Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, I. Semester. II. Band.malen Standpunkt zu rechtfertigen gesucht: nur ein entschlossener Tyrann könne Ita¬ Po und Rhein. -- Berlin, Franz Dunker. -- Der Verfasser, offenbar ein malen Standpunkt zu rechtfertigen gesucht: nur ein entschlossener Tyrann könne Ita¬ Po und Rhein. — Berlin, Franz Dunker. — Der Verfasser, offenbar ein <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0169" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/107216"/> <p xml:id="ID_475" prev="#ID_474"> malen Standpunkt zu rechtfertigen gesucht: nur ein entschlossener Tyrann könne Ita¬<lb/> lien von den Barbaren befreien; man müsse daher die Tyrannei ertragen, um die<lb/> künftige Freiheit und Größe des Vaterlandes vorzubereiten. — Diese Ideen wendet<lb/> der Verfasser auf Deutschland an; er erwartet einen „Fürsten" der Zukunft, der die<lb/> Aufgabe der Geschichte in seine Hand nimmt: „er wird, wie Macchiavelli lehrt, das<lb/> Wohl des Volkes heilig halten, aber dem Ausland gegenüber weder Milde noch<lb/> Grausamkeit, weder Treue noch Wortbruch, weder Ehre noch Schande, sondern nur<lb/> die Einheit, Größe und Unabhängigkeit des Vaterlandes kennen. Solch ein Fürst<lb/> aber wird alle Hindernisse besiegen, er wird groß, mächtig, unwiderstehlich sein."<lb/> „Wann wirst du erscheinen, König der Zukunft?" u. f. w. „O komm, komm bald!<lb/> und alle Thore werden sich dir öffnen und alle Deutschen werden dir entgegenjubeln<lb/> und dir solgen zu Kampf und Sieg." — Das ist Lyrik: warum soll man nicht<lb/> einmal den kommenden Cäsar besingen, wie sonst so oft die Republik der Zukunft?<lb/> — Aehnliche Gedanken mögen wol jedem einmal durch den Kopf gegangen sein, der<lb/> über Deutschlands Einheit gegrübelt; es ist aber zweckmäßig, sich derselben zu er¬<lb/> wehren. — Jmmoralität wird mitunter durch den großen Erfolg vor dem „Welt¬<lb/> gericht der Geschichte" gerechtfertigt; kann der Macchiavellismus das von sich rüh¬<lb/> men? Er hat ein Jahrhundert wirklich in Italien geherrscht; und was sind die<lb/> Folgen? — Oder lockt etwa der moderne Cäsar jenseit des Rhein? >— Es ist besser,<lb/> wir lassen die Tyrannen ruhn. Die bürgerliche, unverdrossene Thätigkeit führt lang¬<lb/> samer, aber sicherer zum Ziel; und wenn wir dies Ziel auch selber nicht erreichen,<lb/> so ist es doch etwas, dafür ernsthaft gerungen zu haben.</p><lb/> <p xml:id="ID_476" next="#ID_477"> Po und Rhein. — Berlin, Franz Dunker. — Der Verfasser, offenbar ein<lb/> Militär, beweist mit viel Scharfsinn und Sachkenntniß, die Ansicht vieler Politiker,<lb/> der Po, d. h. die Lombardei und Venedig, sei ein unentbehrliches strategisches Kom¬<lb/> plement Deutschlands, beruhe auf einem völligen Mißverständnis daß hier nicht von<lb/> Deutschland, sondern von Oestreich in seiner gegenwärtigen Gestalt, das auf eigue<lb/> Faust in Italien Kriege sührt, die Rede sein kann. „Oberitalien ist ein Anhängsel,<lb/> das Deutschland unter allen Umständen nur im Kriege nutzen, im Frieden aber<lb/> nur schaden kann. Die zu seiner Niederhaltung'nöthigen Armeen sind seit 1820<lb/> immer stärker geworden, und übersteigen seit 1844 im tiefsten Frieden 70,000 Mann,<lb/> die sich fortwährend wie in Feindes Land befinden. Der Krieg 1848 und 49<lb/> und die Occupation Italiens bis heute trotz der piemontesischen Kriegscontribution,<lb/> trotz den wiederholten lombardischen Kontributionen, Zwangsanleihen und Extra¬<lb/> steuern, hat Oestreich weit mehr gekostet als ihm Italien seit 1848 eingebracht<lb/> hat. Und doch ist von 1848 bis 54 das Land systematisch als eine blos provi¬<lb/> sorische Besitzung behandelt worden, aus der man zieht, so viel man kann, ehe<lb/> wan sie räumt." „Statt unsere Stärke im Besitz fremden Bodens zu suchen und<lb/> >n der Unterdrückung einer fremden Nationalität, der nur das Vorurtheil die<lb/> Zukunstsfähigkeit absprechen kann, werden wir besser thun, dafür zu sorgen,<lb/> daß wir in unserm eignen Hause eins und stark sind." „Die Theorie der natür¬<lb/> lichen Grenzen macht der Schleswig-holsteinischen Frage mit dem einen Ruf ein<lb/> Ende: Dänemark bis zur Eider." Was verlangen denn die Dänen anders als<lb/> 'dren Po und Mincio, der Eider heißt? ihr Mantua, genannt Friedrichstadt? Die<lb/> Theorie der natürlichen Grenzen verlangt mit demselben Recht, auf das Deutschland</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0169]
malen Standpunkt zu rechtfertigen gesucht: nur ein entschlossener Tyrann könne Ita¬
lien von den Barbaren befreien; man müsse daher die Tyrannei ertragen, um die
künftige Freiheit und Größe des Vaterlandes vorzubereiten. — Diese Ideen wendet
der Verfasser auf Deutschland an; er erwartet einen „Fürsten" der Zukunft, der die
Aufgabe der Geschichte in seine Hand nimmt: „er wird, wie Macchiavelli lehrt, das
Wohl des Volkes heilig halten, aber dem Ausland gegenüber weder Milde noch
Grausamkeit, weder Treue noch Wortbruch, weder Ehre noch Schande, sondern nur
die Einheit, Größe und Unabhängigkeit des Vaterlandes kennen. Solch ein Fürst
aber wird alle Hindernisse besiegen, er wird groß, mächtig, unwiderstehlich sein."
„Wann wirst du erscheinen, König der Zukunft?" u. f. w. „O komm, komm bald!
und alle Thore werden sich dir öffnen und alle Deutschen werden dir entgegenjubeln
und dir solgen zu Kampf und Sieg." — Das ist Lyrik: warum soll man nicht
einmal den kommenden Cäsar besingen, wie sonst so oft die Republik der Zukunft?
— Aehnliche Gedanken mögen wol jedem einmal durch den Kopf gegangen sein, der
über Deutschlands Einheit gegrübelt; es ist aber zweckmäßig, sich derselben zu er¬
wehren. — Jmmoralität wird mitunter durch den großen Erfolg vor dem „Welt¬
gericht der Geschichte" gerechtfertigt; kann der Macchiavellismus das von sich rüh¬
men? Er hat ein Jahrhundert wirklich in Italien geherrscht; und was sind die
Folgen? — Oder lockt etwa der moderne Cäsar jenseit des Rhein? >— Es ist besser,
wir lassen die Tyrannen ruhn. Die bürgerliche, unverdrossene Thätigkeit führt lang¬
samer, aber sicherer zum Ziel; und wenn wir dies Ziel auch selber nicht erreichen,
so ist es doch etwas, dafür ernsthaft gerungen zu haben.
Po und Rhein. — Berlin, Franz Dunker. — Der Verfasser, offenbar ein
Militär, beweist mit viel Scharfsinn und Sachkenntniß, die Ansicht vieler Politiker,
der Po, d. h. die Lombardei und Venedig, sei ein unentbehrliches strategisches Kom¬
plement Deutschlands, beruhe auf einem völligen Mißverständnis daß hier nicht von
Deutschland, sondern von Oestreich in seiner gegenwärtigen Gestalt, das auf eigue
Faust in Italien Kriege sührt, die Rede sein kann. „Oberitalien ist ein Anhängsel,
das Deutschland unter allen Umständen nur im Kriege nutzen, im Frieden aber
nur schaden kann. Die zu seiner Niederhaltung'nöthigen Armeen sind seit 1820
immer stärker geworden, und übersteigen seit 1844 im tiefsten Frieden 70,000 Mann,
die sich fortwährend wie in Feindes Land befinden. Der Krieg 1848 und 49
und die Occupation Italiens bis heute trotz der piemontesischen Kriegscontribution,
trotz den wiederholten lombardischen Kontributionen, Zwangsanleihen und Extra¬
steuern, hat Oestreich weit mehr gekostet als ihm Italien seit 1848 eingebracht
hat. Und doch ist von 1848 bis 54 das Land systematisch als eine blos provi¬
sorische Besitzung behandelt worden, aus der man zieht, so viel man kann, ehe
wan sie räumt." „Statt unsere Stärke im Besitz fremden Bodens zu suchen und
>n der Unterdrückung einer fremden Nationalität, der nur das Vorurtheil die
Zukunstsfähigkeit absprechen kann, werden wir besser thun, dafür zu sorgen,
daß wir in unserm eignen Hause eins und stark sind." „Die Theorie der natür¬
lichen Grenzen macht der Schleswig-holsteinischen Frage mit dem einen Ruf ein
Ende: Dänemark bis zur Eider." Was verlangen denn die Dänen anders als
'dren Po und Mincio, der Eider heißt? ihr Mantua, genannt Friedrichstadt? Die
Theorie der natürlichen Grenzen verlangt mit demselben Recht, auf das Deutschland
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