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Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, II. Semester. IV. Band.

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1. Das staatsrechtliche Verhältniß der Herzogthümer Holstein und Schles¬
wig zu Dänemark, wie dasselbe vor und im Jahre 1843 bestand, kann nicht
die Basis werden, auf welcher die Holstciner und -mit ihnen die Vertreter
Deutschlands jetzt operiren. Dieses Verhältniß hat die Stadien eines großen
politischen Processes durchgemacht, es ist vom Gegner angefochten, es ist
Krieg darum geführt, es ist ein Friede geschlossen worden. Wie auch deut¬
scher Rechtssinn und deutsche Vaterlandsliebe den Gang des damaligen Strei¬
tes, die Führung des Krieges und das Ergebniß des Friedensschlusses ansehen
möge, es ist unzweifelhaft, daß von dem gesammten Europa die Contrahenten
des Friedens: Preußen und Oestreich, resp, der deutsche Bund einerseits, Däne¬
mark andrerseits als vollberechtigt zum Abschluß des Friedens angesehen
worden sind, und daß dieser Friede die Grundlage der gegenwärtig bestehen¬
den rechtlichen Verhältnisse bilden sollte.

2. Auf das londoner Protokoll dagen haben die Holsteiner durchaus
keine Rücksicht zu nehmen.

3. Sie haben vielmehr als Basis ihrer Forderungen lediglich die
Bestimmungen des letzten Friedensschlusses festzuhalten. Diese
Stellung ist sicher und unangreifbar für Dänemark und, was wichtiger ist,
unangreifbar sür alle Cabinete Europas. Ein Zurückgchn aus die Forderun¬
gen von 1848 würde als revolutionär verurtheilt werden und könnte den
Holsten und ihren Freunden jetzt den größten Schaden thun. Ein Beharren
auf voller, gewissenhafter, hinterhaltsloscr Erfüllung der Stipulationen des
Friedens dagegen muß von ganz Europa geduldet und kann ohne irgendwelche
Gefahr von Preußen zur eignen Sache gemacht werden.

4. Der Friede hebt allerdings die politische Einheit der Herzogthümer
Holstein und Schleswig auf, aber er setzt sür die Schleswiger im Allgemeinen
gleiche Rechte fest wie für die Holsteiner. Er gibt also dem deutschen
Bunde, also Preußen, die Befugnis,, die Lage Schleswigs zum
Gegenstand seiner Fürsorge zu machen. Er ist endlich merkwürdig
kurz und übergeht so viele Fragen mit Schweigen, daß eine kluge und feste
Benutzung der Rechte, welche er noch läßt, und der Folgerungen, welche er
zu ziehen gestattet, den Herzogthümer" zum Heil werden und Dänemark in
unabsehbare Verlegenheiten stürzen muß. Von dem, was sich aus diesen
Annahmen weiter entwickeln läßt, ein ander Mal. Hier handelte es sich nur
darum, auszusprechen, daß der Friedensvertrag unter den gegebenen Verhält¬
nissen die einzig anwendbare und die einzig glückverheißende Grundlage sür
die jetzt beginnenden Verhandlungen in Itzehoe ist.
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1. Das staatsrechtliche Verhältniß der Herzogthümer Holstein und Schles¬
wig zu Dänemark, wie dasselbe vor und im Jahre 1843 bestand, kann nicht
die Basis werden, auf welcher die Holstciner und -mit ihnen die Vertreter
Deutschlands jetzt operiren. Dieses Verhältniß hat die Stadien eines großen
politischen Processes durchgemacht, es ist vom Gegner angefochten, es ist
Krieg darum geführt, es ist ein Friede geschlossen worden. Wie auch deut¬
scher Rechtssinn und deutsche Vaterlandsliebe den Gang des damaligen Strei¬
tes, die Führung des Krieges und das Ergebniß des Friedensschlusses ansehen
möge, es ist unzweifelhaft, daß von dem gesammten Europa die Contrahenten
des Friedens: Preußen und Oestreich, resp, der deutsche Bund einerseits, Däne¬
mark andrerseits als vollberechtigt zum Abschluß des Friedens angesehen
worden sind, und daß dieser Friede die Grundlage der gegenwärtig bestehen¬
den rechtlichen Verhältnisse bilden sollte.

2. Auf das londoner Protokoll dagen haben die Holsteiner durchaus
keine Rücksicht zu nehmen.

3. Sie haben vielmehr als Basis ihrer Forderungen lediglich die
Bestimmungen des letzten Friedensschlusses festzuhalten. Diese
Stellung ist sicher und unangreifbar für Dänemark und, was wichtiger ist,
unangreifbar sür alle Cabinete Europas. Ein Zurückgchn aus die Forderun¬
gen von 1848 würde als revolutionär verurtheilt werden und könnte den
Holsten und ihren Freunden jetzt den größten Schaden thun. Ein Beharren
auf voller, gewissenhafter, hinterhaltsloscr Erfüllung der Stipulationen des
Friedens dagegen muß von ganz Europa geduldet und kann ohne irgendwelche
Gefahr von Preußen zur eignen Sache gemacht werden.

4. Der Friede hebt allerdings die politische Einheit der Herzogthümer
Holstein und Schleswig auf, aber er setzt sür die Schleswiger im Allgemeinen
gleiche Rechte fest wie für die Holsteiner. Er gibt also dem deutschen
Bunde, also Preußen, die Befugnis,, die Lage Schleswigs zum
Gegenstand seiner Fürsorge zu machen. Er ist endlich merkwürdig
kurz und übergeht so viele Fragen mit Schweigen, daß eine kluge und feste
Benutzung der Rechte, welche er noch läßt, und der Folgerungen, welche er
zu ziehen gestattet, den Herzogthümer« zum Heil werden und Dänemark in
unabsehbare Verlegenheiten stürzen muß. Von dem, was sich aus diesen
Annahmen weiter entwickeln läßt, ein ander Mal. Hier handelte es sich nur
darum, auszusprechen, daß der Friedensvertrag unter den gegebenen Verhält¬
nissen die einzig anwendbare und die einzig glückverheißende Grundlage sür
die jetzt beginnenden Verhandlungen in Itzehoe ist.
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[0499] 1. Das staatsrechtliche Verhältniß der Herzogthümer Holstein und Schles¬ wig zu Dänemark, wie dasselbe vor und im Jahre 1843 bestand, kann nicht die Basis werden, auf welcher die Holstciner und -mit ihnen die Vertreter Deutschlands jetzt operiren. Dieses Verhältniß hat die Stadien eines großen politischen Processes durchgemacht, es ist vom Gegner angefochten, es ist Krieg darum geführt, es ist ein Friede geschlossen worden. Wie auch deut¬ scher Rechtssinn und deutsche Vaterlandsliebe den Gang des damaligen Strei¬ tes, die Führung des Krieges und das Ergebniß des Friedensschlusses ansehen möge, es ist unzweifelhaft, daß von dem gesammten Europa die Contrahenten des Friedens: Preußen und Oestreich, resp, der deutsche Bund einerseits, Däne¬ mark andrerseits als vollberechtigt zum Abschluß des Friedens angesehen worden sind, und daß dieser Friede die Grundlage der gegenwärtig bestehen¬ den rechtlichen Verhältnisse bilden sollte. 2. Auf das londoner Protokoll dagen haben die Holsteiner durchaus keine Rücksicht zu nehmen. 3. Sie haben vielmehr als Basis ihrer Forderungen lediglich die Bestimmungen des letzten Friedensschlusses festzuhalten. Diese Stellung ist sicher und unangreifbar für Dänemark und, was wichtiger ist, unangreifbar sür alle Cabinete Europas. Ein Zurückgchn aus die Forderun¬ gen von 1848 würde als revolutionär verurtheilt werden und könnte den Holsten und ihren Freunden jetzt den größten Schaden thun. Ein Beharren auf voller, gewissenhafter, hinterhaltsloscr Erfüllung der Stipulationen des Friedens dagegen muß von ganz Europa geduldet und kann ohne irgendwelche Gefahr von Preußen zur eignen Sache gemacht werden. 4. Der Friede hebt allerdings die politische Einheit der Herzogthümer Holstein und Schleswig auf, aber er setzt sür die Schleswiger im Allgemeinen gleiche Rechte fest wie für die Holsteiner. Er gibt also dem deutschen Bunde, also Preußen, die Befugnis,, die Lage Schleswigs zum Gegenstand seiner Fürsorge zu machen. Er ist endlich merkwürdig kurz und übergeht so viele Fragen mit Schweigen, daß eine kluge und feste Benutzung der Rechte, welche er noch läßt, und der Folgerungen, welche er zu ziehen gestattet, den Herzogthümer« zum Heil werden und Dänemark in unabsehbare Verlegenheiten stürzen muß. Von dem, was sich aus diesen Annahmen weiter entwickeln läßt, ein ander Mal. Hier handelte es sich nur darum, auszusprechen, daß der Friedensvertrag unter den gegebenen Verhält¬ nissen die einzig anwendbare und die einzig glückverheißende Grundlage sür die jetzt beginnenden Verhandlungen in Itzehoe ist. .del'?»'.'! ,»,!?> , V.-Ki'M-''- »' . ?l>!-1.<Mk.'! i->- '«^'i >/M»i!! n.'.' >"»»«i5l.i 62*

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341588_266356/499>, abgerufen am 05.07.2024.