfassungsmäßigen
Wege verkündet worden sind, ohne Widerspruch oder geeignete Vorbehalte von


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[0024] dem Großherzogthum Hessen, woselbst nach dem Gesetz vom 26. Juli 1848 nur diejenigen Eigenthümer, welche nachweisen konnten, daß sie die in Rede stehenden Berechtigungen innerhalb der letzten dreißig Jahre erworben hatten, entschädigt werden sollten. In wie fern die damaligen Regierungen durch die Zeitverhältnisse ge¬ nöthigt oder berechtigt waren, solche Gesetze zu erlassen, ist eine Frage, bei deren Beantwortung weniger der Maßstab des strengen Rechtes, als der Klug¬ heit und Vorsicht angelegt werden muß. Wir lebten damals inmitten einer Revolution, und keine Regierung hatte die Macht, diese Bestrebungen mit Gewalt niederzuhalten; — es war deshalb klug, um größeren Uebelständen zu begegnen Concessionen zu machen, welche geeignet waren möglichst zu ver¬ hüten, daß die noch ruhige Masse der besitzenden ländlichen Bevölkerung von der Revolution ergriffen werde. Zu diesen Concessionen gehörten vorzugsweise die Gesetze über Aufhebung der Jagdberechtigungen auf fremden Grund und Boden oder nicht sowol Aufhebung als Uebertragung dieser Rechte an andere Personen oder Kor¬ porationen, als diejenigen, welche bis dahin im Besitz dieser wohlerworbenen Rechte waren. Ein solches rücksichtsloses Vorgehen war aber ganz unver¬ meidlich, da die Beseitigung dieses Rechtes, wie es bis dahin bestanden hatte, ganz allgemein und zwar in der damals beliebten dictatorischen, selbst vielfach drohenden Weise verlangt wurde. Preußen hatte anfänglich sogar die Jagden allen Grundeigenthümern ganz frei gegeben, — als dieses jedoch zu exorbitanten Excessen führte, unter¬ warf die Regierung durch ein weiteres Gesetz dieses Recht mannigfachen Be¬ schränkungen. Andere Staaten zögerten mit der Aufhebung, bis die deutschen Grund¬ rechte durch die Nationalversammlung verkündet wurden, in welchen aus¬ gesprochen ist, daß im Grundeigenthum die Berechtigung zur Jagd auf eig¬ nem Grund und Boden liege, und daß die Jagdberechtigung auf fremdem Grund und Boden, Jagddienstfrohnden und andere Leistungen sür Jagdzwecke ohne Entschädigung aufgehoben seien. Dieses war besonders in den kleineren Staaten der Fall, so im Jahr 1849 in Sachsen-Weimar, 18S0 in Anhalt- Bernburg, 1852 in Oldenburg. Coburg-Gotha, Waldeck, Reuß jüngere Linie. War nun die erfolgte Aufhebung der fraglichen Berechtigungen allerdings durch die Staatsklugheit geboten, so tritt, wie oben erwähnt, die Frage der Rechtsbeständigkeit der betreffenden Gesetze mehr in den Hintergrund, obgleich es nicht zu bezweifeln sein dürste, daß wenigstens in den meisten Fällen deren formelle Giltigkeit leicht nachzuweisen ist, indem sie mit Zustimmung aller Factoren der Gesetzgebung zu Stande gekommen, auf verfassungsmäßigen Wege verkündet worden sind, ohne Widerspruch oder geeignete Vorbehalte von

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_107046/24>, abgerufen am 22.12.2024.