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Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, II. Semester. IV. Band.

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diesem Unternehmen im Hintergrund stehen) fortwährend insgeheim nach Er¬
weiterung seines Einflusses auf der Südküste' des Mittelmeeres strebt, und wo
endlich Rußland mit Lillafranca einen Kriegshafen an diesem Meere-gewonnen
hat. Korfu aufgeben, hieße für England den dritten Theil seiner Macht im
Mittelmeer aufgeben. Und zu wessen Gunsten? Einfach zu Gunsten seiner
Rivalen. Die Insel würde zunächst an Griechenland fallen, welches England
mit gutem Grunde haßt, welches den Franzosen Verpflichtungen schuldet,
weiches durch seinen Glauben und tausend Sympathien sich zu Rußland hin¬
gezogen fühlt. Man hat in den letzten Jahren Millionen darauf verwendet,
die Stadt Korfu zu einer uneinnehmbaren Festung zu machen. Sie jetzt an
Griechenland abtreten, hieße diese Festung sür Rußland, welches nach der
Türkei, oder für Frankreich, weiches nach Aegypten strebt, oder für beide zu¬
gleich erbaut haben. Korfu ist einer der drei mächtigen Anker, welche die
Herrschaft Englands im Mittelmeer halten, wie es einst einer der Hauptanker
der Macht Venedigs war. Die jonischen Inseln besitzen eine cemrale Lage, indem
sie von Ländern umgeben sind, welchen große politische Veränderungen bevor¬
stehen, Ländern, auf welche England, wenn es nicht auf einen beträchtlichen Theil
seiner Bedeutung als Großmacht verzichten will, Einfluß zu behalten streben
muß, mit welchen es einen ausgedehnten Handel treibt, mit welchen es wieder¬
holt Krieg geführt hat und vielleicht wieder Krieg führen wird. Sie liegen
in der Mitte zwischen England und dem persischen Meerbusen, etwa zwei
Tagefahrten eines Dampfers von der Stelle, wo man jetzt einen Eingang
vom mittelländischen Meer in das rothe zu öffnen beabsichtigt. Sie sind aus das
bequemste zum Verkehr mit allen Theilen der Levante gelegen, sind Brückenköpfe
zum Einmarsch eines englischen Heeres in ein mit Nußland verbündetes Griechen¬
land, sind Castelle, welche das adriatische Meer schließen, sind eine Operations¬
basis in einem Kriege Englands mit italienischen Mächten. Alexandrien,
Tripolis. Tunis, Malta, Palermo. Neapel. Livorno. Genua, Ancona, Venedig,
Triest, Smyrna und Konstantinopel bilden einen Gürtel großer Städte um
diese Inselgruppe, von welcher aus Dampfschiffe in fünfzig bis achtzig Stun¬
den jeden dieser Plätze erreichen können. Sie ist ein Centralpunkt für die drei
Continente von Europa, Asien und Afrika, und man kann von ihr, vorzüglich
aber von Korfu. sagen, was Burke einst von Gibraltar sagte: "sie ist ein
Posten der Macht, ein Posten der Ueberlegenheit, der Verbindung, des Ver¬
kehrs -- ein solcher, welcher uns unsern Freunden unschätzbar, unsern Feinden
furchtbar macht."

Das Gebiet des Mittelmeeres gehört überhaupt zu den Gliedern des
Meeres, wo die Herrschaft Englands von jeher am meisten bestritten war.
Neue Knotenpunkte außer Gibraltar, Malta, Korfu dort zu erringen, ist für
die britische Macht sehr unwahrscheinlich. Man bedauert jetzt schon, daß


diesem Unternehmen im Hintergrund stehen) fortwährend insgeheim nach Er¬
weiterung seines Einflusses auf der Südküste' des Mittelmeeres strebt, und wo
endlich Rußland mit Lillafranca einen Kriegshafen an diesem Meere-gewonnen
hat. Korfu aufgeben, hieße für England den dritten Theil seiner Macht im
Mittelmeer aufgeben. Und zu wessen Gunsten? Einfach zu Gunsten seiner
Rivalen. Die Insel würde zunächst an Griechenland fallen, welches England
mit gutem Grunde haßt, welches den Franzosen Verpflichtungen schuldet,
weiches durch seinen Glauben und tausend Sympathien sich zu Rußland hin¬
gezogen fühlt. Man hat in den letzten Jahren Millionen darauf verwendet,
die Stadt Korfu zu einer uneinnehmbaren Festung zu machen. Sie jetzt an
Griechenland abtreten, hieße diese Festung sür Rußland, welches nach der
Türkei, oder für Frankreich, weiches nach Aegypten strebt, oder für beide zu¬
gleich erbaut haben. Korfu ist einer der drei mächtigen Anker, welche die
Herrschaft Englands im Mittelmeer halten, wie es einst einer der Hauptanker
der Macht Venedigs war. Die jonischen Inseln besitzen eine cemrale Lage, indem
sie von Ländern umgeben sind, welchen große politische Veränderungen bevor¬
stehen, Ländern, auf welche England, wenn es nicht auf einen beträchtlichen Theil
seiner Bedeutung als Großmacht verzichten will, Einfluß zu behalten streben
muß, mit welchen es einen ausgedehnten Handel treibt, mit welchen es wieder¬
holt Krieg geführt hat und vielleicht wieder Krieg führen wird. Sie liegen
in der Mitte zwischen England und dem persischen Meerbusen, etwa zwei
Tagefahrten eines Dampfers von der Stelle, wo man jetzt einen Eingang
vom mittelländischen Meer in das rothe zu öffnen beabsichtigt. Sie sind aus das
bequemste zum Verkehr mit allen Theilen der Levante gelegen, sind Brückenköpfe
zum Einmarsch eines englischen Heeres in ein mit Nußland verbündetes Griechen¬
land, sind Castelle, welche das adriatische Meer schließen, sind eine Operations¬
basis in einem Kriege Englands mit italienischen Mächten. Alexandrien,
Tripolis. Tunis, Malta, Palermo. Neapel. Livorno. Genua, Ancona, Venedig,
Triest, Smyrna und Konstantinopel bilden einen Gürtel großer Städte um
diese Inselgruppe, von welcher aus Dampfschiffe in fünfzig bis achtzig Stun¬
den jeden dieser Plätze erreichen können. Sie ist ein Centralpunkt für die drei
Continente von Europa, Asien und Afrika, und man kann von ihr, vorzüglich
aber von Korfu. sagen, was Burke einst von Gibraltar sagte: „sie ist ein
Posten der Macht, ein Posten der Ueberlegenheit, der Verbindung, des Ver¬
kehrs — ein solcher, welcher uns unsern Freunden unschätzbar, unsern Feinden
furchtbar macht."

Das Gebiet des Mittelmeeres gehört überhaupt zu den Gliedern des
Meeres, wo die Herrschaft Englands von jeher am meisten bestritten war.
Neue Knotenpunkte außer Gibraltar, Malta, Korfu dort zu erringen, ist für
die britische Macht sehr unwahrscheinlich. Man bedauert jetzt schon, daß


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341588_266356/472>, abgerufen am 05.07.2024.