Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, II. Semester. IV. Band.bekränzte, am Schild und an der geschwungenen Lanze; die Göttin der Liebe Bei der großen Ähnlichkeit, die diese Tableaux mit dem modernen Ballet bekränzte, am Schild und an der geschwungenen Lanze; die Göttin der Liebe Bei der großen Ähnlichkeit, die diese Tableaux mit dem modernen Ballet <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0525" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/266334"/> <p xml:id="ID_1480" prev="#ID_1479"> bekränzte, am Schild und an der geschwungenen Lanze; die Göttin der Liebe<lb/> endlich, an Liebreiz, Schönheit und Grazie den andern überlegen, war nur<lb/> zum Theil in einen durchsichtigen Stoff von blauer Farbe gehüllt. Jede Göt¬<lb/> tin hatte außerdem die ihr zukommende Begleitung. Juno zur Seite gingen<lb/> Kastor und Pollux. durch die Sterne ihrer Helmspitzen kenntlich; sie selbst<lb/> schritt nach dem Rhythmus des Flötenspiels vor und machte mit ruhiger, würde¬<lb/> voller Gliederbewegung dem Hirten verständlich, daß sie ihm die Herrschaft<lb/> über ganz Asien verspräche, wenn er ihr den Preis der Schönheit zuerkennen<lb/> würde. Zwei Jünglinge mit bloßen Schwertern und ganz gewappnet, der<lb/> Schrecken und der Schauder, beschützten Minerva und hinter ihr spielte die<lb/> Flöte einen aufregenden, kriegerischen Marsch. Sie selbst in unruhiger<lb/> Haltung, mit drohenden Augen und heftigen Gesten, versprach Paris Helden¬<lb/> ruhm und kriegerische Ehren, wenn er ihrer Schönheit den Sieg gewinnen<lb/> ließe. Venus endlich «stand hold lächelnd in der Mitte der Bühne, um¬<lb/> ringt von einem ganzen Volke kleiner Liebesgötter, die beflügelt und mit<lb/> Köcher und Pfeilen bewaffnet, der Herrin hochzeitliche Fackeln vortrugen;<lb/> schöne Grazien und Hören huldigten ihr außerdem, mit den herrlichsten<lb/> Blumengewinden sie umschwebend. Anmuthiger noch, als die liebliche Musik,<lb/> welche sie begleitete, bewegte sie sich zögernden Schrittes vorwärts. Mit<lb/> Augen, welche bald drohend blitzten, bald sanft schmachteten, deutete sie<lb/> durch die reizenden Winke ihrer Arme dem Jüngling an, daß sie ihn für<lb/> den Vorzug mit dem schönsten Weibe beglücken wollte. Da reichte ihr freudig<lb/> der Phrygier den goldenen Apfel. Traurig entfernten sich Juno und Minerva,<lb/> die Indignation über ihre Zurücksetzung pantomimisch ausdrückend. Venus<lb/> dagegen bezeugte mit ihrem Chor im Tanze ihre Freude. Zum Schluß<lb/> cntsprudelte der Quelle wohlriechender Safran, der die Zicklein gelb färbte<lb/> und das ganze Theater durchduftete, bis endlich der ganze Berg vor den<lb/> Augen der Zuschauer versank.</p><lb/> <p xml:id="ID_1481" next="#ID_1482"> Bei der großen Ähnlichkeit, die diese Tableaux mit dem modernen Ballet<lb/> haben, muß man doch immer dem alten theatralischen Kunsttanz den Vorzug<lb/> geben. Die Handlung ist bei uns nicht mehr wirklicher Tanz, die Chortänze<lb/> sind zwar oft schön, aber „die Solotänze der heraustretenden Tänzer und<lb/> Tänzerinnen," sagt Bischer treffend, „sind, wo nicht Nationaltänze von ihnen<lb/> ausgeführt werden, ausdruckslos und zum widerlichen Kunststück herabgesun¬<lb/> ken, welches das Schwere mit dem Schönen verwechselt; das führt nothwendig<lb/> zum schweren aus Kosten des Schönen, zur häßlichen Verrenkung, und für<lb/> die Beleidigung der Anmuth entschädigt der Kitzel der Entblößungen, den der<lb/> Reiz des Verbotenen in einer Welt strenger Decenzbegriffe verdoppelt." So<lb/> ist es denn unter diesen Verhältnissen ein gutes Zeichen, daß es mit uns noch<lb/> nicht so weit gekommen ist, wie mit unseren westlichen Nachbarn, bei denen</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0525]
bekränzte, am Schild und an der geschwungenen Lanze; die Göttin der Liebe
endlich, an Liebreiz, Schönheit und Grazie den andern überlegen, war nur
zum Theil in einen durchsichtigen Stoff von blauer Farbe gehüllt. Jede Göt¬
tin hatte außerdem die ihr zukommende Begleitung. Juno zur Seite gingen
Kastor und Pollux. durch die Sterne ihrer Helmspitzen kenntlich; sie selbst
schritt nach dem Rhythmus des Flötenspiels vor und machte mit ruhiger, würde¬
voller Gliederbewegung dem Hirten verständlich, daß sie ihm die Herrschaft
über ganz Asien verspräche, wenn er ihr den Preis der Schönheit zuerkennen
würde. Zwei Jünglinge mit bloßen Schwertern und ganz gewappnet, der
Schrecken und der Schauder, beschützten Minerva und hinter ihr spielte die
Flöte einen aufregenden, kriegerischen Marsch. Sie selbst in unruhiger
Haltung, mit drohenden Augen und heftigen Gesten, versprach Paris Helden¬
ruhm und kriegerische Ehren, wenn er ihrer Schönheit den Sieg gewinnen
ließe. Venus endlich «stand hold lächelnd in der Mitte der Bühne, um¬
ringt von einem ganzen Volke kleiner Liebesgötter, die beflügelt und mit
Köcher und Pfeilen bewaffnet, der Herrin hochzeitliche Fackeln vortrugen;
schöne Grazien und Hören huldigten ihr außerdem, mit den herrlichsten
Blumengewinden sie umschwebend. Anmuthiger noch, als die liebliche Musik,
welche sie begleitete, bewegte sie sich zögernden Schrittes vorwärts. Mit
Augen, welche bald drohend blitzten, bald sanft schmachteten, deutete sie
durch die reizenden Winke ihrer Arme dem Jüngling an, daß sie ihn für
den Vorzug mit dem schönsten Weibe beglücken wollte. Da reichte ihr freudig
der Phrygier den goldenen Apfel. Traurig entfernten sich Juno und Minerva,
die Indignation über ihre Zurücksetzung pantomimisch ausdrückend. Venus
dagegen bezeugte mit ihrem Chor im Tanze ihre Freude. Zum Schluß
cntsprudelte der Quelle wohlriechender Safran, der die Zicklein gelb färbte
und das ganze Theater durchduftete, bis endlich der ganze Berg vor den
Augen der Zuschauer versank.
Bei der großen Ähnlichkeit, die diese Tableaux mit dem modernen Ballet
haben, muß man doch immer dem alten theatralischen Kunsttanz den Vorzug
geben. Die Handlung ist bei uns nicht mehr wirklicher Tanz, die Chortänze
sind zwar oft schön, aber „die Solotänze der heraustretenden Tänzer und
Tänzerinnen," sagt Bischer treffend, „sind, wo nicht Nationaltänze von ihnen
ausgeführt werden, ausdruckslos und zum widerlichen Kunststück herabgesun¬
ken, welches das Schwere mit dem Schönen verwechselt; das führt nothwendig
zum schweren aus Kosten des Schönen, zur häßlichen Verrenkung, und für
die Beleidigung der Anmuth entschädigt der Kitzel der Entblößungen, den der
Reiz des Verbotenen in einer Welt strenger Decenzbegriffe verdoppelt." So
ist es denn unter diesen Verhältnissen ein gutes Zeichen, daß es mit uns noch
nicht so weit gekommen ist, wie mit unseren westlichen Nachbarn, bei denen
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