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Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, I. Semester. II. Band.

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geben, von denen ich weiß, daß sie Antipathie gegen mich haben, so würde
ich mich ihm sehr hingeben; aber auf diese Weise lege ich einen langsamen
Eroberungsplan auf ihn an."-- 11. Den. "Mit Forsters und mir sängt es
an, sich sehr gut zu machen. Wir sind nahe daran, einen Cirkel unterein¬
ander zu bilden, wie ich ihn so sehr brauchte. Zur Reibung ist Förster vor¬
trefflich ; er hat unendlich viel und weitumfassendes Feuer, nichts Ausschließen¬
des; man kann ihn für alles entzünden, was bei Heinse durchaus der Fall
nicht ist; der brennt immer an einer Stelle fort, außer dieser ists Eiseskälte."
-- Die Bekanntschaft, erzählt Therese. machte sich langsam, Förster und seine
Frau wurden durch Hubers Eigenheiten nicht angezogen; der erste hatte das
Gefühl, daß dieser junge Mann in seinem unthätigen schwankenden Sehnen
nach einer Bestimmung seiner Kräfte zu Grunde ginge. Literarisches Interesse
führte sie endlich näher. In dieser Gesellschaft sand Huber, was. er bedürfte,
um seinem Charakter Festigkeit zu geben: strenge Rüge kleinlicher Gewohn¬
heiten, gesellschaftlicher Nachlässigkeit. Aufforderung zur Thätigkeit, vielseitige
Ansicht des Menschen und der Dinge.

Im Anfang beriethen die Freunde am eifrigsten Hubers dramatische Ver¬
suche; sein Schmerzenskind, das heimliche Gericht, sollte nun endlich zur
Welt kommen. Im Februar 1788 hatte Schiller den Anfang in seiner Thalia
zugleich mit seinem Geisterseher abdrucken lassen; die geheime Mordthat, das
Vehmgericht und die unterirdische Hohle des erster" stimmten auch ganz gut
zu dem Wundcrapparat des andern. Die Freimaurer in Weimar schmeichelten
dem Verfasser, indem sie tiefere Beziehungen darin erkannten. Fast Woche für
Woche wurde mit Körner brieflich und mit Förster in persönlichem Verkehr über
die weitere EntwickclungRath gehalten. Es ist rührend, diese vergeblichen Anstren¬
gungen zu verfolgen, das Stück wollte nicht vorwärtsrückcn und Huber wurde mit¬
unter hoffnungslos. So spricht er z. B. 12. März 1789 gegen Körner dieUeberzeu-
gung aus, das Trauerspiel werde ein schlechtes Ganze werden. "Durch das abge¬
rissene langsame Arbeiten verliert sich der>fließende unmerkliche Zusammenhang der
Theile; man ersetzt ihn durch Künsteleien, Sophistereien, Seiltänzereien, stellt hier
und da diesen und jenen Erfordernissen des Plans zu Gefallen seine Charaktere
auf Nadelspitzen, und Wahrheit, Simplicität wird dabei, zu Schanden." Zu
andern Zeiten hatte er wieder ein nicht geringes Bewußtsein und fühlte sich
von der Hand des Gottes berührt. Nach einer langen Conferenz mit Iffland
und sorgfältiger Erwägung der theatralischen Rücksichten wurde das Stück zu
Ende 1789 fertig. Göschen nahm es für zweihundert Thaler in Verlag und
zu Mannheim wurde es 13. Febr. 1790 aufgeführt. Man hatte dort die
Scenen ziemlich willkürlich durcheinandergeworfen und es fand wenig Beifall und
Verständniß. Eine Recension in der Leipziger Zeitung Nov. 1790 sprach M)
sehr mißfällig aus, die Göttinger Gelehrten Anzeigen im Ganzen lobend, wenn


geben, von denen ich weiß, daß sie Antipathie gegen mich haben, so würde
ich mich ihm sehr hingeben; aber auf diese Weise lege ich einen langsamen
Eroberungsplan auf ihn an."— 11. Den. „Mit Forsters und mir sängt es
an, sich sehr gut zu machen. Wir sind nahe daran, einen Cirkel unterein¬
ander zu bilden, wie ich ihn so sehr brauchte. Zur Reibung ist Förster vor¬
trefflich ; er hat unendlich viel und weitumfassendes Feuer, nichts Ausschließen¬
des; man kann ihn für alles entzünden, was bei Heinse durchaus der Fall
nicht ist; der brennt immer an einer Stelle fort, außer dieser ists Eiseskälte."
— Die Bekanntschaft, erzählt Therese. machte sich langsam, Förster und seine
Frau wurden durch Hubers Eigenheiten nicht angezogen; der erste hatte das
Gefühl, daß dieser junge Mann in seinem unthätigen schwankenden Sehnen
nach einer Bestimmung seiner Kräfte zu Grunde ginge. Literarisches Interesse
führte sie endlich näher. In dieser Gesellschaft sand Huber, was. er bedürfte,
um seinem Charakter Festigkeit zu geben: strenge Rüge kleinlicher Gewohn¬
heiten, gesellschaftlicher Nachlässigkeit. Aufforderung zur Thätigkeit, vielseitige
Ansicht des Menschen und der Dinge.

Im Anfang beriethen die Freunde am eifrigsten Hubers dramatische Ver¬
suche; sein Schmerzenskind, das heimliche Gericht, sollte nun endlich zur
Welt kommen. Im Februar 1788 hatte Schiller den Anfang in seiner Thalia
zugleich mit seinem Geisterseher abdrucken lassen; die geheime Mordthat, das
Vehmgericht und die unterirdische Hohle des erster» stimmten auch ganz gut
zu dem Wundcrapparat des andern. Die Freimaurer in Weimar schmeichelten
dem Verfasser, indem sie tiefere Beziehungen darin erkannten. Fast Woche für
Woche wurde mit Körner brieflich und mit Förster in persönlichem Verkehr über
die weitere EntwickclungRath gehalten. Es ist rührend, diese vergeblichen Anstren¬
gungen zu verfolgen, das Stück wollte nicht vorwärtsrückcn und Huber wurde mit¬
unter hoffnungslos. So spricht er z. B. 12. März 1789 gegen Körner dieUeberzeu-
gung aus, das Trauerspiel werde ein schlechtes Ganze werden. „Durch das abge¬
rissene langsame Arbeiten verliert sich der>fließende unmerkliche Zusammenhang der
Theile; man ersetzt ihn durch Künsteleien, Sophistereien, Seiltänzereien, stellt hier
und da diesen und jenen Erfordernissen des Plans zu Gefallen seine Charaktere
auf Nadelspitzen, und Wahrheit, Simplicität wird dabei, zu Schanden." Zu
andern Zeiten hatte er wieder ein nicht geringes Bewußtsein und fühlte sich
von der Hand des Gottes berührt. Nach einer langen Conferenz mit Iffland
und sorgfältiger Erwägung der theatralischen Rücksichten wurde das Stück zu
Ende 1789 fertig. Göschen nahm es für zweihundert Thaler in Verlag und
zu Mannheim wurde es 13. Febr. 1790 aufgeführt. Man hatte dort die
Scenen ziemlich willkürlich durcheinandergeworfen und es fand wenig Beifall und
Verständniß. Eine Recension in der Leipziger Zeitung Nov. 1790 sprach M)
sehr mißfällig aus, die Göttinger Gelehrten Anzeigen im Ganzen lobend, wenn


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_107046/220>, abgerufen am 22.12.2024.