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Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, II. Semester. IV. Band.

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Sinn der alten schon mehrmals genannten Gesetze noch vollständiger an,
und im 26. Artikel des Jahres 1791 wurde aus Grundlage des wiener und
linzer Friedens, und unter Bestätigung der in diesen Verträgen enthaltenen
Rechte und Freiheiten, der Grundsatz der vollständigen Freiheit in Ausübung
der Religion und in dem Regiment der protestantischen Kirche zur Gesetzes¬
kraft erhoben.

Da auf diesem Gesetzartikel die Rechte der Protestanten beruhen und
derselbe in neuerer Zeit selbst von Seiten der Negierung häufig angeführt
wird, so dürfte es vielleicht passend sein, hier seine wesentlichsten Bestimmun¬
gen im Auszug wiederzugeben. Diese sind: die Ausübung der protestantischen
Religion soll überall vollständig frei und öffentlich sein, und weder durch Sr.
Majestät, uoch durch deren Räthe, noch durch die Grundherrn beirrt weiden
dürfen. Der Bau neuer Kirchen ist anstandslos gestattet, eine Konfession ist
nicht verpflichtet, beim Bau der Kirchen und Schulen den andern zu helfen,
noch dürfen die Protestanten zu irgend welchen Beiträgen für katholische
Zwecke angehalten werden. Der oft citirte §. 4 stellt fest, daß die Evan¬
gelischen beider Bekenntnisse in Religionssachen nur von ihren verfassungs¬
mäßigen Kirchenbehörden abhängig sein sollen, indem der Krone das Recht
vorbehalten bleibt, jene Ordnungen zu bestätigen, welche bezüglich der Consti-
tuirung dieser Obrigkeiten und der übrigen Theile der Kirchendisciplin in
gemeinschaftlicher Berathung der weltlichen und geistlichen Glieder der Kirche
festgesetzt wurden. Kirchliche Gesetze, die in Religionssachen gegeben worden
sind, oder in der Folge gegeben werden, können weder durch Regierungs¬
erlasse, noch durch königliche Verordnungen eine Aenderung erleiden. Die
Evangelischen A. C. dürfen, nach vorläufiger Bekanntgabe ihrer Absicht und
des Gegenstandes ihrer Berathung, in Gegenwart eines königlichen Commis-
sars, der weder auf das Präsidium, noch auf die Leitung der Versammlung
Anspruch hat, frei eine Synode halten; die auf derselben gegebenen Gesetze
und Kirchenordnungen besitzen nach erhaltener königlicher Bestätigung bindende
Kraft, ohne Beschränkung des höchsten königlichen Ueberwachungsrechtes. --
Andere Paragraphen garantiren das freie Dispositionsrecht der Protestanten
mit ihren Schulen; bei Uebertritten ist die Bewilligung Sr. Majestät einzu¬
holen. Endlich ist noch die Bestimmung zu erwähnen, daß bei gemischten
Ehen, wenn der Vater katholisch wäre, alle Kinder der katholischen Religion,
wenn nur die Mutter katholisch sein sollte, die Söhne der protestantischen, die
Töchter der katholischen Religion angehören sollen.

Unter dem Schutz dieses Gesetzes, welches der Gesetzgebung Ungarns zur
Ehre gereicht, erfreuten sich die Protestanten in einem katholischen Staat einer
nahezu vollkommenen Gleichberechtigung mit den Katholiken. Das Einzige,
worüber sich hier und da Klagen vernehmen ließen, war, daß bei Besetzung


Sinn der alten schon mehrmals genannten Gesetze noch vollständiger an,
und im 26. Artikel des Jahres 1791 wurde aus Grundlage des wiener und
linzer Friedens, und unter Bestätigung der in diesen Verträgen enthaltenen
Rechte und Freiheiten, der Grundsatz der vollständigen Freiheit in Ausübung
der Religion und in dem Regiment der protestantischen Kirche zur Gesetzes¬
kraft erhoben.

Da auf diesem Gesetzartikel die Rechte der Protestanten beruhen und
derselbe in neuerer Zeit selbst von Seiten der Negierung häufig angeführt
wird, so dürfte es vielleicht passend sein, hier seine wesentlichsten Bestimmun¬
gen im Auszug wiederzugeben. Diese sind: die Ausübung der protestantischen
Religion soll überall vollständig frei und öffentlich sein, und weder durch Sr.
Majestät, uoch durch deren Räthe, noch durch die Grundherrn beirrt weiden
dürfen. Der Bau neuer Kirchen ist anstandslos gestattet, eine Konfession ist
nicht verpflichtet, beim Bau der Kirchen und Schulen den andern zu helfen,
noch dürfen die Protestanten zu irgend welchen Beiträgen für katholische
Zwecke angehalten werden. Der oft citirte §. 4 stellt fest, daß die Evan¬
gelischen beider Bekenntnisse in Religionssachen nur von ihren verfassungs¬
mäßigen Kirchenbehörden abhängig sein sollen, indem der Krone das Recht
vorbehalten bleibt, jene Ordnungen zu bestätigen, welche bezüglich der Consti-
tuirung dieser Obrigkeiten und der übrigen Theile der Kirchendisciplin in
gemeinschaftlicher Berathung der weltlichen und geistlichen Glieder der Kirche
festgesetzt wurden. Kirchliche Gesetze, die in Religionssachen gegeben worden
sind, oder in der Folge gegeben werden, können weder durch Regierungs¬
erlasse, noch durch königliche Verordnungen eine Aenderung erleiden. Die
Evangelischen A. C. dürfen, nach vorläufiger Bekanntgabe ihrer Absicht und
des Gegenstandes ihrer Berathung, in Gegenwart eines königlichen Commis-
sars, der weder auf das Präsidium, noch auf die Leitung der Versammlung
Anspruch hat, frei eine Synode halten; die auf derselben gegebenen Gesetze
und Kirchenordnungen besitzen nach erhaltener königlicher Bestätigung bindende
Kraft, ohne Beschränkung des höchsten königlichen Ueberwachungsrechtes. —
Andere Paragraphen garantiren das freie Dispositionsrecht der Protestanten
mit ihren Schulen; bei Uebertritten ist die Bewilligung Sr. Majestät einzu¬
holen. Endlich ist noch die Bestimmung zu erwähnen, daß bei gemischten
Ehen, wenn der Vater katholisch wäre, alle Kinder der katholischen Religion,
wenn nur die Mutter katholisch sein sollte, die Söhne der protestantischen, die
Töchter der katholischen Religion angehören sollen.

Unter dem Schutz dieses Gesetzes, welches der Gesetzgebung Ungarns zur
Ehre gereicht, erfreuten sich die Protestanten in einem katholischen Staat einer
nahezu vollkommenen Gleichberechtigung mit den Katholiken. Das Einzige,
worüber sich hier und da Klagen vernehmen ließen, war, daß bei Besetzung


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341588_266356/423>, abgerufen am 26.07.2024.