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Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, II. Semester. IV. Band.

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Folge war. Auf dem bestimmten Kampfplatz zag Grumbkow indessen nur
den Degen, um Seine Durchlaucht um Beilegung des Streits zu bitten. Die
Durchlaucht aber warf ihm einen verächtlichen Blick zu und wandte ihm den
Rücken. Die Sache machte den größten Lärm, und der König, der anfangs
den: Handel seinen Laus lassen wollte, berief endlich ein Ehrengericht von
zweiunozwanzig Generalen. Dieses Tribunal erklärte das Benehmen des Ge¬
nerals von Grumbkow sür völlig ehrenhaft, und nach langem Sträuben
mußte sich der Fürst von Dessau zu einer Abbitte versiebn. Dennoch konnte
ihm Grumbkow die Beleidigung nie vergessen. In Herrenhnusen hatte man
auch eine Doppelheirath zwischen der preußischen und englischen Familie in
Aussicht genommen. Beide Verabredungen, der Bertrag und die Heirath,
sollten aber geheim gehalten werden. Dennoch war der erstere kaum geschlos¬
sen, als der wiener Hof schon Nachricht davon hatte, -- so gut war er be¬
dient. Der Graf Seckendorff hatte schon früher als Spion gedient, stand
noch immer mit Friedrich Wilhelm in Briefwechsel, kam öfters nach Berlin
zum Besuch und lieferte stets genaue Berichte nach Wien. Auf ihn, der die
sächsischen Dienste verlassen hatte, und auf seinein Gut Meuselwitz in Thü¬
ringen wohnte, siel daher der Blick des Prinzen Eugen als den richtigen
Mann, das Nähere zu erkunden.

Seckendorff war ein stolzer Diplomat, kalt und herzlos, der alles seinen
politischen Zwecken nachsetzte; ohne Berständniß einer höhern Regung, besaß
er die tiefste Kenntnis; der schlechten Seiten des menschlichen Charakters, die
er sich auf die feinste Weise dienstbar zu machen wußte. Sehr bald war er
im Stand, den Hauptinhalt des Herrenhäuser Bündnisses nach Wien zu be¬
richten, denn er hatte auch in Hannover seine guten Freunde. Er schrieb, es
drehe sich hauptsächlich um Jülich und Berg, aus das Preußen Anspruch
machte, und wenn diese Frage auch im eigentlichen Bertrag nicht erwähnt
war, so hatte der Graf doch Recht, so weit es Preußen anging. Denn nur
in dieser Hinsicht hatte sich Friedrich Wilhelm gewinnen lassen.

Das Genauere zu erfahren, begab sich Seckendorff selbst nach Hannover,
wo. die Könige aufs neue eine Zusammenkunft hatten. Der schlaue Graf
schützte seine Bewerbung um die Reichsfcldzeugmeisterstclle als Grund seiner
Aufwartung am kurfürstlichen Hofe vor, und erhielt auch die gütigsten Zu-
sicherungen. Insgeheim gelang es ihm, -durch Schmeichelei, Vertraulichkeit
und Bestechung das ganze Gewebe zu durchschauen. In ausführlichen Be¬
richten schrieb er an den Prinzen Eugen, und ging dann mit dem König
Friedrich Wilhelm nach Berlin, wo er, dem Anschein nach als Privatmann
lebend, sogleich die besten Anstalten traf, den König vom ncugeschlosscncn
Bündmß abzuziehn.

Mit dem scharfen Blick eines kalten Politikers sing er seine Operationen


Folge war. Auf dem bestimmten Kampfplatz zag Grumbkow indessen nur
den Degen, um Seine Durchlaucht um Beilegung des Streits zu bitten. Die
Durchlaucht aber warf ihm einen verächtlichen Blick zu und wandte ihm den
Rücken. Die Sache machte den größten Lärm, und der König, der anfangs
den: Handel seinen Laus lassen wollte, berief endlich ein Ehrengericht von
zweiunozwanzig Generalen. Dieses Tribunal erklärte das Benehmen des Ge¬
nerals von Grumbkow sür völlig ehrenhaft, und nach langem Sträuben
mußte sich der Fürst von Dessau zu einer Abbitte versiebn. Dennoch konnte
ihm Grumbkow die Beleidigung nie vergessen. In Herrenhnusen hatte man
auch eine Doppelheirath zwischen der preußischen und englischen Familie in
Aussicht genommen. Beide Verabredungen, der Bertrag und die Heirath,
sollten aber geheim gehalten werden. Dennoch war der erstere kaum geschlos¬
sen, als der wiener Hof schon Nachricht davon hatte, — so gut war er be¬
dient. Der Graf Seckendorff hatte schon früher als Spion gedient, stand
noch immer mit Friedrich Wilhelm in Briefwechsel, kam öfters nach Berlin
zum Besuch und lieferte stets genaue Berichte nach Wien. Auf ihn, der die
sächsischen Dienste verlassen hatte, und auf seinein Gut Meuselwitz in Thü¬
ringen wohnte, siel daher der Blick des Prinzen Eugen als den richtigen
Mann, das Nähere zu erkunden.

Seckendorff war ein stolzer Diplomat, kalt und herzlos, der alles seinen
politischen Zwecken nachsetzte; ohne Berständniß einer höhern Regung, besaß
er die tiefste Kenntnis; der schlechten Seiten des menschlichen Charakters, die
er sich auf die feinste Weise dienstbar zu machen wußte. Sehr bald war er
im Stand, den Hauptinhalt des Herrenhäuser Bündnisses nach Wien zu be¬
richten, denn er hatte auch in Hannover seine guten Freunde. Er schrieb, es
drehe sich hauptsächlich um Jülich und Berg, aus das Preußen Anspruch
machte, und wenn diese Frage auch im eigentlichen Bertrag nicht erwähnt
war, so hatte der Graf doch Recht, so weit es Preußen anging. Denn nur
in dieser Hinsicht hatte sich Friedrich Wilhelm gewinnen lassen.

Das Genauere zu erfahren, begab sich Seckendorff selbst nach Hannover,
wo. die Könige aufs neue eine Zusammenkunft hatten. Der schlaue Graf
schützte seine Bewerbung um die Reichsfcldzeugmeisterstclle als Grund seiner
Aufwartung am kurfürstlichen Hofe vor, und erhielt auch die gütigsten Zu-
sicherungen. Insgeheim gelang es ihm, -durch Schmeichelei, Vertraulichkeit
und Bestechung das ganze Gewebe zu durchschauen. In ausführlichen Be¬
richten schrieb er an den Prinzen Eugen, und ging dann mit dem König
Friedrich Wilhelm nach Berlin, wo er, dem Anschein nach als Privatmann
lebend, sogleich die besten Anstalten traf, den König vom ncugeschlosscncn
Bündmß abzuziehn.

Mit dem scharfen Blick eines kalten Politikers sing er seine Operationen


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[0384] Folge war. Auf dem bestimmten Kampfplatz zag Grumbkow indessen nur den Degen, um Seine Durchlaucht um Beilegung des Streits zu bitten. Die Durchlaucht aber warf ihm einen verächtlichen Blick zu und wandte ihm den Rücken. Die Sache machte den größten Lärm, und der König, der anfangs den: Handel seinen Laus lassen wollte, berief endlich ein Ehrengericht von zweiunozwanzig Generalen. Dieses Tribunal erklärte das Benehmen des Ge¬ nerals von Grumbkow sür völlig ehrenhaft, und nach langem Sträuben mußte sich der Fürst von Dessau zu einer Abbitte versiebn. Dennoch konnte ihm Grumbkow die Beleidigung nie vergessen. In Herrenhnusen hatte man auch eine Doppelheirath zwischen der preußischen und englischen Familie in Aussicht genommen. Beide Verabredungen, der Bertrag und die Heirath, sollten aber geheim gehalten werden. Dennoch war der erstere kaum geschlos¬ sen, als der wiener Hof schon Nachricht davon hatte, — so gut war er be¬ dient. Der Graf Seckendorff hatte schon früher als Spion gedient, stand noch immer mit Friedrich Wilhelm in Briefwechsel, kam öfters nach Berlin zum Besuch und lieferte stets genaue Berichte nach Wien. Auf ihn, der die sächsischen Dienste verlassen hatte, und auf seinein Gut Meuselwitz in Thü¬ ringen wohnte, siel daher der Blick des Prinzen Eugen als den richtigen Mann, das Nähere zu erkunden. Seckendorff war ein stolzer Diplomat, kalt und herzlos, der alles seinen politischen Zwecken nachsetzte; ohne Berständniß einer höhern Regung, besaß er die tiefste Kenntnis; der schlechten Seiten des menschlichen Charakters, die er sich auf die feinste Weise dienstbar zu machen wußte. Sehr bald war er im Stand, den Hauptinhalt des Herrenhäuser Bündnisses nach Wien zu be¬ richten, denn er hatte auch in Hannover seine guten Freunde. Er schrieb, es drehe sich hauptsächlich um Jülich und Berg, aus das Preußen Anspruch machte, und wenn diese Frage auch im eigentlichen Bertrag nicht erwähnt war, so hatte der Graf doch Recht, so weit es Preußen anging. Denn nur in dieser Hinsicht hatte sich Friedrich Wilhelm gewinnen lassen. Das Genauere zu erfahren, begab sich Seckendorff selbst nach Hannover, wo. die Könige aufs neue eine Zusammenkunft hatten. Der schlaue Graf schützte seine Bewerbung um die Reichsfcldzeugmeisterstclle als Grund seiner Aufwartung am kurfürstlichen Hofe vor, und erhielt auch die gütigsten Zu- sicherungen. Insgeheim gelang es ihm, -durch Schmeichelei, Vertraulichkeit und Bestechung das ganze Gewebe zu durchschauen. In ausführlichen Be¬ richten schrieb er an den Prinzen Eugen, und ging dann mit dem König Friedrich Wilhelm nach Berlin, wo er, dem Anschein nach als Privatmann lebend, sogleich die besten Anstalten traf, den König vom ncugeschlosscncn Bündmß abzuziehn. Mit dem scharfen Blick eines kalten Politikers sing er seine Operationen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341588_266356/384>, abgerufen am 26.07.2024.