Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, I. Semester. II. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

ducum, welches ihnen das fehlende wirkliche ersetzte. Wie wichtig ihnen die
unmittelbare Berührung mit diesem Publicum erschien, zeigt am schlagendsten
ein wenig beachteter Umstand. Als Schiller im Frühling 1804 Berlin besuchte,
wurde ihm ein Jahrgehalt von 'dreitausend Thalern angeboten, wen" er nach
Berlin übersiedeln wollte. Obgleich er hier bei der unendlich vollkommeneren
Ausbildung des Theaters für seine Kunst nur gewinnen konnte, wies er das
Anerbieten ohne Zögern von der Hand, als ihmder Herzog -- achthundert Thaler
zusicherte. Und doch war Schiller, wie wir aus seinen Briefen sehen, ohne
irgend wie habsüchtig zu sein, auf seinen weltlichen Vortheil wohlbedacht, wie
es auch die Pflicht eines Familienvaters war. Dankbarkeit gegen den Herzog
allein konnte es nicht machen, sein persönliches Verhältniß zu diesem war
gering, ebenso zu den Honoratioren von Weimar, wie schon sein sonderbares
Begräbnis) zeigt. Es war zunächst Freundschaft sür Goethe, dem man frei¬
lich, wenn er Schiller begleiten wollte, in Berlin ein gleiches Gehalt zu¬
sicherte, der aber an Weimar durch seine Pflicht gebunden war; hauptsächlich
aber das instinctartige Gefühl, künstlerisch nur in der Atmosphäre gedeihen zu
können, in der er groß gewachsen war. "Wer nicht die Welt in seinen Freun¬
den sieht, verdient nicht, daß die Welt von ihm erfahre."

Wir haben nun den Vorzug, von diesen Beziehungen der Freundschaft
zu dem poetischen Schaffen in den zahllosen Korrespondenzen jener Tage uns
ein anschauliches Bild zu schaffen, und da alle Beziehungen jener Zeit per¬
sönlicher Natur waren, uns das ideale Publicum vor Augen zu stellen, das
die Nation ersetzte. Aus dem Briefwechsel Schillers mit Goethe, Humboldt,
Körner gewinnen wir eine weit vollständigere Einsicht in seine Poetik, als
aus seinen ästhetischen Schriften. Huber kommt zwar jenen an Bedeutung
nicht gleich, auch stand er Schiller nicht so nahe, doch hat er vor ihnen zwei
Vorzüge. Zunächst war er wirklicher Kritiker und neben Schlegel, den er in
Manchen Punkten- übertraf, der bedeutendste jener Periode; dann hatte er
Beziehungen zur Politik, die dem Kreise von Weimar und Jena fehlten, und
vermittelt so zwischen zwei Zeitaltern. Therese, seine Frau, hat zwar ihrem
biographischen Versuch ewige von seinen Briefen und einige von seinen spä¬
tern Recensionen hinzugefügt, es wäre aber wünschenswerth, eine vollstän¬
digere Ausgabe davon zu veranstalten, wobei die ältern Kritiken und Auszüge
aus Artikeln der Allgemeinen Zeitung, die. iii dies. Gebiet einschlagen, nicht
fehlen dürsten. Zu einem solchen Unternehmen anzuregen, ist zum Theil der
Zweck der folgenden Skizze.

Michael Huber, der Vater, war 1727 zu Frankenhausen in Oberbaiern
geboren und in seinem sechzehnten Jahr als armer Knabe nach Paris ge¬
kommen. Wie es ihm dort gelang, zu den literarischen Cirkeln Zugang zu


26*

ducum, welches ihnen das fehlende wirkliche ersetzte. Wie wichtig ihnen die
unmittelbare Berührung mit diesem Publicum erschien, zeigt am schlagendsten
ein wenig beachteter Umstand. Als Schiller im Frühling 1804 Berlin besuchte,
wurde ihm ein Jahrgehalt von 'dreitausend Thalern angeboten, wen» er nach
Berlin übersiedeln wollte. Obgleich er hier bei der unendlich vollkommeneren
Ausbildung des Theaters für seine Kunst nur gewinnen konnte, wies er das
Anerbieten ohne Zögern von der Hand, als ihmder Herzog — achthundert Thaler
zusicherte. Und doch war Schiller, wie wir aus seinen Briefen sehen, ohne
irgend wie habsüchtig zu sein, auf seinen weltlichen Vortheil wohlbedacht, wie
es auch die Pflicht eines Familienvaters war. Dankbarkeit gegen den Herzog
allein konnte es nicht machen, sein persönliches Verhältniß zu diesem war
gering, ebenso zu den Honoratioren von Weimar, wie schon sein sonderbares
Begräbnis) zeigt. Es war zunächst Freundschaft sür Goethe, dem man frei¬
lich, wenn er Schiller begleiten wollte, in Berlin ein gleiches Gehalt zu¬
sicherte, der aber an Weimar durch seine Pflicht gebunden war; hauptsächlich
aber das instinctartige Gefühl, künstlerisch nur in der Atmosphäre gedeihen zu
können, in der er groß gewachsen war. „Wer nicht die Welt in seinen Freun¬
den sieht, verdient nicht, daß die Welt von ihm erfahre."

Wir haben nun den Vorzug, von diesen Beziehungen der Freundschaft
zu dem poetischen Schaffen in den zahllosen Korrespondenzen jener Tage uns
ein anschauliches Bild zu schaffen, und da alle Beziehungen jener Zeit per¬
sönlicher Natur waren, uns das ideale Publicum vor Augen zu stellen, das
die Nation ersetzte. Aus dem Briefwechsel Schillers mit Goethe, Humboldt,
Körner gewinnen wir eine weit vollständigere Einsicht in seine Poetik, als
aus seinen ästhetischen Schriften. Huber kommt zwar jenen an Bedeutung
nicht gleich, auch stand er Schiller nicht so nahe, doch hat er vor ihnen zwei
Vorzüge. Zunächst war er wirklicher Kritiker und neben Schlegel, den er in
Manchen Punkten- übertraf, der bedeutendste jener Periode; dann hatte er
Beziehungen zur Politik, die dem Kreise von Weimar und Jena fehlten, und
vermittelt so zwischen zwei Zeitaltern. Therese, seine Frau, hat zwar ihrem
biographischen Versuch ewige von seinen Briefen und einige von seinen spä¬
tern Recensionen hinzugefügt, es wäre aber wünschenswerth, eine vollstän¬
digere Ausgabe davon zu veranstalten, wobei die ältern Kritiken und Auszüge
aus Artikeln der Allgemeinen Zeitung, die. iii dies. Gebiet einschlagen, nicht
fehlen dürsten. Zu einem solchen Unternehmen anzuregen, ist zum Theil der
Zweck der folgenden Skizze.

Michael Huber, der Vater, war 1727 zu Frankenhausen in Oberbaiern
geboren und in seinem sechzehnten Jahr als armer Knabe nach Paris ge¬
kommen. Wie es ihm dort gelang, zu den literarischen Cirkeln Zugang zu


26*
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0213" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/107260"/>
            <p xml:id="ID_621" prev="#ID_620"> ducum, welches ihnen das fehlende wirkliche ersetzte. Wie wichtig ihnen die<lb/>
unmittelbare Berührung mit diesem Publicum erschien, zeigt am schlagendsten<lb/>
ein wenig beachteter Umstand. Als Schiller im Frühling 1804 Berlin besuchte,<lb/>
wurde ihm ein Jahrgehalt von 'dreitausend Thalern angeboten, wen» er nach<lb/>
Berlin übersiedeln wollte. Obgleich er hier bei der unendlich vollkommeneren<lb/>
Ausbildung des Theaters für seine Kunst nur gewinnen konnte, wies er das<lb/>
Anerbieten ohne Zögern von der Hand, als ihmder Herzog &#x2014; achthundert Thaler<lb/>
zusicherte. Und doch war Schiller, wie wir aus seinen Briefen sehen, ohne<lb/>
irgend wie habsüchtig zu sein, auf seinen weltlichen Vortheil wohlbedacht, wie<lb/>
es auch die Pflicht eines Familienvaters war. Dankbarkeit gegen den Herzog<lb/>
allein konnte es nicht machen, sein persönliches Verhältniß zu diesem war<lb/>
gering, ebenso zu den Honoratioren von Weimar, wie schon sein sonderbares<lb/>
Begräbnis) zeigt. Es war zunächst Freundschaft sür Goethe, dem man frei¬<lb/>
lich, wenn er Schiller begleiten wollte, in Berlin ein gleiches Gehalt zu¬<lb/>
sicherte, der aber an Weimar durch seine Pflicht gebunden war; hauptsächlich<lb/>
aber das instinctartige Gefühl, künstlerisch nur in der Atmosphäre gedeihen zu<lb/>
können, in der er groß gewachsen war. &#x201E;Wer nicht die Welt in seinen Freun¬<lb/>
den sieht, verdient nicht, daß die Welt von ihm erfahre."</p><lb/>
            <p xml:id="ID_622"> Wir haben nun den Vorzug, von diesen Beziehungen der Freundschaft<lb/>
zu dem poetischen Schaffen in den zahllosen Korrespondenzen jener Tage uns<lb/>
ein anschauliches Bild zu schaffen, und da alle Beziehungen jener Zeit per¬<lb/>
sönlicher Natur waren, uns das ideale Publicum vor Augen zu stellen, das<lb/>
die Nation ersetzte. Aus dem Briefwechsel Schillers mit Goethe, Humboldt,<lb/>
Körner gewinnen wir eine weit vollständigere Einsicht in seine Poetik, als<lb/>
aus seinen ästhetischen Schriften. Huber kommt zwar jenen an Bedeutung<lb/>
nicht gleich, auch stand er Schiller nicht so nahe, doch hat er vor ihnen zwei<lb/>
Vorzüge. Zunächst war er wirklicher Kritiker und neben Schlegel, den er in<lb/>
Manchen Punkten- übertraf, der bedeutendste jener Periode; dann hatte er<lb/>
Beziehungen zur Politik, die dem Kreise von Weimar und Jena fehlten, und<lb/>
vermittelt so zwischen zwei Zeitaltern. Therese, seine Frau, hat zwar ihrem<lb/>
biographischen Versuch ewige von seinen Briefen und einige von seinen spä¬<lb/>
tern Recensionen hinzugefügt, es wäre aber wünschenswerth, eine vollstän¬<lb/>
digere Ausgabe davon zu veranstalten, wobei die ältern Kritiken und Auszüge<lb/>
aus Artikeln der Allgemeinen Zeitung, die. iii dies. Gebiet einschlagen, nicht<lb/>
fehlen dürsten. Zu einem solchen Unternehmen anzuregen, ist zum Theil der<lb/>
Zweck der folgenden Skizze.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_623" next="#ID_624"> Michael Huber, der Vater, war 1727 zu Frankenhausen in Oberbaiern<lb/>
geboren und in seinem sechzehnten Jahr als armer Knabe nach Paris ge¬<lb/>
kommen.  Wie es ihm dort gelang, zu den literarischen Cirkeln Zugang zu</p><lb/>
            <fw type="sig" place="bottom"> 26*</fw><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0213] ducum, welches ihnen das fehlende wirkliche ersetzte. Wie wichtig ihnen die unmittelbare Berührung mit diesem Publicum erschien, zeigt am schlagendsten ein wenig beachteter Umstand. Als Schiller im Frühling 1804 Berlin besuchte, wurde ihm ein Jahrgehalt von 'dreitausend Thalern angeboten, wen» er nach Berlin übersiedeln wollte. Obgleich er hier bei der unendlich vollkommeneren Ausbildung des Theaters für seine Kunst nur gewinnen konnte, wies er das Anerbieten ohne Zögern von der Hand, als ihmder Herzog — achthundert Thaler zusicherte. Und doch war Schiller, wie wir aus seinen Briefen sehen, ohne irgend wie habsüchtig zu sein, auf seinen weltlichen Vortheil wohlbedacht, wie es auch die Pflicht eines Familienvaters war. Dankbarkeit gegen den Herzog allein konnte es nicht machen, sein persönliches Verhältniß zu diesem war gering, ebenso zu den Honoratioren von Weimar, wie schon sein sonderbares Begräbnis) zeigt. Es war zunächst Freundschaft sür Goethe, dem man frei¬ lich, wenn er Schiller begleiten wollte, in Berlin ein gleiches Gehalt zu¬ sicherte, der aber an Weimar durch seine Pflicht gebunden war; hauptsächlich aber das instinctartige Gefühl, künstlerisch nur in der Atmosphäre gedeihen zu können, in der er groß gewachsen war. „Wer nicht die Welt in seinen Freun¬ den sieht, verdient nicht, daß die Welt von ihm erfahre." Wir haben nun den Vorzug, von diesen Beziehungen der Freundschaft zu dem poetischen Schaffen in den zahllosen Korrespondenzen jener Tage uns ein anschauliches Bild zu schaffen, und da alle Beziehungen jener Zeit per¬ sönlicher Natur waren, uns das ideale Publicum vor Augen zu stellen, das die Nation ersetzte. Aus dem Briefwechsel Schillers mit Goethe, Humboldt, Körner gewinnen wir eine weit vollständigere Einsicht in seine Poetik, als aus seinen ästhetischen Schriften. Huber kommt zwar jenen an Bedeutung nicht gleich, auch stand er Schiller nicht so nahe, doch hat er vor ihnen zwei Vorzüge. Zunächst war er wirklicher Kritiker und neben Schlegel, den er in Manchen Punkten- übertraf, der bedeutendste jener Periode; dann hatte er Beziehungen zur Politik, die dem Kreise von Weimar und Jena fehlten, und vermittelt so zwischen zwei Zeitaltern. Therese, seine Frau, hat zwar ihrem biographischen Versuch ewige von seinen Briefen und einige von seinen spä¬ tern Recensionen hinzugefügt, es wäre aber wünschenswerth, eine vollstän¬ digere Ausgabe davon zu veranstalten, wobei die ältern Kritiken und Auszüge aus Artikeln der Allgemeinen Zeitung, die. iii dies. Gebiet einschlagen, nicht fehlen dürsten. Zu einem solchen Unternehmen anzuregen, ist zum Theil der Zweck der folgenden Skizze. Michael Huber, der Vater, war 1727 zu Frankenhausen in Oberbaiern geboren und in seinem sechzehnten Jahr als armer Knabe nach Paris ge¬ kommen. Wie es ihm dort gelang, zu den literarischen Cirkeln Zugang zu 26*

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_107046
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_107046/213
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_107046/213>, abgerufen am 22.12.2024.