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Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, II. Semester. IV. Band.

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nen, die man unsern Deductionen vielleicht noch entgegenhalten könnte. Wir
sind nämlich bisher immer nur von der Person des Rechtsnachfolgers unsers
Dichters ausgegangen, wir haben bis dahin nur nachgewiesep, daß es für
diesen keine Rechtsverletzung sei, wenn ihm ein ausschließliches Recht an dem
Werke seines Erblassers nicht zugestanden wird. Wenn aber der Rechtsnach¬
folger ke'in Recht hat unbeschränkt zu erben, hat deshalb auch der Dichter kein
Recht, sein Erzeugnis) frei zu vererben? Ist es also nicht eine Verletzung seines
Rechts, und wenn das nicht, ist es nicht wenigstens eine Mißachtung seiner
Persönlichkeit, oder doch ein Mangel an der ihm schuldigen Pietät, wenn
man ihm die Möglichkeit entzieht, die materiellen Vortheile seines Werks
seiner Familie für alle Zeit zu erhalten? Das Recht des Dichters an seinem
Drama ist ein Vermögensrecht; Vermögensrechte gehen aber auf die Erben
über, und nur die Communisten leugnen dies, wird uns Jules Simon vorhalten.

Und doch hat die Majorität des Kongresses dem Recht des Dichters alle
die Achtung erwiesen, die er für sein Recht sowol, wie für seine Persönlichkeit
um irgend beanspruchen kann. Das Recht des Dichters auf den ausschlie߬
lichen Verlag seines Dramas ist ein Vermögensrecht, aber -- ein indivi¬
duelles Vermögensrecht. Die eigenthümliche Natur vom Object dieses
Rechts bleibt für den Dichter selbst ebenso zart und duftig, wie sür
seinen Rechtsnachfolger, und es steht nicht in seiner, wie in keines Menschen
Macht, diese Natur zu verändern. , Sie wirkt deshalb auch nothwendig auf
den Dichter und sein Recht ebenso bedingend und gestaltend zurück, wie jedes
andere Nechtsobject in seiner Weise dies auch thut. Sein Drama ist
und bleibt ein geistiges Product, das des zähen Stoffs nun einmal entbehrt,
der für die Producte unserer Handarbeit die Möglichkeit des freien Ueber¬
gangs auf jeden dritten gewährt. Nur dem geistigen Erzeuger bequemt sich
das geistige Product zu der Rolle des Gelderwerbcns, nur ihn erkennt
es an als den Herrn und Meister, der Macht hat über sein* Geschick. Mit
' dem Tode dieses seines Herrn schwingt es sich wieder aus zu den Höhen des
Lichts und der Freiheit, aus denen der Dichter, der Künstler es herabholt.
Dies ist keine Demüthigung sür den Dichter, dies ist, wie uns dünkt, erst
der rechte Triumph für ihn. Hierin erst zeigt es sich, daß er höher steht als
der Handwerker, als der Industrielle, daß der Geist es war, und nur der
Geist, mit dem er geschaffen und für den er geschaffen. Die Bestimmungen
also, welche die Majorität des Congresses gegen die Natur des Rechtes
zum Vortheil der Witwe und der Erben des Schriftstellers und Künstlers 'ge¬
troffen, sie sind nicht etwa eine unzulängliche Anerkennung eines Rechts dieser
Personen, sie sind vielmehr ausschließlich der Ausfluß der persönlichen Ver¬
ehrung und der Pietät, die über das Grab hinaus den großen Todten der
Nation gezollt wird.


nen, die man unsern Deductionen vielleicht noch entgegenhalten könnte. Wir
sind nämlich bisher immer nur von der Person des Rechtsnachfolgers unsers
Dichters ausgegangen, wir haben bis dahin nur nachgewiesep, daß es für
diesen keine Rechtsverletzung sei, wenn ihm ein ausschließliches Recht an dem
Werke seines Erblassers nicht zugestanden wird. Wenn aber der Rechtsnach¬
folger ke'in Recht hat unbeschränkt zu erben, hat deshalb auch der Dichter kein
Recht, sein Erzeugnis) frei zu vererben? Ist es also nicht eine Verletzung seines
Rechts, und wenn das nicht, ist es nicht wenigstens eine Mißachtung seiner
Persönlichkeit, oder doch ein Mangel an der ihm schuldigen Pietät, wenn
man ihm die Möglichkeit entzieht, die materiellen Vortheile seines Werks
seiner Familie für alle Zeit zu erhalten? Das Recht des Dichters an seinem
Drama ist ein Vermögensrecht; Vermögensrechte gehen aber auf die Erben
über, und nur die Communisten leugnen dies, wird uns Jules Simon vorhalten.

Und doch hat die Majorität des Kongresses dem Recht des Dichters alle
die Achtung erwiesen, die er für sein Recht sowol, wie für seine Persönlichkeit
um irgend beanspruchen kann. Das Recht des Dichters auf den ausschlie߬
lichen Verlag seines Dramas ist ein Vermögensrecht, aber — ein indivi¬
duelles Vermögensrecht. Die eigenthümliche Natur vom Object dieses
Rechts bleibt für den Dichter selbst ebenso zart und duftig, wie sür
seinen Rechtsnachfolger, und es steht nicht in seiner, wie in keines Menschen
Macht, diese Natur zu verändern. , Sie wirkt deshalb auch nothwendig auf
den Dichter und sein Recht ebenso bedingend und gestaltend zurück, wie jedes
andere Nechtsobject in seiner Weise dies auch thut. Sein Drama ist
und bleibt ein geistiges Product, das des zähen Stoffs nun einmal entbehrt,
der für die Producte unserer Handarbeit die Möglichkeit des freien Ueber¬
gangs auf jeden dritten gewährt. Nur dem geistigen Erzeuger bequemt sich
das geistige Product zu der Rolle des Gelderwerbcns, nur ihn erkennt
es an als den Herrn und Meister, der Macht hat über sein* Geschick. Mit
' dem Tode dieses seines Herrn schwingt es sich wieder aus zu den Höhen des
Lichts und der Freiheit, aus denen der Dichter, der Künstler es herabholt.
Dies ist keine Demüthigung sür den Dichter, dies ist, wie uns dünkt, erst
der rechte Triumph für ihn. Hierin erst zeigt es sich, daß er höher steht als
der Handwerker, als der Industrielle, daß der Geist es war, und nur der
Geist, mit dem er geschaffen und für den er geschaffen. Die Bestimmungen
also, welche die Majorität des Congresses gegen die Natur des Rechtes
zum Vortheil der Witwe und der Erben des Schriftstellers und Künstlers 'ge¬
troffen, sie sind nicht etwa eine unzulängliche Anerkennung eines Rechts dieser
Personen, sie sind vielmehr ausschließlich der Ausfluß der persönlichen Ver¬
ehrung und der Pietät, die über das Grab hinaus den großen Todten der
Nation gezollt wird.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341588_266356/220>, abgerufen am 30.06.2024.