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Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, II. Semester. IV. Band.

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wollte. Vom preußischen Gesandten war schon oben die Rede, aber auch sür
die andern Minister sielen reichliche Geschenke ab, theils offen, wie es damals
Sitte war, theils geheim. Nur der alte Minister Ilgen widerstand dem kai¬
serlichen Gold und den kaiserlichen Plänen mit gleicher Zähigkeit, und wurde
dafür freilich von Seckendorff als im englischen Sold stehend beschuldigt. In
einem einzigen Monat hatte der Herr Graf von seinem Gut in Meuselwitz für über
hundert Thaler Lerchen an seine Freunde nach Berlin geschickt, und wer von
den Generalen und Offizieren nicht grade barres Geld annehmen wollte, dem
schenkte er von Zeit zu Zeit schöne große Rekruten aus Oestreich, für die der
König dann die vermeintlichen Auslagen erstatten durfte. Treue, ja selbst der
Begriff der Treue schien verloren. Grumbkow paßte als vortrefflicher Finanz¬
mann gut in diese Verhältnisse. Alle Berichte, selbst die ihm sonst so feind¬
lichen der Markgräfin von Baireuth stimmen darin überein, daß er für die
Geschäfte eine ungemeine Befähigung bewiesen habe. Er hatte auf die Fi¬
nanzverwaltung wohlthätigen Einfluß, und sehr bald wünschte man ihn nach
seinem Tod zurück, als sein Nachfolger Bode die Accise und die Zölle stark
erhöhte.

Der Grundzug in Grumbkows Charakter war Selbstsucht und Genußsucht.
Er war ein Epikuräer, der alles, was er that, aus sein Wohlsein bezog.
Hätte ihn einfach Herrschsucht gereizt, so hätte er sich in den Tagen des Glücks
weit höher heben können. Aber er war klug genug, sich mit einer weniger
hervortretenden Rolle zu begnügen, wenn sie ihm nur die nämliche Macht
gab, sich und seiner Familie das gewünschte Wohlbefinden zu verschaffen. Darum
war er ein Feind aller durchgreifenden Maßregeln, darum verfolgte er sei¬
nen Sieg nicht bis zum Ende und zeigte gegen niemanden unversöhnlichen
Haß; denn auch der Feindschaft gegen den alten Dessauer gab er wenigstens
keinen besondern Ausdruck. Aber ebenso wenig war er wirklicher Freund¬
schaft fähig; sür solches Gefühl war die Region, in der er lebte, nicht geeignet.
Friedrich Wilhelm hat überhaupt nie wahrhafte Freunde gehabt. Auch
Grumbkow liebte den König nicht, und hat niemals besondere Anhänglich¬
keit an ihn bewiesen. Die Freuden der Tafel waren ihm sein Höchstes. Er
liebte ein gutes Essen und noch mehr einen guten Trunk. Hieraus verwendete
er große Summen, und hier fühlte er sich in seinem Bereich. Sein Spottname
unter den Hofleuten war deshalb Mich "Biberius". Einen französischen Koch
hielt er sich sür vierhundert Thaler. Darum besuchte ihn der König ost und
gern bei den Gastmahlen, die er veranstaltete, umso mehr, als er in seinem
Wirth einen Mann fand, der ihm getreulich Bescheid that, und nicht blos
aushielt, sondern ihn in dieser Fähigkeit noch weit übertraf. Ueberhaupt
war Grumbkow dem König ein sehr angenehmer Gesellschafter und darum
ein nicht so leicht fehlendes Mitglied des Tabakscollegiums. In seinem Speise-


wollte. Vom preußischen Gesandten war schon oben die Rede, aber auch sür
die andern Minister sielen reichliche Geschenke ab, theils offen, wie es damals
Sitte war, theils geheim. Nur der alte Minister Ilgen widerstand dem kai¬
serlichen Gold und den kaiserlichen Plänen mit gleicher Zähigkeit, und wurde
dafür freilich von Seckendorff als im englischen Sold stehend beschuldigt. In
einem einzigen Monat hatte der Herr Graf von seinem Gut in Meuselwitz für über
hundert Thaler Lerchen an seine Freunde nach Berlin geschickt, und wer von
den Generalen und Offizieren nicht grade barres Geld annehmen wollte, dem
schenkte er von Zeit zu Zeit schöne große Rekruten aus Oestreich, für die der
König dann die vermeintlichen Auslagen erstatten durfte. Treue, ja selbst der
Begriff der Treue schien verloren. Grumbkow paßte als vortrefflicher Finanz¬
mann gut in diese Verhältnisse. Alle Berichte, selbst die ihm sonst so feind¬
lichen der Markgräfin von Baireuth stimmen darin überein, daß er für die
Geschäfte eine ungemeine Befähigung bewiesen habe. Er hatte auf die Fi¬
nanzverwaltung wohlthätigen Einfluß, und sehr bald wünschte man ihn nach
seinem Tod zurück, als sein Nachfolger Bode die Accise und die Zölle stark
erhöhte.

Der Grundzug in Grumbkows Charakter war Selbstsucht und Genußsucht.
Er war ein Epikuräer, der alles, was er that, aus sein Wohlsein bezog.
Hätte ihn einfach Herrschsucht gereizt, so hätte er sich in den Tagen des Glücks
weit höher heben können. Aber er war klug genug, sich mit einer weniger
hervortretenden Rolle zu begnügen, wenn sie ihm nur die nämliche Macht
gab, sich und seiner Familie das gewünschte Wohlbefinden zu verschaffen. Darum
war er ein Feind aller durchgreifenden Maßregeln, darum verfolgte er sei¬
nen Sieg nicht bis zum Ende und zeigte gegen niemanden unversöhnlichen
Haß; denn auch der Feindschaft gegen den alten Dessauer gab er wenigstens
keinen besondern Ausdruck. Aber ebenso wenig war er wirklicher Freund¬
schaft fähig; sür solches Gefühl war die Region, in der er lebte, nicht geeignet.
Friedrich Wilhelm hat überhaupt nie wahrhafte Freunde gehabt. Auch
Grumbkow liebte den König nicht, und hat niemals besondere Anhänglich¬
keit an ihn bewiesen. Die Freuden der Tafel waren ihm sein Höchstes. Er
liebte ein gutes Essen und noch mehr einen guten Trunk. Hieraus verwendete
er große Summen, und hier fühlte er sich in seinem Bereich. Sein Spottname
unter den Hofleuten war deshalb Mich „Biberius". Einen französischen Koch
hielt er sich sür vierhundert Thaler. Darum besuchte ihn der König ost und
gern bei den Gastmahlen, die er veranstaltete, umso mehr, als er in seinem
Wirth einen Mann fand, der ihm getreulich Bescheid that, und nicht blos
aushielt, sondern ihn in dieser Fähigkeit noch weit übertraf. Ueberhaupt
war Grumbkow dem König ein sehr angenehmer Gesellschafter und darum
ein nicht so leicht fehlendes Mitglied des Tabakscollegiums. In seinem Speise-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341588_266356/394>, abgerufen am 26.07.2024.