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Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, II. Semester. IV. Band.

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gen, gemüthliches Sichgehenlassen, Lebhaftigkeit im Ausdruck, Biegsamkeit
und muntrer, aufgeweckter Sinn kennzeichnen die Südländer und beleben den
Verkehr. Hier schreitet gravitätisch eine dicke Mulattin die Straße entlang,
in sauberem Hemd, buntem Rock, kattunenen Tuch über die Brust, das im
Genick zu einem Knoten geschürzt ist, und langem weißen Schleiertuch, das
über Kopf und Schulter gebreitet lang durch den innern Ellenbogen herab¬
hängt. Dort geht langsam auf dem Trottoir ein Mädchen mit einem Korb
oder Kübel aus dem Kopf. Hellbraune Farbe, langes glattes Haar, breites
Gesicht und matte Augen lassen die Indianerin erkennen. Hier hält an die
Mauer gelehnt ein echter Aethiopier Maulaffen feil. Seine Kleidung -- die
Hosen über dem Hemd und Sandalen -- zeigt den dienenden Stadtbewohner.
Am zahlreichsten vertreten sind aber zur Marktzcit Farbige mit ealsvireillos
und CÄinisa,, d. h. deren Kleidung sich nächst dem breitkrämdigen Strohhut
nur auf Hemd und Hosen reducirt. und zwar so. daß letztere unter dem
Hemd befestigt sind. Kurz und weit flattern sie um die dürre Wade und
lose hängt das Hemd am Leibe bis oberhalb des Knies. Hieran erkennt
man den Landbewohner, der auf seinem Esel Gemüse und Früchte zu Markte
bringt. Aber kurios präsentirt sich der höhere, feinere Neger, welcher den
Gentleman spielen will. In reinem Hemd mit gesteppter Brust, feinen Drell-
hosen, reichgestickten bunten Hosenträgern, weißem Röckchen, seidenem Hals¬
tuch und Schuhen geht er, die Cigarre im Mund und in der Hand ein
Stöckchen, selbstgefällig einher. Weiterhin balgen sich zwei Negerjungen, ein
kleiner Zambo daneben saugt an einem Stück Zuckerrohr oder thut sich mit
braunem Cocosconfect gütlich. Unweit ist die Passage auf Minuten gehemmt.
Eine Caravane von Eseln, durch Stricke aneinander gebunden, mit Kaffee¬
säcken beladen, die Treiber zur Seite mit halb zerschlagenem Stab, stehen
vor einem Magazin quer über die Straße, und harren der Abladung. --
Doch fehlt es in den unteren Straßen auch nicht an Kaufleuten aller Natio¬
nen. Deutschen zumal und Engländern. Bis zur Frühstückszeit, zehn Uhr,
ist überhaupt der Verkehr am lebendigsten, und die Mode- und Putzläden
füllen sich mit schönen Creolinnen. Aber bei aller Geschäftigkeit und Reg¬
samkeit waltet doch in allem ein friedlicher freierer Geist. Da herrscht in
der Kleidung kein Zwang der Etikette, auch in den Ernst der Geschäfte
mischt sich in jenem gütigen Klima heitre Laune. Der im Norden Mienen
verzerrende, hastig eilende Speculationsgeist des Kaufmanns fügt sich unter
den Strahlen der tropischen Sonne 'allgemach einer behaglichen Weise, einer
gefälligen Form, eingedenk des Wortes: Eile mit Weile. Und wie im Ganzen
das übrige Leben in Caracas zwischen den hohen Bergen still und geräusch¬
los dahingeht, so auch der Straßenverkehr und das öffentliche Leben.. Dazu
gesellt sich große Leichtigkeit des Anschlusses, die vom heißblütigen Creolen schnell


gen, gemüthliches Sichgehenlassen, Lebhaftigkeit im Ausdruck, Biegsamkeit
und muntrer, aufgeweckter Sinn kennzeichnen die Südländer und beleben den
Verkehr. Hier schreitet gravitätisch eine dicke Mulattin die Straße entlang,
in sauberem Hemd, buntem Rock, kattunenen Tuch über die Brust, das im
Genick zu einem Knoten geschürzt ist, und langem weißen Schleiertuch, das
über Kopf und Schulter gebreitet lang durch den innern Ellenbogen herab¬
hängt. Dort geht langsam auf dem Trottoir ein Mädchen mit einem Korb
oder Kübel aus dem Kopf. Hellbraune Farbe, langes glattes Haar, breites
Gesicht und matte Augen lassen die Indianerin erkennen. Hier hält an die
Mauer gelehnt ein echter Aethiopier Maulaffen feil. Seine Kleidung — die
Hosen über dem Hemd und Sandalen — zeigt den dienenden Stadtbewohner.
Am zahlreichsten vertreten sind aber zur Marktzcit Farbige mit ealsvireillos
und CÄinisa,, d. h. deren Kleidung sich nächst dem breitkrämdigen Strohhut
nur auf Hemd und Hosen reducirt. und zwar so. daß letztere unter dem
Hemd befestigt sind. Kurz und weit flattern sie um die dürre Wade und
lose hängt das Hemd am Leibe bis oberhalb des Knies. Hieran erkennt
man den Landbewohner, der auf seinem Esel Gemüse und Früchte zu Markte
bringt. Aber kurios präsentirt sich der höhere, feinere Neger, welcher den
Gentleman spielen will. In reinem Hemd mit gesteppter Brust, feinen Drell-
hosen, reichgestickten bunten Hosenträgern, weißem Röckchen, seidenem Hals¬
tuch und Schuhen geht er, die Cigarre im Mund und in der Hand ein
Stöckchen, selbstgefällig einher. Weiterhin balgen sich zwei Negerjungen, ein
kleiner Zambo daneben saugt an einem Stück Zuckerrohr oder thut sich mit
braunem Cocosconfect gütlich. Unweit ist die Passage auf Minuten gehemmt.
Eine Caravane von Eseln, durch Stricke aneinander gebunden, mit Kaffee¬
säcken beladen, die Treiber zur Seite mit halb zerschlagenem Stab, stehen
vor einem Magazin quer über die Straße, und harren der Abladung. —
Doch fehlt es in den unteren Straßen auch nicht an Kaufleuten aller Natio¬
nen. Deutschen zumal und Engländern. Bis zur Frühstückszeit, zehn Uhr,
ist überhaupt der Verkehr am lebendigsten, und die Mode- und Putzläden
füllen sich mit schönen Creolinnen. Aber bei aller Geschäftigkeit und Reg¬
samkeit waltet doch in allem ein friedlicher freierer Geist. Da herrscht in
der Kleidung kein Zwang der Etikette, auch in den Ernst der Geschäfte
mischt sich in jenem gütigen Klima heitre Laune. Der im Norden Mienen
verzerrende, hastig eilende Speculationsgeist des Kaufmanns fügt sich unter
den Strahlen der tropischen Sonne 'allgemach einer behaglichen Weise, einer
gefälligen Form, eingedenk des Wortes: Eile mit Weile. Und wie im Ganzen
das übrige Leben in Caracas zwischen den hohen Bergen still und geräusch¬
los dahingeht, so auch der Straßenverkehr und das öffentliche Leben.. Dazu
gesellt sich große Leichtigkeit des Anschlusses, die vom heißblütigen Creolen schnell


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[0357] gen, gemüthliches Sichgehenlassen, Lebhaftigkeit im Ausdruck, Biegsamkeit und muntrer, aufgeweckter Sinn kennzeichnen die Südländer und beleben den Verkehr. Hier schreitet gravitätisch eine dicke Mulattin die Straße entlang, in sauberem Hemd, buntem Rock, kattunenen Tuch über die Brust, das im Genick zu einem Knoten geschürzt ist, und langem weißen Schleiertuch, das über Kopf und Schulter gebreitet lang durch den innern Ellenbogen herab¬ hängt. Dort geht langsam auf dem Trottoir ein Mädchen mit einem Korb oder Kübel aus dem Kopf. Hellbraune Farbe, langes glattes Haar, breites Gesicht und matte Augen lassen die Indianerin erkennen. Hier hält an die Mauer gelehnt ein echter Aethiopier Maulaffen feil. Seine Kleidung — die Hosen über dem Hemd und Sandalen — zeigt den dienenden Stadtbewohner. Am zahlreichsten vertreten sind aber zur Marktzcit Farbige mit ealsvireillos und CÄinisa,, d. h. deren Kleidung sich nächst dem breitkrämdigen Strohhut nur auf Hemd und Hosen reducirt. und zwar so. daß letztere unter dem Hemd befestigt sind. Kurz und weit flattern sie um die dürre Wade und lose hängt das Hemd am Leibe bis oberhalb des Knies. Hieran erkennt man den Landbewohner, der auf seinem Esel Gemüse und Früchte zu Markte bringt. Aber kurios präsentirt sich der höhere, feinere Neger, welcher den Gentleman spielen will. In reinem Hemd mit gesteppter Brust, feinen Drell- hosen, reichgestickten bunten Hosenträgern, weißem Röckchen, seidenem Hals¬ tuch und Schuhen geht er, die Cigarre im Mund und in der Hand ein Stöckchen, selbstgefällig einher. Weiterhin balgen sich zwei Negerjungen, ein kleiner Zambo daneben saugt an einem Stück Zuckerrohr oder thut sich mit braunem Cocosconfect gütlich. Unweit ist die Passage auf Minuten gehemmt. Eine Caravane von Eseln, durch Stricke aneinander gebunden, mit Kaffee¬ säcken beladen, die Treiber zur Seite mit halb zerschlagenem Stab, stehen vor einem Magazin quer über die Straße, und harren der Abladung. — Doch fehlt es in den unteren Straßen auch nicht an Kaufleuten aller Natio¬ nen. Deutschen zumal und Engländern. Bis zur Frühstückszeit, zehn Uhr, ist überhaupt der Verkehr am lebendigsten, und die Mode- und Putzläden füllen sich mit schönen Creolinnen. Aber bei aller Geschäftigkeit und Reg¬ samkeit waltet doch in allem ein friedlicher freierer Geist. Da herrscht in der Kleidung kein Zwang der Etikette, auch in den Ernst der Geschäfte mischt sich in jenem gütigen Klima heitre Laune. Der im Norden Mienen verzerrende, hastig eilende Speculationsgeist des Kaufmanns fügt sich unter den Strahlen der tropischen Sonne 'allgemach einer behaglichen Weise, einer gefälligen Form, eingedenk des Wortes: Eile mit Weile. Und wie im Ganzen das übrige Leben in Caracas zwischen den hohen Bergen still und geräusch¬ los dahingeht, so auch der Straßenverkehr und das öffentliche Leben.. Dazu gesellt sich große Leichtigkeit des Anschlusses, die vom heißblütigen Creolen schnell

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341588_266356/357>, abgerufen am 26.07.2024.