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Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, II. Semester. IV. Band.

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stellten Anforderungen zu entsprechen, ohne dessen Beihilfe in Anspruch neh¬
men zu müssen, und ohne der Regierung einen Einfluß auf die innere Leitung
ihrer Schulen einzuräumen. Diese Forderungen von Seite des Staates,
welche vielleicht nur die Durchführung eines Systems, vielleicht aber auch be¬
zweckten, die protestantischen Schulen vom Staat abhängiger zu machen, hatten
sonach nur ein kräftigeres Zusammenwirken von Seite der Protestanten, und
einen erneuten Aufschwung ihrer Schulen zur Folge.

Resumiren wir unsere Schilderung des Standes der evangelischen Sache
in Ungarn: die Kirchenverfassung der Protestanten, durch mehre Friedens¬
schlüsse und vor allem durch das Gesetz vom Jahr 1791 garcintirt, welches
letztere von der östreichischen Regierung auch nach der Revolution der Jahre
1848 und 1849 als rechtliche Basis der Wünsche der Protestanten anerkannt
wird, erlitt aus Anlaß der unterdrückten Erhebung provisorische Beschränkungen,
welche nach Aufhebung des Belagerungszustandes -- auch wieder provisorisch
-- beibehalten blieben. Diesem noch jetzt fortdauernden Zustand ihrer kirch¬
lichen Angelegenheiten eine Abhilfe zu verschaffen, wendeten sich die Protestanten
Ungarns auf gesetzlichem Wege wiederholt an die Negierung: die Versprechungen
einer baldigen Herstellung des gesetzlichen Zustandes der Kirche, und damit
die Hoffnungen einer Bevölkerung von mehr als dritthalb Millionen Men¬
schen blieben bis jetzt unerfüllt. Ohne die Freiheiten der Kirche offen anzu¬
greifen, wird doch die Aenderung der ganzen Kirchenverfassung durch einen
der Berufung aus den §. 4. des 26. Gesetzartikels vom Jahre 1791 entgegenlau¬
fenden Vorschlag versucht, und die Negierung säumt beständig, ihren Zusagen
gemäß entweder die suspendirte Kirchenverfassung wieder in das Leben treten
oder auf gesetzlichem Wege vermittelst einer Synode die Verfassung der Kirche
einer Aenderung unterziehn zu lassen.

Von den Protestanten Ungarns kann nichts Anderes geschehen, als, daß
sie jede unrechtmüßige Zumuthung zurückweisend, ihre Rechte wahren und der
Gewährung iihrer Bitten entgegensehn. Von einer starken und loyalen Re¬
gierung aber sollte man erwarten können, daß sie eine so zahlreiche Classe
ihrer Unterthanen in ihren Rechten, welche anzuerkennen sie nicht umhin kann,
und in ihrem Heiligsten, dem Glauben, nicht länger kränken, sondern ihre Zu¬
B. sagen offen und ohne Rückhalt erfüllen werde.




stellten Anforderungen zu entsprechen, ohne dessen Beihilfe in Anspruch neh¬
men zu müssen, und ohne der Regierung einen Einfluß auf die innere Leitung
ihrer Schulen einzuräumen. Diese Forderungen von Seite des Staates,
welche vielleicht nur die Durchführung eines Systems, vielleicht aber auch be¬
zweckten, die protestantischen Schulen vom Staat abhängiger zu machen, hatten
sonach nur ein kräftigeres Zusammenwirken von Seite der Protestanten, und
einen erneuten Aufschwung ihrer Schulen zur Folge.

Resumiren wir unsere Schilderung des Standes der evangelischen Sache
in Ungarn: die Kirchenverfassung der Protestanten, durch mehre Friedens¬
schlüsse und vor allem durch das Gesetz vom Jahr 1791 garcintirt, welches
letztere von der östreichischen Regierung auch nach der Revolution der Jahre
1848 und 1849 als rechtliche Basis der Wünsche der Protestanten anerkannt
wird, erlitt aus Anlaß der unterdrückten Erhebung provisorische Beschränkungen,
welche nach Aufhebung des Belagerungszustandes — auch wieder provisorisch
— beibehalten blieben. Diesem noch jetzt fortdauernden Zustand ihrer kirch¬
lichen Angelegenheiten eine Abhilfe zu verschaffen, wendeten sich die Protestanten
Ungarns auf gesetzlichem Wege wiederholt an die Negierung: die Versprechungen
einer baldigen Herstellung des gesetzlichen Zustandes der Kirche, und damit
die Hoffnungen einer Bevölkerung von mehr als dritthalb Millionen Men¬
schen blieben bis jetzt unerfüllt. Ohne die Freiheiten der Kirche offen anzu¬
greifen, wird doch die Aenderung der ganzen Kirchenverfassung durch einen
der Berufung aus den §. 4. des 26. Gesetzartikels vom Jahre 1791 entgegenlau¬
fenden Vorschlag versucht, und die Negierung säumt beständig, ihren Zusagen
gemäß entweder die suspendirte Kirchenverfassung wieder in das Leben treten
oder auf gesetzlichem Wege vermittelst einer Synode die Verfassung der Kirche
einer Aenderung unterziehn zu lassen.

Von den Protestanten Ungarns kann nichts Anderes geschehen, als, daß
sie jede unrechtmüßige Zumuthung zurückweisend, ihre Rechte wahren und der
Gewährung iihrer Bitten entgegensehn. Von einer starken und loyalen Re¬
gierung aber sollte man erwarten können, daß sie eine so zahlreiche Classe
ihrer Unterthanen in ihren Rechten, welche anzuerkennen sie nicht umhin kann,
und in ihrem Heiligsten, dem Glauben, nicht länger kränken, sondern ihre Zu¬
B. sagen offen und ohne Rückhalt erfüllen werde.




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[0428] stellten Anforderungen zu entsprechen, ohne dessen Beihilfe in Anspruch neh¬ men zu müssen, und ohne der Regierung einen Einfluß auf die innere Leitung ihrer Schulen einzuräumen. Diese Forderungen von Seite des Staates, welche vielleicht nur die Durchführung eines Systems, vielleicht aber auch be¬ zweckten, die protestantischen Schulen vom Staat abhängiger zu machen, hatten sonach nur ein kräftigeres Zusammenwirken von Seite der Protestanten, und einen erneuten Aufschwung ihrer Schulen zur Folge. Resumiren wir unsere Schilderung des Standes der evangelischen Sache in Ungarn: die Kirchenverfassung der Protestanten, durch mehre Friedens¬ schlüsse und vor allem durch das Gesetz vom Jahr 1791 garcintirt, welches letztere von der östreichischen Regierung auch nach der Revolution der Jahre 1848 und 1849 als rechtliche Basis der Wünsche der Protestanten anerkannt wird, erlitt aus Anlaß der unterdrückten Erhebung provisorische Beschränkungen, welche nach Aufhebung des Belagerungszustandes — auch wieder provisorisch — beibehalten blieben. Diesem noch jetzt fortdauernden Zustand ihrer kirch¬ lichen Angelegenheiten eine Abhilfe zu verschaffen, wendeten sich die Protestanten Ungarns auf gesetzlichem Wege wiederholt an die Negierung: die Versprechungen einer baldigen Herstellung des gesetzlichen Zustandes der Kirche, und damit die Hoffnungen einer Bevölkerung von mehr als dritthalb Millionen Men¬ schen blieben bis jetzt unerfüllt. Ohne die Freiheiten der Kirche offen anzu¬ greifen, wird doch die Aenderung der ganzen Kirchenverfassung durch einen der Berufung aus den §. 4. des 26. Gesetzartikels vom Jahre 1791 entgegenlau¬ fenden Vorschlag versucht, und die Negierung säumt beständig, ihren Zusagen gemäß entweder die suspendirte Kirchenverfassung wieder in das Leben treten oder auf gesetzlichem Wege vermittelst einer Synode die Verfassung der Kirche einer Aenderung unterziehn zu lassen. Von den Protestanten Ungarns kann nichts Anderes geschehen, als, daß sie jede unrechtmüßige Zumuthung zurückweisend, ihre Rechte wahren und der Gewährung iihrer Bitten entgegensehn. Von einer starken und loyalen Re¬ gierung aber sollte man erwarten können, daß sie eine so zahlreiche Classe ihrer Unterthanen in ihren Rechten, welche anzuerkennen sie nicht umhin kann, und in ihrem Heiligsten, dem Glauben, nicht länger kränken, sondern ihre Zu¬ B. sagen offen und ohne Rückhalt erfüllen werde.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341588_266356/428>, abgerufen am 26.07.2024.