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Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, I. Semester. II. Band.

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eine beträchtliche Werthsteigcrung der Landesvalnta eintrat, zum großen Vor¬
theil aller Gläubiger, aber zu gleichem Nachtheil aller Zahlungspflichtigen,
und damals, wo diese Werthveränderung eine Folge früherer künstlicher Vor¬
kehrungen war, gewiß noch mehr Grund vorgelegen Hütte, für eine Art Aus¬
gleichung Sorge zu tragen, als jetzt, wo solche Veränderung lediglich das
Werk unvorhergesehener natürlicher Ereignisse ist.

Anders aber steht die Sache in Frankreich. Das französische Münzgcsctz
vom 23. März 1803 hat ausdrücklich als Einheit des französischen Münz¬
wesens den Frank, als fünf Gramm Silber von "/-,<> Feinheit, anerkannt.
Aus den Verhandlungen, welche dem Erlaß jenes Münzgesetzes vorangegangen
sind, erhellt deutlich, daß es die Absicht war, die Silbervaluta als das un¬
veränderliche Fundament'des französischen Münzwesens anzunehmen, und neben
dieser den Goldmünzen nur eine secundäre Bedeutung einzuräumen. Der
Berichterstatter Gaudin erklärte diesen Grundsatz unter andern durch folgende
nicht mißzuverstehende Bemerkung: "Wer zweihundert Franken ausleihen wird,
dem soll zu keiner Zeit die Rückzahlung mit weniger als mit einem Kilo¬
gramm Silber (von Vio Feinheit) geleistet werden können." Die Berech¬
tigung der Goldwährung beruht nur auf dem Artikel 6 des Münzgesetzes,
der dahin lautet: "Es sollen Goldstücke geprägt werden zu zwanzig Franken
und zu vierzig Franken, wobei dann noch festgesetzt wird, daß das Kilogramm
Gold von Feinheit zu 155 Zwanzigfrankstücken ausgeprägt werden soll,
was die Werthrelation von 1:15'/- ergibt.

So lange der Werth des Goldes auf dem Weltmarkt sich höher hielt,
was von 1303 bis 1850 durchweg der Fall war, entstand aus jener Bestim¬
mung des französischen Münzgesetzcs keine Unzuträglichkeit, indem bei Be¬
nutzung der Goldmünzen die Parteien sich über das Agio zu vereinbaren
hatten.

Wenn jetzt in Frankreich die Befugniß, die Zahlungsverbindlichkeiten
mittelst Goldmünze zu erfüllen, gesetzlich aufgehoben werden soll, so kann das
in England vorwaltende Bedenken dem nicht entgegentreten, denn dort ist ein
gewisses Quantum Gold als gesetzliche Münzeinheit unbedingt angenommen,
in Frankreich aber ist im Fundamentalmünzgesctz der Frank, in der Eigen¬
schaft eines genau bestimmten Quantums Silber, als Münzeinheit anerkannt
worden.

Nachdem eine im Jahr 1851 niedergesetzt gewesene Commission für die
Goldfrage eine Entscheidung für noch nicht an der Zeit erklärt hatte, da hin¬
längliche Erfahrungen noch nicht vorlagen, ward am 7. Februar 1857 vom
Finanzministerium für die nämliche Angelegenheit aufs neue eine Commission
angeordnet. Diese hat nun in einem Bericht vom Februar 1858 sich im
Wesentlichen dahin ausgesprochen: "Die Hauptursache der seit einigen Jahren


eine beträchtliche Werthsteigcrung der Landesvalnta eintrat, zum großen Vor¬
theil aller Gläubiger, aber zu gleichem Nachtheil aller Zahlungspflichtigen,
und damals, wo diese Werthveränderung eine Folge früherer künstlicher Vor¬
kehrungen war, gewiß noch mehr Grund vorgelegen Hütte, für eine Art Aus¬
gleichung Sorge zu tragen, als jetzt, wo solche Veränderung lediglich das
Werk unvorhergesehener natürlicher Ereignisse ist.

Anders aber steht die Sache in Frankreich. Das französische Münzgcsctz
vom 23. März 1803 hat ausdrücklich als Einheit des französischen Münz¬
wesens den Frank, als fünf Gramm Silber von «/-,<> Feinheit, anerkannt.
Aus den Verhandlungen, welche dem Erlaß jenes Münzgesetzes vorangegangen
sind, erhellt deutlich, daß es die Absicht war, die Silbervaluta als das un¬
veränderliche Fundament'des französischen Münzwesens anzunehmen, und neben
dieser den Goldmünzen nur eine secundäre Bedeutung einzuräumen. Der
Berichterstatter Gaudin erklärte diesen Grundsatz unter andern durch folgende
nicht mißzuverstehende Bemerkung: „Wer zweihundert Franken ausleihen wird,
dem soll zu keiner Zeit die Rückzahlung mit weniger als mit einem Kilo¬
gramm Silber (von Vio Feinheit) geleistet werden können." Die Berech¬
tigung der Goldwährung beruht nur auf dem Artikel 6 des Münzgesetzes,
der dahin lautet: „Es sollen Goldstücke geprägt werden zu zwanzig Franken
und zu vierzig Franken, wobei dann noch festgesetzt wird, daß das Kilogramm
Gold von Feinheit zu 155 Zwanzigfrankstücken ausgeprägt werden soll,
was die Werthrelation von 1:15'/- ergibt.

So lange der Werth des Goldes auf dem Weltmarkt sich höher hielt,
was von 1303 bis 1850 durchweg der Fall war, entstand aus jener Bestim¬
mung des französischen Münzgesetzcs keine Unzuträglichkeit, indem bei Be¬
nutzung der Goldmünzen die Parteien sich über das Agio zu vereinbaren
hatten.

Wenn jetzt in Frankreich die Befugniß, die Zahlungsverbindlichkeiten
mittelst Goldmünze zu erfüllen, gesetzlich aufgehoben werden soll, so kann das
in England vorwaltende Bedenken dem nicht entgegentreten, denn dort ist ein
gewisses Quantum Gold als gesetzliche Münzeinheit unbedingt angenommen,
in Frankreich aber ist im Fundamentalmünzgesctz der Frank, in der Eigen¬
schaft eines genau bestimmten Quantums Silber, als Münzeinheit anerkannt
worden.

Nachdem eine im Jahr 1851 niedergesetzt gewesene Commission für die
Goldfrage eine Entscheidung für noch nicht an der Zeit erklärt hatte, da hin¬
längliche Erfahrungen noch nicht vorlagen, ward am 7. Februar 1857 vom
Finanzministerium für die nämliche Angelegenheit aufs neue eine Commission
angeordnet. Diese hat nun in einem Bericht vom Februar 1858 sich im
Wesentlichen dahin ausgesprochen: „Die Hauptursache der seit einigen Jahren


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_107046/182>, abgerufen am 22.12.2024.